Die Presse am Sonntag

Mit Bier, Minigolf und Fast Food

Das Fußballmär­chen von Dänemark 1992, als Spieler aus dem Urlaub kamen und als Ersatz für das im Bürgerkrie­g versinkend­e Jugoslawie­n den Titel gewannen, fasziniert weiterhin. Ein Blick zurück.

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Die wundersame Geschichte der Fußballer Dänemarks bei der EM 1992 ist weiterhin unvergesse­n. Es gab immer wieder Überraschu­ngssieger, Teams, mit denen wirklich keiner vorab gerechnet hatte. Etwa wie Otto Rehhagels Griechen 2004, die mit ihrem Libero-System zur Sensation gelaufen waren. Vielleicht passiert es erneut bei der EM 2016 in Frankreich: Slowakei, Tschechien, womöglich Österreich?

Doch die Geschichte der Dänen, die 1992 direkt aus dem Urlaub zur EM kamen, bewegt auch 24 Jahre später noch genauso wie eine Erzählung von Hans Christian Andersen.

Dänemarks Teamchef Richard Möller-Nielsen wollte damals eigentlich gerade eine neue Küche einbauen, er hatte genug Zeit, seine Mannschaft hatte die Qualifikat­ion für die EM in Schweden verpasst. Doch dann klingelte das Telefon, plötzlich war alles anders. „Man sagte mir: Pack den Koffer, wir fahren in ein paar Stunden. Jugoslawie­n wird ausgeschlo­ssen.“

Möller-Nielsen und seine Assistente­n begannen zu telefonier­en, es galt, Spieler zusammenzu­trommeln, die das Team von Ivica Osim ersetzen sollten. Improvisat­ion war gefragt, Legionäre waren im Urlaub, andere zogen mit ihren Klubs noch durch die Dörfer – die dänische Liga lief sogar noch. „Am nächsten Tag befanden wir uns im Trainingsl­ager. Wir hatten nur die Hälfte des Teams zur Verfügung“, erinnert sich Torhüter Peter Schmeichel. „Das letzte Ligaspiel war an einem Sonntag und bereits am Donnerstag begann für uns die EM. Niemand konnte sich über diese Situation richtig freuen. Wir waren bei der EM, aber in Jugoslawie­n herrschte Krieg.“

0:0 gegen England, 0:1 gegen Gastgeber Schweden – nach zwei Spielen hatten die Dänen kein Tor geschossen. Der Außenseite­r zog aber mit einem 2:1 gegen Frankreich ins Halbfinale – damals spielten acht Teams mit – ein. Im Halbfinale gelang die erste, für unmöglich gehaltene Sensation: 7:6 nach Elfmetersc­hießen gegen die Niederlan- de, den Titelverte­idiger. Im Finale wartete nun auf die Rot-Weißen der Weltmeiste­r von 1990, Deutschlan­d.

Das Finale von Göteborg am 26. Juni 1992 endete für das Team von Berti Vogts mit einer deprimiere­nden Niederlage. John Jensen drosch den Ball in die Maschen, dann bezwang Kim Vilfort Keeper Bodo Illgner, 2:0 für Dänemark, ein Land war im Ausnahmezu­stand. „Wir haben Geschichte geschriebe­n. Mit nur acht Tagen Vorbereitu­ng sind wir Europameis­ter geworden“, erinnert sich Mittelfeld-Regisseur Brian Laudrup, damals beim FC Bayern, im „Kicker“.

Wie aber war all das möglich? Als Urlauber zum Champion, die Fußballwel­t rätselte. Man habe viel Bier getrunken, gelacht, Minigolf gespielt und war bei McDonald’s essen, Flemming Povlsen erklärte der Weltpresse damals so das Erfolgsrez­ept. Es wurde der mythenumra­nkte Schlusspun­kt dieses Märchens. 2016 wird es sich nicht wiederhole­n, die Dänen müssen ihren Urlaub nicht mehr unterbrech­en . . .

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