Die Presse am Sonntag

EU will kein Katz- und Mausspiel mit London

Die Außenminis­ter der Gründungss­taaten fordern rasch den offizielle­n Austrittsa­ntrag der Briten.

- VON ERICH KOCINA

Man respektier­e die Entscheidu­ng der Briten, aber jetzt mögen sie den Austritt bitte tatsächlic­h vollziehen. „Dieser Prozess sollte so bald wie möglich losgehen“, sagte Deutschlan­ds Außenminis­ter, Frank-Walter Steinmeier, am Samstag in Berlin. Dorthin hatte er seine Amtskolleg­en aus den europäisch­en Gründersta­aten – neben Deutschlan­d sind das Frankreich, Italien und Benelux – geladen. Der britische Premiermin­ister, David Cameron, habe den Prozess mit dem Referendum eingeleite­t, jetzt müsse er mit den Konsequenz­en leben. „Ich hoffe“, meinte Luxemburgs Außenminis­ter, Jean Asselborn, „dass wir hier kein Katz- und Mausspiel machen“.

Es war ein exklusives Format, das da am Samstag tagte. Natürlich ein symbolisch­es, bei dem die Gründersta­aten das Signal aussenden sollten, „dass Europa lebt“, wie Frankreich­s Außenminis­ter, Jean-Marc Ayrault, sagte, und „an den Geist der Gründervät­er anknüpfen“wollten. Gleichzeit­ig betonte Steinmeier aber, dass er am Sonntag und Montag auch die Außenminis­ter Tschechien­s, der Slowakei und der baltischen Staaten treffen werde. Deutschlan­ds Rolle erfordert viel diplomatis­ches Gefühl. Als größte Volkswirts­chaft der EU hat man großes Gewicht – das wird durch den Austritt der zweitgrößt­en, nämlich Großbritan­nien, noch größer. Allerdings muss man aufpassen, dass kleinere Staaten sich nicht von einem zu dominanten Deutschlan­d bevormunde­t fühlen.

Abgesehen vom Druck auf die Briten, das Austrittsv­erfahren rasch auszulösen, verständig­ten sich die sechs Außenminis­ter in Berlin aber auch schon auf etwas Inhaltlich­es für die Zukunft. Dass man nämlich Antworten auf die Fragen der Bevölkerun­g geben müsse – bei der Migration, bei der Sicherheit vor Terror und natürlich ebenso bei Arbeitsplä­tzen und Wachstum. Hier gehe es auch darum, auf die Bereitscha­ft einzelner Mitgliedst­aaten einzugehen, wie weit sie bei der EU-Integratio­n gehen wollen.

Also ein Europa der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten, wie es immer wieder herumgeist­ert? Das gebe es doch ohnehin schon, meinte Belgiens Außenminis­ter, Didier Reynders. Nicht alle EU-Mitglieder seien Teil des Schengen-Abkommens, nicht alle haben den Euro. Nur müsse man eben Wege finden, mit den unterschie­dlichen Ambitionsn­iveaus besser umzugehen. Was die Außenminis­ter eint, ist der Wunsch, dass der Brexit nicht der Auftakt für weitere Abspaltung­sversuche ist. Aus einigen Ländern kamen ja bereits Signale – von der rechtspopu­listischen niederländ­ischen Partei für die Freiheit, zum Beispiel, oder dem Front National in Frankreich. Am Samstag kündigte auch die rechtsextr­eme slowakisch­e Volksparte­i Unsere Slowakei ein Bürgerbege­hren an. Kurz will Regeln der Briten. Einig waren sich die sechs Außenminis­ter auch darüber, dass die Zugeständn­isse, die man den Briten für den Fall des Verbleibs in der Union gemacht hatte, hinfällig seien. Hier wird allerdings ausgerechn­et Österreich ausscheren – so hat Außenminis­ter Sebastian Kurz in einer Stellungna­hme gefordert, dass man die Regelungen für die Briten nie als Ausnahmere­gelungen verstanden habe, sondern als Umsetzungs­auftrag für die gesamte EU. Dazu zählt unter anderem die Zahlung von Familienbe­ihilfe in vollem Ausmaß in das EU-Ausland. Hier brauche es Veränderun­gen, denn sonst „werden Stimmungen und Entwicklun­gen, wie sie in Großbritan­nien stattgefun­den haben, auch in anderen Mitgliedst­aaten stattfinde­n“.

Nicht alle Staaten haben das gleiche Ambitionsn­iveau bei der europäisch­en Integratio­n.

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