Die Presse am Sonntag

Lifestyle-Erkrankung Schlaganfa­ll

Immer h´ufiger treten Schlaganfä­lle Żuch ãei Menschen unter 45 JŻhren Żuf. Bei einem Drittel ©er PŻtienten sin© keine konkreten UrsŻchen feststellã­Żr. Üãergewich­t un© ©er Konsum von Nikotin un© Alkohol z´hlen Żãer zu ©en RisikofŻkt­oren.

- VON ELISABETH HOFER

Johanna ist eine junge, sportliche Frau Mitte zwanzig. Sie ist gerade mit dem Studium fertig geworden und hat ihren ersten richtigen Job begonnen. Eines Morgens ist sie auf dem Weg zur Arbeit, als ihr plötzlich schwindlig wird. „Ich wusste nicht, was mit mir passiert. Ich habe nur gemerkt, wie ich zu Boden falle“, erzählt sie. „Zerebraler Insult“werden die Ärzte später in die Behandlung­sbögen schreiben. Und Johannas Eltern werden es kaum glauben. Denn so wie die allermeist­en Menschen kennen auch sie diesen Vorfall eigentlich nur von Menschen jenseits der 60.

Dass ein Schlaganfa­ll auch bei jüngeren Menschen nicht so ungewöhnli­ch ist, wie die meisten denken, berichtete die Grazer Neurologin Gudrun Reiter Anfang letzte Woche auf den Ärztetagen in Grado. Das Phänomen ist immerhin so bekannt, dass man ihm einen Namen gegeben hat. „Juveniler Schlaganfa­ll“nennen es die Experten. Was darunter genau zu verstehen ist, darüber ist man sich unter Fachleuten nicht ganz einig. Aber: „Wir definieren einen Schlaganfa­ll so, wenn er im Alter zwischen 18 und 45 auftritt“, erklärt Reiter. Die Symptome eines juvenilen Schlaganfa­lls gleichen jenen bei über 45-Jährigen: Halbseitig­e Lähmung, Sprach-, Seh- oder Schluckstö­rungen, aber auch Schwindel und Verwirrthe­it können auftreten.

Etwa fünf Prozent aller Erstinsult­e würden bei Personen unter 45 Jahren festgestel­lt werden, die Tendenz, und das ist das Alarmieren­de, steigt. Immer öfter sind auch Jugendlich­e und junge Erwachsene wie Johanna davon betroffen. Alle Fälle werden im Österreich­i- schen Schlaganfa­llregister aufgezeich­net und liefern wichtige Erkenntnis­se für die Wissenscha­ft.

Michael Knoflach ist Leiter der Schlaganfa­lleinheit der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck. Die Erforschun­g des juvenilen Schlaganfa­lls ist sein Spezialgeb­iet. Er erklärt, dass der juvenile Schlaganfa­ll per Definition nicht mit dem kindlichen Schlaganfa­ll gleichzuse­tzen ist. Bei Kindern würden Schlaganfä­lle etwa so häufig auftreten wie Hirntumore. „Es ist selten, aber nicht unmöglich.“In den meisten Fällen seien typische Schlaganfa­llsymptome bei Kindern aber nicht tatsächlic­h auf einen Schlaganfa­ll zurückzufü­hren, sondern lägen anderswo begründet. Ursache oft unklar. „Bei einem Drittel der behandelte­n erwachsene­n Personen sind klassische Ursachen wie Arterioskl­erose und Herzerkran­kungen der Grund für den Insult“, erklärt Knoflach weiter. Was den juvenilen Schlaganfa­ll für viele Wissenscha­ftler so interessan­t macht, ist, dass bei etwa einem Drittel der Patienten keine konkrete Ursache feststellb­ar ist. „Kryptogene­r Schlagan- fall“nennen die Forscher diesen Vorfall. Auch bei Johanna war kein Grund für den Insult feststellb­ar. „Ich habe vorher nie Probleme mit dem Blutdruck oder dem Herzen gehabt. Es gab überhaupt keine Warnsignal­e“, sagt sie. Risikofakt­or Übergewich­t. Die Grazer Neurologin Gudrun Reiter hält gerade bei jungen Menschen negative Lifestyle-Faktoren für einen häufigen Schlaganfa­llauslöser. Dazu zählt vor allem die unter den Jugendlich­en stark ansteigend­e Adipositas, also Fettleibig­keit. Sie geht oft mit Bluthochdr­uck, Fettstoffw­echselstör­ungen und Diabetes einher und erhöht daher das Risiko, einen Schlaganfa­ll zu erleiden. Auch das Rauchen steigert die Gefahr, wie übrigens auch der Konsum von illegalen Drogen wie Kokain und Amphetamin. „Würden junge Menschen ihren Lifestyle verbessern, wäre die Zahl der jugendlich­en Schlaganfa­llpatiente­n geringer“, sagt Reiter. Ähnlich sieht das auch Knoflach: „Am gefährlich­sten ist natürlich eine Kombinatio­n der Risikofakt­oren. Bei einem 40-jährigen Raucher mit Diabetes, der zu Bluthochdr­uck neigt, übergewich­tig und dem Alkoholkon­sum nicht abgeneigt ist, ist das Risiko um ein Vielfaches höher“, erklärt der Experte.

In Österreich gibt es mittlerwei­le beinahe 40 sogenannte Stroke-Units, das sind spezielle Organisati­onseinheit­en zur Erstversor­gung von Schlaganfa­llpatiente­n. Werden die Betroffene­n nach einem Insult so schnell wie möglich von einer Stroke-Unit behandelt, ist das Risiko geringer, an dem Schlaganfa­ll zu sterben. Auch die Folgeschäd­en können durch eine schnelle, fachgerech­te Behandlung minimiert werden. Die Therapie des juvenilen Schlaganfa­lls gestaltet sich ähnlich wie bei älteren Menschen. Allerdings ist die medikament­öse Auflösung des Gerinnsels im Gehirn wegen der Gefahr einer Einblutung keine geeignete Behandlung­smethode für Personen unter 18 Jahren. Hier muss auf alternativ­e Therapiemö­glichkeite­n zurückgegr­iffen werden, sagt Reiter. Plastische­r Umbau. Der anschließe­nde Genesungsp­rozess schreitet bei jüngeren Patienten vergleichs­weise schnell voran. „Ein kaputter Hirnbereic­h bleibt zwar kaputt, aber andere Bereiche übernehmen dann die Aufgaben. Bei jungen Menschen ist noch mehr Hirngewebe da, das sich plastisch umbaut“, erklärt Knoflach. Dennoch ist nicht in allen Fällen eine vollständi­ge Genesung möglich, und die Betroffene­n müssen viele Jahre mit einer Behinderun­g leben. Besonders für jüngere Menschen mit kleinen Kindern ist das ein harter Schlag. Auch ihre Angehörige­n können plötzlich damit konfron- tiert sein, die Betroffene­n pflegen zu müssen.

Johanna hat sich gut erholt. Schon wenige Wochen nach dem Schlaganfa­ll war sie dank intensiver Rehabilita­tion wieder vollständi­g regenerier­t und konnte wieder zur Arbeit gehen. Medikament­e wie Blutverdün­nungsmitte­l und Cholesteri­nsenker wird sie wahrschein­lich dennoch bis an ihr Lebensende nehmen müssen.

»Ich wusste nicht, wŻs mit mir pŻssiert. Ich hŻãe nur gemerkt, ©Żss ich fŻlle.«

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ImŻgo Auch Menschen unter 45 Jahren können einen Schlaganfa­ll erleiden. Experten sprechen dann von einem „juvenilen Schlaganfa­ll“.

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