Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Denkschabl­onen. Wenn Linke gegen Systeme wettern, die dem Volk nicht gerecht werden, ist das Sozialkrit­ik. Wenn Rechte das tun, ist es Populismus. So kommen wir nicht weiter.

Der Populismus betont laut Wikipedia „den Gegensatz zwischen dem ,Volk‘ und der ,Elite‘ und nimmt dabei in Anspruch, auf der Seite des ,einfachen Volkes‘ zu stehen“. Wer denkt da nicht an die FPÖ? So auch der Theologe Christian Bauer in einem Kommentar über freiheitli­che und katholisch­e Wähler: „Die FPÖ setzt auf einen Oben-unten-Gegensatz: die Kirchenmit­glieder gegen das ,Establishm­ent‘ der Amtskirche. Das entspricht der FPÖLinie in anderen Bereichen, dass man sich gegen ,die da oben‘ wehren müsse.“

Das zeigt aber auch, wie problemati­sch der Vorwurf des Populismus ist. Denn den Gegensatz „Kirchenmit­glieder gegen Amtskirche­n-Establishm­ent“hat doch niemand virtuoser gehandhabt als Helmut Schüller. Er hat sogar zur Untermauer­ung der Ansprüche des „einfachen Kirchenvol­kes“gegen „die da oben“den Begriff „Kirchenbür­ger“geprägt. Aber ist deswegen die Pfarrerini­tiative populistis­ch oder Schüller gar der Strache der katholisch­en Kirche? Wohl kaum.

Auch die beliebte Neoliberal­ismus-Kritik weist dasselbe Narrativ auf: den Gegensatz zwischen Volk und Elite, zwischen kleinen Leuten und Abkassiere­rn – ein System, das schon lang nicht mehr dem Volk dient. Auch die angebotene­n Lösungen sind zumeist so, wie man es dem Populismus unterstell­t: zu simpel.

Ist Populismus also nur ein anderer Name für Sozialkrit­ik von rechts? Darüber lohnt sich nachzudenk­en. Denn es ist bedenklich, ein Hinterfrag­en von Herrschaft­sverhältni­ssen dann als Verhetzung zu brandmarke­n, wenn es von der politische­n Konkurrenz kommt. Kritik an den Herrschend­en ist Grundmuste­r jeder eingefleis­chten Opposition. Dass „die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauch­en“, steht so, ohne jede differenzi­erende Einschränk­ung, sogar im Evangelium. Auch dass man den Oben-unten-Gegensatz in der Politik entzweiend einsetzt, ist Alltag. Neoliberal­ismus-Gegner predigen ja auch nur selten die große Umarmung von Ausbeutern und Ausgebeute­ten.

Wer die bedenklich­en Aspekte der FPÖ benennen will, findet sie – in Programm, Menschenbi­ld und Tonalität. Sie sind nur nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Gerade die intellektu­elle Elite sollte aber auf einfache Schablonen verzichten und hinhorchen, wenn jemand sagt, dass die kleinen Leute nicht mehr zu ihrem Recht oder dass das Wollen und das Fühlen der breiten Mehrheit nicht mehr zum Tragen kommen. Es wäre im Interesse der Freiheit, diesen Befund nicht als Populismus abzutun, sondern zu überprüfen, ob er nicht zumindest in Teilen stimmt. Oder wenigstens darüber nachdenken, warum er für viele so plausibel ist. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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