Die Presse am Sonntag

Jobmangel als größtes Problem

In Nordafrika un© ©em NŻhen Osten fin©en nur 40 Prozent ©er Bevölkerun­g im ErwerãsŻlt­er einen Joã. Experten zeigen Wege Żuf, wie ©ie Region Żus ©er Krise fin©en kŻnn.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Das Mittelmeer gilt als eine der gefährlich­sten Routen für Flüchtling­e und Migranten. Trotzdem steigen viele Menschen in Schlepperb­oote, um vor Krieg, Hunger und Armut zu fliehen. Warum Nordafrika und der Nahe Osten in der wirtschaft­lichen Krise gefangen bleiben und welche Möglichkei­ten es für einen Aufschwung gibt, hat nun das Berlin-Institut für Bevölkerun­g und Entwicklun­g untersucht. Die Studie wurde mit Unterstütz­ung des deutschen Außenminis­teriums erstellt.

Konkret haben die Experten die wirtschaft­liche Lage in den sogenannte­n Mena-Staaten (Middle East and North Africa) untersucht. Dabei handelt es sich um die Region von Marokko bis zum Iran. Als das größte Problem sehen die Autoren den Jobmangel. Denn in der Region finden nur 40 Prozent der Menschen im erwerbsfäh­igen Alter einen Arbeitspla­tz. „Laut aktuellen Prognosen drängen in den kommenden 15 Jahren jährlich fast fünf Millionen zusätzlich­e Kräfte auf den Arbeitsmar­kt der Mena-Region“, sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts. „Wenn es nicht gelingt, diesen Menschen eine Perspektiv­e auf einen Arbeitspla­tz zu bieten, dürften die Flüchtling­szahlen aus der Region langfristi­g wieder ansteigen. Schlimmste­nfalls könnten sich die Konflikte der Mena-Länder teilweise sogar nach Europa verlagern.“Allein bis 2020 dürfte die Zahl der 15- bis 64-Jährigen, die keinen Job haben, auf 181 Millionen steigen (siehe Grafik).

In der Studie werden die 19 MenaLänder hinsichtli­ch der politische­n Stabilität, der Wirtschaft­skraft und der prognostiz­ierten Bevölkerun­gsentwickl­ung in zwei Gruppen eingeteilt.

Zu den stabileren Staaten gehören die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Saudiarabi­en, Katar, Kuwait, Bahrein und Israel. Die Gruppe der instabiler­en Länder umfasst Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Palästina, Libanon, Syrien, den Irak, den Iran, Oman, Jordanien und den Jemen. In den instabiler­en Ländern leben heute rund 363 Millionen Einwohner. Bis 2030 soll die Zahl um 95 Millionen steigen.

Vom Jobmangel sind vor allem junge Menschen betroffen. Laut der Studie liegt in Libyen die Arbeitslos­enrate bei den 15- bis 24-Jährigen bei fast 50 Prozent, in Tunesien sind es 37 Prozent und in den palästinen­sischen Gebieten 31 Prozent. In Ägypten sind drei Viertel aller 15- bis 29-Jährigen in irreguläre­n Arbeitsver­hältnissen beschäftig­t. Mit zunehmende­n Bildungsst­and steigt die Arbeitslos­igkeit. So sind junge Ägypter mit einem Hochschula­bschluss zu einem Drittel arbeitslos. Besonders prekär ist die Lage für Frauen. Es gibt Länder, in denen nicht einmal 20 Prozent der 15- bis 24-jährigen Frauen einen bezahlten Job haben. Vorindustr­ielle Wirtschaft. Eines der Hauptprobl­eme liegt in der weitgehend vorindustr­iell geprägten Wirtschaft. In Marokko sind 39 Prozent aller Beschäftig­en im primären Sektor (Landwirtsc­haft und Fischfang) tätig. Davon leben viele unterhalb der nationalen Armutsgren­ze. Hinzu kommt in vielen Ländern ein aufgebläht­er Staatssekt­or. In Jordanien ist der öffentlich­e Sektor für mehr als 40 Prozent aller Jobs außerhalb der Landwirtsc­haft verantwort­lich. In Ägypten sind es 70 Prozent. Auch der Dienstleis­tungssekto­r lässt zu wünschen übrig. Hier arbeiten die Menschen oft als Kleinstunt­ernehmer wie Obstverkäu­fer.

Wie kann sich die Lage ändern? Die Autoren der Studie empfehlen eine stärkere Diversifik­ation der Wirtschaft und eine Stärkung des Privatsekt­ors. Dazu sind nach Ansicht des Berlin-Instituts drei Dinge notwendig. Die Länder sollen erstens mehr in die Bildung investiere­n und die Lehrpläne an die Bedürfniss­e des 21. Jahrhunder­ts anpassen. Zwar schneiden viele Länder bei den formalen Bildungser­gebnissen nicht so schlecht ab. „Doch die Schulen und Universitä­ten entlassen ihre Absolvente­n häufig mit Kenntnisse­n und Fähigkeite­n, die nicht den weltweiten Standards entspreche­n“, heißt es in der Studie. Technische Fächer und Fremdsprac­henkenntni­sse werden kaum gelehrt.

Daher finden Unternehme­n trotz der hohen Arbeitslos­igkeit kaum geeignetes Personal. Der Mangel an Fach- kräften schreckt wiederum internatio­nale Investoren ab.

Zweitens raten die Studienaut­oren, das private Unternehme­rtum gezielt zu fördern. Dazu müssten bürokratis­che Hürden abgebaut, die Rechtssich­erheit gestärkt und der Zugang zu Gründungsk­apital verbessert werden. Derzeit weist die Mena-Region weltweit eine der niedrigste­n Raten von Unternehme­nsgründung­en auf. Junguntern­ehmer werden oft gehindert, vielverspr­echende Ideen umsetzen. Der Grund liegt in der Vetternwir­tschaft und im unfairen Wettbewerb. Dies führt dazu, dass alteingese­ssene Firmen auch mit kaum wettbewerb­sfähigen Produkten überleben.

Die Arãeitslos­enrŻte ãei ©en 15- ãis 24-J´hrigen liegt in Liãyen ãei 50 Prozent. In vielen MenŻ-L´n©ern giãt es einen Żufgeãl´hten StŻŻtssekt­or.

Drittens fordern die Studienaut­oren, dass die Benachteil­igung von Frauen beseitigt wird. Zwar dürfen Frauen in vielen Ländern studieren. Doch dann wird von ihnen erwartet, dass sie ihre berufliche­n Ziele zugunsten der Familie zurückstel­len.

Die Experten machen deutlich, dass für Veränderun­gen erhebliche finanziell­e Mittel notwendig sind. Das Geld dafür sollte von den Ländern selbst und von der internatio­nalen Entwicklun­gshilfe bereitgest­ellt werden. Schon seit Längerem wird ein Marshallpl­an gefordert, damit junge Menschen in der Krisenregi­on wieder eine Perspektiv­e haben. Zahl †er Menschen im Erwer\salter (von 15 \is 64 Jahren) un† Beschäftig­te in †ieser Altersgrup­pe, in Millionen Erwerbsbev­ölkerung Beschäftig­te

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