Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Denkschablonen. Wenn Linke gegen Systeme wettern, die dem Volk nicht gerecht werden, ist das Sozialkritik. Wenn Rechte das tun, ist es Populismus. So kommen wir nicht weiter.
Der Populismus betont laut Wikipedia „den Gegensatz zwischen dem ,Volk‘ und der ,Elite‘ und nimmt dabei in Anspruch, auf der Seite des ,einfachen Volkes‘ zu stehen“. Wer denkt da nicht an die FPÖ? So auch der Theologe Christian Bauer in einem Kommentar über freiheitliche und katholische Wähler: „Die FPÖ setzt auf einen Oben-unten-Gegensatz: die Kirchenmitglieder gegen das ,Establishment‘ der Amtskirche. Das entspricht der FPÖLinie in anderen Bereichen, dass man sich gegen ,die da oben‘ wehren müsse.“
Das zeigt aber auch, wie problematisch der Vorwurf des Populismus ist. Denn den Gegensatz „Kirchenmitglieder gegen Amtskirchen-Establishment“hat doch niemand virtuoser gehandhabt als Helmut Schüller. Er hat sogar zur Untermauerung der Ansprüche des „einfachen Kirchenvolkes“gegen „die da oben“den Begriff „Kirchenbürger“geprägt. Aber ist deswegen die Pfarrerinitiative populistisch oder Schüller gar der Strache der katholischen Kirche? Wohl kaum.
Auch die beliebte Neoliberalismus-Kritik weist dasselbe Narrativ auf: den Gegensatz zwischen Volk und Elite, zwischen kleinen Leuten und Abkassierern – ein System, das schon lang nicht mehr dem Volk dient. Auch die angebotenen Lösungen sind zumeist so, wie man es dem Populismus unterstellt: zu simpel.
Ist Populismus also nur ein anderer Name für Sozialkritik von rechts? Darüber lohnt sich nachzudenken. Denn es ist bedenklich, ein Hinterfragen von Herrschaftsverhältnissen dann als Verhetzung zu brandmarken, wenn es von der politischen Konkurrenz kommt. Kritik an den Herrschenden ist Grundmuster jeder eingefleischten Opposition. Dass „die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen“, steht so, ohne jede differenzierende Einschränkung, sogar im Evangelium. Auch dass man den Oben-unten-Gegensatz in der Politik entzweiend einsetzt, ist Alltag. Neoliberalismus-Gegner predigen ja auch nur selten die große Umarmung von Ausbeutern und Ausgebeuteten.
Wer die bedenklichen Aspekte der FPÖ benennen will, findet sie – in Programm, Menschenbild und Tonalität. Sie sind nur nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Gerade die intellektuelle Elite sollte aber auf einfache Schablonen verzichten und hinhorchen, wenn jemand sagt, dass die kleinen Leute nicht mehr zu ihrem Recht oder dass das Wollen und das Fühlen der breiten Mehrheit nicht mehr zum Tragen kommen. Es wäre im Interesse der Freiheit, diesen Befund nicht als Populismus abzutun, sondern zu überprüfen, ob er nicht zumindest in Teilen stimmt. Oder wenigstens darüber nachdenken, warum er für viele so plausibel ist. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.