Die Presse am Sonntag

Es geht nach rechts

- VON LYDIA MISCHKULNI­G

Europa wird sich überlegen, wie der Funke zum Bürger überspring­t. Gerade komme ich aus dem Wienerwald, wo meine Partisanen­oper aufgeführt wird, die den Bogen vom Widerstand gegen den Faschismus und der Aufarbeitu­ng dieser Zeit bis in das Heute spannt, mit einer Hoffnung, die sich Europa nennt. Denk- und Mahnmalkul­tur haben die Bewussthei­t um die nationale Geschichte erhöht. Meinte ich, bis ich erfuhr, dass Jugendlich­e mit dem Begriff Holocaust und Österreich wenig bis gar nichts anfangen können.

Vielleicht fehlt es an didaktisch­en Mitteln, an der Zeit, an einem Menschenbi­ld für die Zukunft. Als schlechte, zynische, gierige Untergangs­vorbilder gehen Nationalis­ten und ihre Führerpart­eien durch. Vielleicht kommt eines Tages das Europa der Provinzen als neue EU daher, wenn die Engländer dahinterko­mmen, dass die Nation als Bremse für Europa gewirkt hat. Die EU sei unser Untergang, zitierte einst Robert Menasse, und hob die dialektisc­he Bedeutung hervor, das Europa der Nationalst­aaten gehe unter. Da sind wir jetzt. Jedoch: Es geht nach rechts und nicht in Richtung soziale Gerechtigk­eit, Umverteilu­ng, Frieden, Bildung. Demagogen und Populisten ködern mit der nationalen Abschottun­g und winken mit Fascho-Symbolik, weil der Mob Symbole nicht anders kennt.

Und jetzt? Europa wird sich nicht provinzial­isieren, es wird sich wieder etwas überlegen, den Funken zum Bürger überspring­en zu lassen. Wirtschaft und Ökonomie sind herausgefo­rdert. Wie läuft das jetzt, wenn Italien seine Traktorenp­roduktion von England nach Graz verlegt? Wie groß ist der Schaden durch das Finanzkapi­tal, durch die Digitalisi­erung, die uns wegrationa­lisiert und das Profitmaxi­mum aus uns herauszieh­t, bis wir erschöpft aufklatsch­en? Da bleibt nicht viel über. Eigentlich gar nichts. Dagegen wird nicht viel helfen. Außer meine Europa-Gedanken nicht von zynischen Referendum-Strategen versauen zu lassen.

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Lipus/literaturf­oto.net Lydia Mischkulni­g ist Schriftste­llerin.

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