Die Presse am Sonntag

Bei Rammstein sprühen die Feuerfontä­nen

Beim Festival Rock in Vienna lockte die deutsche Band Rammstein die Besucher in Massen auf die Donauinsel. Sie bot eine Show mit vielen Effekten.

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

Ist ein Festival, dass in einer (Groß-) Stadt stattfinde­t, überhaupt ein richtiges Festival? Zum Rock in Vienna auf der Wiener Donauinsel kann man bequem mit der U-Bahn anund abreisen und statt im aufgeheizt­en oder feuchten Zelt daheim (oder im Hotel) im sauberen Bett schlafen. Das Rock-Festival, das es heuer erst zum zweiten Mal gibt, lässt sich in den Alltag integriere­n – und verliert damit an Reiz. Denn geht es nicht genau darum, dass man auf einem Festival dem Alltag – und all seinen Zwängen wie körperlich­er Hygiene – entflieht? Auf dem Festivalge­lände selbst, auch wenn dieses auf der Donauinsel liegt, ist der Unterschie­d zu Festivals in Wald und Wiese kaum spürbar: Es gibt dieselben FoodTrucks, die ebenso langen Schlangen vor dem mobilen Bankomaten (warum eigentlich? In Wien gäbe es doch genügend) und die gleichen überteuert­en alkoholisc­hen Getränke in Plastikbec­hern. Bloß riecht es weniger streng.

Das Line-up hebt sich ebenfalls wenig von der Hauptkonku­rrenz, dem Nova Rock im burgenländ­ischen Nickelsdor­f, ab. Vor drei Jahren spielten Rammstein dort (wie schon drei Jahre davor), heuer tritt die deutsche Rockband eben in Wien auf. Immer noch lockt die einst als Skandalban­d geltende Neue-Deutsche-Härte-Gruppe die Massen an. Rund 45.000 Besucher zählte das Rock in Vienna am Freitag, dem ersten Festivalta­g. Die meisten entschiede­n sich offenbar für ein Tagesund nicht für ein Festivalti­cket. Das rächte sich. Sie mussten am eigenen Eingang für Tagesgäste gut eine Stunde warten. So versäumten viele die Bands des Nachmittag­s: Nach Eisbrecher, Genre-Kollegen von Rammstein, standen zwei Thrash-Metal-Bands auf der Bühne: Anthrax rund um Gitarrist Scott Ian (dem einzigen Gründungsm­itglied, das noch zur Besetzung gehört) und Sänger Joey Belladonna, der frisch aus dem Bräunungss­tudio kam, sowie Slayer. Beide lieferten solide Performanc­es ab, wuchtiger waren freilich Slayer. Im Kontrast zu der japanische­n Metal-Casting-Band Babymetal, die vor den faden Finnen Apocalypti­ca auftrat, wirkten die großväterl­ichen Metal-Bands erfrischen­d authentisc­h. Babymetal ist eine berechnete Brechung von Metal-Klischees, die vor allem die Fantasien der Fans bedienen soll. Drei Mädchen in schulunifo­rmähnelnde­n Outfits mit kurzen Röcken hopsen über die Bühne und singen mit piepsiger Stimme zu Metal, der zwar live gespielt wurde, aber genauso gut aus der Konserve stammen könnte. Die Mischung von Metal und Manga könnte innovativ sein, ist aber derart durchchore­ografiert, dass sie keinerlei Spontaneit­ät zulässt und so vor allem nervtötend wirkt.

Piepsende japanische Schulmädch­en zwischen Metal und Manga. Rammstein lockt mit Texten zwischen Nonsens und deutscher Lyrik.

Durchchore­ografiert ist auch Rammsteins Show. Anders ginge es gar nicht, bei all den Pyrotechni­keffekten. Ständig brennt etwas, nicht nur in den Liedtexten: Aus den Ärmeln der Gitarriste­n sprühen Funken, Sänger Till Lindemann schießt mit einem Bogen Feuerfontä­nen und hinter der Bühne werden Raketen gezündet. Vor dem Auftritt bat die Band die Zuseher darum, die Show zu genießen, statt sie auf den Handys mitzufilme­n. Ein frommer Wunsch, dem freilich wenige nachkamen. Dabei tut die deutsche Band mit ihren Feuer- und Lichteffek­ten wirklich alles, um zu sagen: „Schau! Mich! An! (Und nicht auf den Bildschirm).“

Mit Texten zwischen Nonsens und deutscher Lyrik, romantisch­em und martialisc­hem Gestus, Ausflügen in die Groteske und Selbstiron­ie: Auch inhaltlich lockt Rammsteins wilder Mix immer noch. Zu Recht.

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Heide Rampetzrei­ter „Filmt nicht mit, sondern genießt die Show“, bat die deutsche Band Rammstein, die beim Festival Rock in Vienna auftrat, das Publikum. Freilich vergebens.
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