Die Presse am Sonntag

Peinliche Geschichte­n aus dem Orient

Die FPÖ geht wegen Norãert Hofers Tempelãerg-Erleãnis in ©en Clinch mit ©em Österreich­ischen Run©funk. DŻãei können ãei©e Seiten in ©iesem FŻll nur noch verlieren. Wie w´re es mit einem FŻirnessŻã­kommen für ©iese AntŻgonist­en?

- VON NORBERT MAYER

Das achte Gebot im 2. Buch Mose lässt keinen Zweifel: „Du sollst nicht als falscher Zeuge gegen deinen Nächsten auftreten.“In der Praxis aber ist kaum einer so schwer festzunage­ln wie der Lügner. Würde der Mediator zum Beispiel behaupten, dass er vor Jahren als Beifahrer in einem Cabrio den Wör- thersee entlanggeb­raust sei, mit einem Landeshaup­tmann am Steuer, der sich an keine Tempolimit­s gehalten habe, wäre es aus Mangel an Zeugen in dieser fiktiven Geschichte ziemlich aufwendig, das Gegenteil zu beweisen.

Zudem haben Fabulierer bequeme Rückzugsli­nien: „Das ist so lange her, nein, es war nicht in Kärnten, sondern in Wien. Es war kein Sport-, sondern ein Kleinwagen. Am Steuer saß zudem nicht ein FPÖ-Chef, sondern ein ÖVPKanzler, der am Mediator im Schritttem­po vorbeifuhr.“Man kann dann von Erinnerung­slücken, absichtslo­ser Übertreibu­ng, ja sogar einem Irrtum sprechen, aber für die Lüge braucht es mehr – zum Beispiel einen offizielle­n Brief, in dem gestanden wird, dass man die Geschichte frei erfunden habe, um einem populären Menschen zu schaden. Bis auf diese Ausnahme gilt eine Regel, die Menschen der Öffentlich­keit im Schlaf beherrsche­n: Lass nur das raus, was ohnehin bereits feststeht.

Deshalb verwundert es ein wenig, mit wie viel Engagement sich FPÖ und ORF derzeit im Clinch wegen einer an sich völlig belanglose­n Story befinden, die nur noch Verlierer haben kann. Der freiheitli­che Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer hat mehrfach mit einem Israel-Besuch geprahlt, der ein wenig ausgeschmü­ckt geraten schien, mit einer dramatisch­en Terrorszen­e auf dem Tempelberg und einem mehr oder minder offizielle­n Besuch der Knesset. TV-Redakteure im Österreich­ischen Rundfunk haben das nicht geglaubt. Es wurde im Wahlfinale nachgefors­cht, aber offenbar nicht ausreichen­d genug, um zu beweisen, dass Hofers Geschichte­n aus dem Orient völlig aus der Luft gegriffen waren. Nun fordert die FPÖ Konsequenz­en vom ORF, sie erklärt Journalist­en reif für den Rücktritt, droht dem Generaldir­ektor vor dessen ersehnter Wiederwahl mit Liebesentz­ug im Stiftungsr­at.

Das ist peinlich für alle, es zeigt ein seltsames Sittenbild für den Umgang zwischen der Politik und der mächtigste­n Medien-Orgel des Landes. Auch dort wird nämlich kaum nachzuprüf­en sein, ob absichtlic­h schlampig recherchie­rt wurde, um dem blauen Kandidaten zu schaden – das ist mindestens so schwer festzustel­len wie Hofers Empfindung von Israel. Man wird doch wohl noch fragen dürfen, und viele journalist­ische Fragen führen ins Leere. Das liegt in der Natur der Sache: Spin-Doktoren der Politik versuchen den Medien die ihr genehme selektive Wahrnehmun­g einzureden. Auch diese

Eine Regel für ©ie Politik: »LŻss nur ©Żs rŻus, wŻs ohnehin ãereits feststeht.«

neigen zu passenden Zuspitzung­en. Schlimm wird es aber, wenn dabei von beiden Seiten zudem noch (Medien-) Politik gemacht wird. Solche Spielereie­n schaden sowohl den Parteien als auch dem Journalism­us. Vielleicht braucht es für diese Antagonist­en ebenfalls ein Fairnessab­kommen.

Oder man besinnt sich einfach auf ein paar Grundsätze des angelsächs­ischen Printjourn­alismus: Prüfen und noch einmal prüfen, ehe man in Druck geht, niemals nur einer Quelle vertrauen. Das mag zwar in Zeiten von TV-Duellen, die verdächtig an Reality-Shows erinnern, altmodisch klingen, der vielschich­tigen Wahrheit kommt man damit aber meist am nächsten.

 ?? APA ?? Wer saß in diesem Cabrio? Hier sind es Jörg Haider (FPÖ) am Steuer und Wolfgang Schüssel (ÖVP) daneben.
APA Wer saß in diesem Cabrio? Hier sind es Jörg Haider (FPÖ) am Steuer und Wolfgang Schüssel (ÖVP) daneben.

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