Die Presse am Sonntag

Journalist­en als gefallene Helden

Ein Pr´si©ent, ©er (vielleicht) ©en Milit´r©ienst schw´nzte, un© eine Öffentlich­keit, ©ie vor Żllem üãer TypogrŻfie ©iskutiert: Der Film »Der Moment ©er WŻhrheit« mit CŻte BlŻnchett un© Roãert Re©for© erz´hlt von ©er Rathergate-Affäre.

- VON KATRIN NUSSMAYR

In Zeiten politische­r Unruhe nicht sorgfältig zu arbeiten, sollte sich kein ernst zu nehmendes Medium leisten. Je gespaltene­r eine Gesellscha­ft, je angespannt­er die Lage, desto unverzicht­barer werden Meldungen, die auf reinen Fakten basieren – und desto eher werden Menschen, die eine Meldung belastet, alles daran setzen, einen Schwachpun­kt zu finden, um sie für nichtig zu erklären.

Das Team um Produzenti­n Mary Mapes (Cate Blanchett) und den Anchorman Dan Rather (Robert Redford), das in „Der Moment der Wahrheit“kurz vor der US-Präsidents­chaftswahl 2004 brisante Informatio­nen zu George W. Bushs Militärakt­e enthüllt, hätte also ahnen können, dass seine Berichte auf jede undichte Stelle abgeklopft werden würden. Und dass am Ende nicht die Inhalte der Enthüllung­en im Fokus der öffentlich­en Debatte stehen würden, sondern die Enthüller selbst, ihre politische­n Befindlich­keiten und menschlich­en Schwächen.

Insofern erzählt „Der Moment der Wahrheit“, der kommende Woche ins Kino kommt, die Geschichte einer mutigen Recherche, eines grausamen Kampfes zwischen Spindoktor­en und Medien, und schließlic­h von der öffentlich­en Demontage gefeierter Journalist­en. Es ist der Rathergate-Skandal aus der Perspektiv­e der gefallenen Helden: Mapes, die Produzenti­n des CBSFormats „60 Minutes“(das für die Recherche über Folter im US-Militärgef­ängnis Abu Ghraib prämiert wurde), bekommt Informatio­nen zugespielt, die andeuten, dass Bush sich als junger Mann mithilfe seiner mächtigen Familie vor einem Kriegseins­atz in Vietnam gedrückt hatte und stattdesse­n der Nationalga­rde beigetrete­n war. Im Laufe der Recherche tun sich immer mehr Lücken in Bushs Lebenslauf auf – hat er etwa mit Erlaubnis von oben seine Pflichten vernachläs­sigt? Gefälschte Papiere? Informante­n werden angezapft und überredet, vor der Kamera auszusagen, Archive werden durchkämmt, Dokumente auf ihre Authentizi­tät geprüft. Die Zeit drängt, auch andere Sender sind an der Ge- schichte dran. Der Stolz und die Erleichter­ung nach der Ausstrahlu­ng der Sendung währen nicht lange: Eine Meute von konservati­ven Bloggern – so stellt es der Film jedenfalls dar – analysiert die Dokumente und befindet, sie seien gefälscht. Plötzlich drehen sich die Nachrichte­n nicht mehr um die Missetaten des Präsidente­n, sondern um Typografie und Zeilenabst­ände.

Der Beruf des Journalist­en wird denkbar glamourös dargestell­t, Blanchett und Redford glänzen als unbeirrbar­e, ehrgeizige Nachrichte­njäger. Doch die Erzählung gerät etwas plump: Der Film untermalt die letzten Minuten im Schneidera­um kurz vor der Ausstrahlu­ng mit dramatisch­er Musik und bringt im erwartbars­ten Moment emotionale Familienge­schichten – etwa über Mapes’ Vater, der sie als Kind schlug, wenn sie Fragen stellte.

Darüber hinaus kommt der Film mit oberflächl­icher Medienkrit­ik aus, im Vordergrun­d stehen menschlich­e Schicksale. Maxime: Die Helden einer Geschichte haben immer recht.

Die Aff´re wirkt fort: CBS lehnte es Żã, Werãespots für ©en Film ŻuszustrŻh­len.

Wie es wirklich war, ob die Dokumente echt waren oder nicht, darüber wird noch immer gestritten. CBS jedenfalls zog die Geschichte zurück, ordnete eine Untersuchu­ng an und feuerte Mapes. Dan Rather, der vorzeitig in den Ruhestand ging, kritisiert­e, dass CBS sich dem Weißen Haus gebeugt hätte, weil der Sender auf Steuererle­ichterunge­n gehofft habe. CBS dementiert­e.

Erfreut ist CBS über „Der Moment der Wahrheit“nicht, die Affäre wirkt fort: Im Oktober lehnte der Sender einen millionens­chweren Werbedeal mit dem Filmstudio Sony ab – weil er keine Werbung für den Film zeigen wollte. Cate Blachett war dennoch Gast in der „Late Show with Stephen Colbert“von CBS. Dieser eröffnete seine Show wie folgt: „Sie spielt eine CBS-Mitarbeite­rin, die gefeuert wird, und wir könnten über etwas anderes sprechen.“

 ?? ConstŻntin Film ?? Robert Redford als CBS-Anchorman Dan Rather.
ConstŻntin Film Robert Redford als CBS-Anchorman Dan Rather.

Newspapers in German

Newspapers from Austria