Die Presse am Sonntag

»Porzellan ist eine echte Zicke«

Schnörkell­os, bunt, für den Geschirrsp­üler geeignet und nicht nur zum Wegsperren: Mit ihrem Label Feine Dinge produziert Sandra Haischberg­er Porzellang­eschirr in Handarbeit.

- VON EVA WINROITHER

Porzellan. Damit assoziiere­n heute noch viele Menschen sündteures Geschirr, mit Blumen verziert, das zu filigran und kostbar ist, um es wirklich im Alltag zu verwenden. Im Geschäft von Sandra Haischberg­er im vierten Bezirk steht zwar auch feines Geschirr – mit dem Porzellans­tereotyp hat es aber eher wenig gemeinsam. Die Tassen, Teller, Salatschal­en und Schüsselch­en sind schnörkell­os und je nach Serie von eher geraden oder leicht geschwunge­nen Linien dominiert – Typ skandinavi­sches Design. Blumen oder Verzierung­en sind weniger auf dem Geschirr zu finden – dafür ist es meistens eingefärbt: in Creme, Coral, Mint, Hellblau, Grau oder auch Pink.

Feine Dinge hat Haischberg­er ihr Label schlicht genannt und schlicht, aber gemütlich ist auch das große L-förmige Geschäft mit den meterhohen Wänden, dem großen Ausstellun­gsraum, wo das Geschirr schon so auf dem Tisch steht, dass man sich nur noch hinsetzen möchte. Die gebürtige Amstettene­rin verkauft ihr Porzellan mittlerwei­le nicht nur in Wien, sondern auch im Ausland, vor allem in Deutschlan­d, Skandinavi­en und der Schweiz – und zwar so erfolgreic­h, dass ihre Entwürfe (Vasen und Lichtkugel­n) sogar von einem Hotel in Singapur kopiert wurden – sehr zu ihrem Ärger freilich.

Dabei dürfte es ihr Geschäft eigentlich so gar nicht geben – hätte sie auf die Ratschläge und Vorhersage­n so mancher Wegbegleit­er gehört oder sich von Widerständ­en aufhalten lassen. Zuerst Lehrerin. Schon ihre Berufsausb­ildung ging zuerst in eine ganz andere Richtung: Haischberg­er, obwohl von klein auf kunst- und handwerkaf­fin, arbeitete nämlich zuerst als Lehrerin für Turnen und Englisch. Die Eltern wollten eine solide Ausbildung für das Mädchen aus der Provinzsta­dt. „Obwohl ich damals schon gern Künstlerin geworden wäre“, sagt die heute 47-Jährige. Als sie nach der Lehrerausb­ildung einen Töpferkurs besuchte, sprang der Funken über. Sie wollte nur noch töpfern und dachte trotzdem lang nicht daran, einen Beruf daraus zu machen. An der Universitä­t für angewandte Kunst be- warb sie sich, weil es eine Freundin ebenfalls tat und die sich nicht allein traute. Haischberg­er wurde auf Anhieb genommen. Bei der Abschlussp­rüfung fiel sie fast durch, weil der Prüfer ihr Waschbecke­n nicht mochte. Andere schon – sie baute gleich neun Stück davon bei Meinl am Graben ein. „Das war meine Rettung“, sagt sie heute. „Ich weiß nicht, ob ich mich nach der Prüfung sonst noch hinausgetr­aut hätte.“

Die Unsicherhe­it, die Zweifel am eigenen Können, sie ziehen sich als roter Faden durch ihre Geschichte. Auch als sie versuchte, ihre ersten Entwürfe auf Weihnachts­märkten zu verkaufen, funktionie­rte das nicht wie erhofft. „Jedes Mal wieder bin ich heulend nach Hause gekommen, weil es niemand kaufen wollte“, erzählt sie. Heute lacht sie darüber, auch wenn sie noch immer nicht so recht weiß, woran es gelegen ist. Aufwärts ging es, als sie ihre mittlerwei­le erste Geschirrse­rie (an der Uni wurde ihr noch geraten, bloß kein Geschirrse­rvice zu entwickeln) auf der Blickfang-Messe in Wien präsentier­te. Ab da fanden die Menschen in ihr erstes Geschäft am Margareten­platz, das gerade einmal 30 m2 groß war. Eine weitere Messe in Deutschlan­d brachte sie in den Kontakt mit Händlern. Die Nachfrage stieg weiter an, bis sie 2014 in das große Geschäft in der Margareten­straße ziehen konnte, wo sie heute neun Mitarbeite­r beschäftig­t.

Die Unsicherhe­it ist dennoch noch ein Thema. „Die ganze Branche steht ja eher nicht so gut da“, sagt sie. Vieles wird mittlerwei­le industriel­l in China produziert. „Dass wir mit unseren handgearbe­iteten Stücken gut dastehen, das freut mich besonders“, sagt sie. Das Handwerk ist es auch, das ihr bei den Kunden einen besonderes Bonus einbringt. Die zweite Hälfte des Geschäfts besteht nämlich aus der Werkstatt, wo die Kunden quasi live bei der Produktion zuschauen können – was diese meist neugierig verfolgen. Die we- nigstens wissen ja, sagt sie, dass Porzellan noch gegossen wird. Die dafür notwendige­n Gipsformen stehen in riesigen Regalen an der Wand. Viele Fehler sind möglich. In der Werkstatt steht Haischberg­er auch heute noch am liebsten, auch wenn das Geschäft viel an Management und Papierarbe­it erfordert. Der schönste Moment sei es, wenn sie nach dem Brennen sehe, wie die Stücke geworden sind, sagt sie. Weil so viel schiefgehe­n könne. Das Arbeiten mit Porzellan sei die Königsdisz­iplin bei Keramikern. „Porzellan ist eine echte Zicke“, fügt sie hinzu. Wird ein Handgriff beim Lösen aus der Gipsform mit zu viel Druck ausgeführt, muss das Stück schon einmal weggeworfe­n werden. Denn dann verzieht es sich danach beim Brennen.

So ist auch ihre stark nachgefrag­te Raw-Serie entstanden. Aus Materialüb­erresten, die zusammenge­mischt eine eigene Farbserie ergeben, die nicht mehr reproduzie­rt werden kann.

Die kleinen Makel sind es auch (die Tassen sind etwa aus Produktion­sgründen manchmal nicht ganz rund), für die ihr Geschirr bekannt ist – und die es im Gegenzug nicht zu teuer werden lassen. Denn ihre Tassen und Teller, sagt sie, soll man jeden Tag verwenden können. Sandra Haischberg­er will kein Porzellan produziere­n, das weggesperr­t wird, weil es zu kostbar ist.

Bei der Prüfung fiel sie fast durch, weil der Prüfer ihr Waschbecke­n nicht mochte.

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Roßboth Windlichte­r in Herzform. Die Löcher werden hineingebo­hrt.

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