Die Presse am Sonntag

»Im Innersten träumt man immer vom

Innenverte­idiger SebŻstiŻn Prö©l muss noch um seinen Euro-Fixplatz im Nationalte­am bangen. Der »Presse am Sonntag« erzählt er jedoch, wie wichtig es ist, Realist zu sein, warum der österreich­ische Fußball mittlerwei­le Wiedererke­nnungswert hat. Und wie es

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Als Verteidige­r bekommt man ganz schön viel ab, den Ruhm bekommen aber oft die anderen, zumeist die Stürmer. Warum wurden Sie also Verteidige­r? SebŻstiŻn Prö©l: Die Spielposit­ion hängt von deinem Talent und auch von deinem Körperbau ab. Ich muss meinen Körper mit seiner Länge ausnützen. Aber es stimmt, man bekommt schon was auf die Knochen als Innenverte­idiger, man muss hinhalten. Sie haben aber auch schon einmal eine sehr schwere Kopfverlet­zung erlitten. Beim Versuch, ins Tor zu köpfeln, wurde mir ins Gesicht getreten. Das sind keine schönen Erinnerung­en. Kann man das ganz hinter sich lassen? Ich blende es komplett aus. Ich unterhalte mich kaum darüber und stelle mir diese Situation nur selten vor. Nicht, dass ich sie verdränge, aber es bringt mich nicht weiter, wenn ich zu viele Gedanken daran verschwend­e. Damals, 2011, begann ich mit einem Mentaltrai­ner zu arbeiten, einem Psychologe­n. Mit ihm arbeite ich immer noch zusammen. Man ahnt gar nicht, was für ein Potenzial in diesem Bereich in einem schlummert. Im Fußball kann es wegen einer Verletzung von heute auf morgen vorbei sein. Deswegen bin ich froh, dass ich von Beginn an einen Plan B hatte. Ich wollte nach der Matura eine Ausbildung machen, in die Firma meiner Familie, einen Tischlerei­betrieb, einsteigen. Ein Profifußba­ller ist ein Wanderer, heißt es. Im Lauf einer Karriere unterläuft man extrem vielen Veränderun­gen. Man ist Nomade, Teil eines Wandervolk­s. Man zieht weiter. Aber die Heimat ist Österreich, Bremen ist auch ein Stück Heimat geworden. Wo man später dann leben will, das hängt auch von Partner, Situation und den Freunden ab, die man behalten hat. Wie eng ist der Kontakt zu den anderen drei Österreich­ern in der Premier League? Kevin Wimmer treffe ich am häufigsten, weil er auch in London lebt. Aber wir haben alle untereinan­der ständigen Kontakt. Ist man als Profi frei von Neid? Was Christian Fuchs mit Leicester City gelungen ist, war eindrucksv­oll. Natürlich. Man freut sich für den Mitspieler. Solange man nicht gegeneinan­der spielt natürlich. Im Spiel ruht die Freundscha­ft. Für uns Österreich­er war das alle eine spannende Saison. Sebastian Prödl im Gespräch mit der „Presse“in der Kantine des FC Watford im Norden Londons. Welche Gefühle haben Sie nun so knapp vor Beginn der EM? Die Vorfreude ist riesig. Wir haben uns qualifizie­rt, als eine der stärksten Nationen Europas. Wir haben 28 Punkte in der Qualifikat­ion geholt, und das müssen wir bei der Euro nun auch unter Beweis stellen. Aber wir sind relativ unerfahren, was Turniere angeht, und es wäre gut, die Erwartungs­haltung so niedrig wie möglich zu halten. Worin besteht denn die Magie, dass bei manchen Spielen alles aufgeht? Da spielt leider zu viel mit, die ersten Minuten etwa. Gegen Schweden wurde es zu einer magischen Nacht in Stockholm. Jeder brachte mehr als hundert Prozent, sie waren sogar noch gut bedient mit dem 1:4. Da ging einfach alles auf. Man muss den Unterschie­d zwischen den Spielen herausfilt­ern, dann kann man etwas daraus lernen. Wenn man das nicht macht, dann wird es zu einem Problem. Sie hatten mit Qualifikat­ionsspiele­n gegen Schweden ja auch so eine Vorgeschic­hte. Das Spiel damals ( 2013, WM-Qualifikat­ion für Brasilien 2014, Anm.) war ja auch ein halbes Märchen. Die erste Halbzeit hatten wir brilliert. Wir hätten das Spiel genauso gut für uns entscheide­n können. Aber es kam anders, die Brasilien-Träume zerplatzte­n. Wir hatten nun die Gelegenhei­t für eine Revanche. Wir waren deutlich gefestigte­r. Damals waren wir auswärts wirklich schwach, das hat sich seither grundlegen­d geändert. Wir sind nun auch bei Auswärtssp­ielen ernst zu nehmen, haben uns weiterentw­ickelt. Wir haben das Glück, einen Trainer zu haben, der auf ein Stammteam baut. Gutes Stichwort: Stammplatz. Werden Sie bei der EM in der Innenverte­idigung neben Aleksandar Dragovi´c zum Einsatz kommen? Ich hoffe natürlich, dass ich eine Chance habe, reinzukomm­en. Die Entscheidu­ng liegt beim Trainer. Da herrscht noch ein Konkurrenz­kampf. Welches Spiel der Gruppenpha­se wird entscheide­nd? Wir haben, wie gesagt, wenig Turniererf­ahrung. Ein paar von uns waren zwar bei der Euro 2008. Wir dürfen uns aber nur auf das erste Spiel konzentrie­ren. Wir dürfen nicht überlegen, welches Spiel entscheide­nd ist. Wir können uns nicht auf Portugal einstellen, bevor das erste Spiel vorbei ist. Jetzt gelten die Gedanken nur Ungarn. Danach werden wir mit dem Ergebnis dementspre­chend umgehen müssen. Marcel Koller ist ein freundlich­er Mensch, er lächelt gern. Wir können mit der Auslosung und der Gruppe zufrieden sein. Aber ich bin mir ganz sicher, dass zum gleichen Zeitpunkt die Trainer in Portugal und in Ungarn das gleiche Lächeln auf den Lippen hatten, als Österreich aus dem Topf gezogen wurde. Da hätte es auch andere Kaliber gegeben. Wir haben uns in der Qualifikat­ion Respekt erarbeitet, aber dennoch sind wir für viele Nationen nicht der große Favorit, in der Gruppe weiterzuko­mmen. Wir sind vielleicht ein Geheimfavo­rit aufgrund unserer Leistung in der Qualifikat­ion. Uns wird zugetraut, eine Überraschu­ng liefern zu können. Wir gehören aber sicher nicht zu den Favoriten. Kann der Teamchef auch unfreundli­ch sein? Unfreundli­ch habe ich ihn noch nie erlebt. Unzufriede­n, ja. Das ist im Sport so, dem muss man Raum geben, als Spieler und als Trainer. Nur so kannst du auch Spieler erreichen, wenn die Emotion nicht nur im positiven Fall da ist, sondern auch im negativen. Es ist sehr wichtig, dass der Trainer die Emotion mitträgt. Wir sind von ihm abhängig. Er ist von uns abhängig. Wir gehen gemeinsam in eine Richtung. Er hat dem Team ein Selbstvert­rauen gegeben, das es jahrzehnte­lang nicht gab. Er hat einen Stil entwickelt, er hat Österreich zu einer Marke gemacht, wir haben nun Wiedererke­nnungswert. Was war sein Erfolgsrez­ept? Grundsätzl­ich einmal seine Art. Seine Genauigkei­t und die Kontinuitä­t, mit der Mannschaft zu arbeiten und einen eigenen Spielstil zu entwickeln. Er hat entschiede­n, welche Spieler bereit sind, alles für Österreich zu geben, mit wem man den besten Fußball spielen kann, und was zu dieser Mann-

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Bei der Auslosung sah man allerdings ein Lächeln auf den Lippen Marcel Kollers.
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