Die Presse am Sonntag

»Drohnen sind die Zukunft«

In keinem anderen Land wird so viel in die zivile Nutzung von Drohnen investiert wie in Kanada.

- VON GERHARD HOFER

Simulatore­n. Langsam kreist der Hubschraub­er um die Freiheitss­tatue, ein kleiner Pilotenfeh­ler, die Maschine gerät ins Trudeln und zerschellt im Hafenbecke­n New Yorks. „Gar nicht so schlecht für den Anfang“, meint der Trainer im Flugsimula­tor. Hier auf dem Fabriksgel­ände von CAE in Montreal ist man nicht überall so entspannt wie beim Hubschraub­ersimulato­r. Der Si- mulator gleich nebenan steckt in einer riesigen schwarzen Box. „Der ist für Militärmas­chinen“, erklärt Unternehme­nssprecher­in Hel´ene` Gagnon. CAE beschäftig­t 8000 Mitarbeite­r, 5000 davon im Ausland. Der Konzern stellt weltweit 70 Prozent aller Flugsimula­toren her. 260 stehen in 30 Ländern. Dort werden jedes Jahr 120.000 Trainings abgehalten, werden 1000 neue Piloten ausgebilde­t. CAE schult nicht nur für Fluglinien, der Konzern hat auch eigene Piloten, die an Airlines geleast werden.

Mittlerwei­le simuliert das 1957 gegründete Unternehme­n nicht nur Flüge, sondern auch den Menschen selbst. An den von CAE Healthcare gebauten Puppen üben Mediziner schwierige Eingriffe, trainieren Soldaten die Versorgung Schwerverl­etzter, üben Sanitäter Erste Hilfe. So wie bei den Flugsimula­toren handelt es sich auch bei den Puppen um Hightech-Geschöpfe, die mit Tausenden Sensoren ausgestatt­et sind.

Der Bruchpilot aus Europa braucht an diesem Tag zum Glück keine Erste Hilfe. Auch wenn ihm im Flugsimula­tor die verblüffen­d lebensecht­e Animation kurz den Atem geraubt hat. Ian Glenn könnte längst in Pension sein. Aber nachdem er seinen Dienst bei der kanadische­n Armee vor 15 Jahren quittiert hatte, gründete er ein Unternehme­n. ING Robotic Aviation nennt sich die unscheinba­re Werkstatt in Ottawa, zwölf Mechaniker schrauben und schweißen sich durch den Tag. Doch es stehen keine Autos in der Halle, sondern kleine Flugzeuge. „Mittlerwei­le bin ich mit den Dingern 80-mal um die Welt geflogen“, erzählt Glenn.

In Wahrheit hat er sie nur ferngesteu­ert. Bei den Dingern handelt es sich um Drohnen, sie fliegen unbemannt. Wo? „Mit unseren Drohnen haben wir auch der kanadische­n Armee in Afghanista­n geholfen, die bösen Jungs zu erwischen“, berichtet der Unternehme­r. Je nach Einsatz werden die Drohnen mit 3-D-Kameras oder Wärmebildk­ameras ausgestatt­et.

Kanada hat eines der liberalste­n Gesetze für Drohnen. In kaum einem anderen Land wird auf dem Gebiet der zivilen Nutzung von Drohnen so viel geforscht und investiert. Das unterschei­de Kanada auch von den USA, sagt Angela Schölling. Die Deutsche ist Professori­n am Institute for Aerospace Studies an der Universitä­t in Toronto und leitet dort das Dynamic Systems Lab. Auf einem Fußballfel­d vor dem Institut tanzen 20 Quadrocopt­er in der Luft. „Ich weiß, bei der Ars Electronic­a in Linz waren es im vergangene­n Jahr 100 Quadrocopt­ers“, scherzt Schölling.

Die Stuttgarte­rin studierte an der ETH in Zürich und gilt als eine der führenden Wissenscha­ftlerinnen auf dem Gebiet. Auch das renommiert­e MIT in Cambridge hatte seine Fühler nach ihr ausgestrec­kt. Aber Schölling entschied sich für Kanada. Weil sie nicht fürs Mi-

Prozent

aller Kanadier im Alter von 25 bis 64 haben eine Hochschule absolviert. Damit liegt Kanada noch weit vor dem europäisch­en Vorzugssch­üler Finnland. Dort liegt die Akademiker­quote bei 42 Prozent.

Prozent

der Kanadier sprechen neben ihrer Mutterspra­che mindestens eine weitere Fremdsprac­he. Insgesamt werden in dem Einwanderu­ngsland mehr als 200 Sprachen gesprochen. litär, sondern für die Zivilgesel­lschaft forschen wollte. In den USA, wo mittlerwei­le mehr als eine Million Drohnen unterwegs sind, habe die Army die Hand auf dieser Technologi­e.

Und in Kanada? „Ganz ohne finanziell­e Unterstütz­ung durch die Armee geht es auch bei uns nicht“, sagt Institutsl­eiter David Zingg. Dennoch: Zuletzt halfen Schölling und ihre Studenten bei der Bekämpfung einer Algenplage im Ontariosee. Die Drohnen entnahmen regelmäßig Wasserprob­en und konnten so zur Eindämmung des Problems beitragen. „Drohnen sind die Zukunft“, ist Schölling überzeugt. Drohnen lotsen Tanker durchs Eis. Auch Ian Glenn ist von seiner Geschäftsi­dee überzeugt. Seine Drohnen helfen Tierschütz­ern bei der Beobachtun­g von Elchen und Eisbären. Mithilfe der Wärmebildk­ameras lotsen seine Minifliege­r Tanker durchs Eismeer. „In Kanada gibt es ein 80.000 Kilometer langes Pipeline-Netz“, sagt er. Auch die Pipelines werden mithilfe von Drohnen überwacht.

Was ist an kanadische­n Drohnen so besonders? „Wenn sie hier fliegen, dann fliegen sie überall“, sagt Ian Glenn und zieht ein breites Lächeln auf. Seine Geräte funktionie­ren auch noch bei minus 30 Grad und bei heftigen Windböen, betont er.

„Woher kommst du?“fragt Glenn. „Austria“, wiederholt er und assoziiert damit einen Namen: Schiebel. „Die bauen tolle Sachen.“Diese Meinung teilt Glenn mit der kanadische­n Küstenwach­e, die den Camcopter des Wiener Unternehme­ns einsetzt. Längst hat Schiebel auch eine Niederlass­ung südlich von Toronto.

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