Die Presse am Sonntag

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Die beiden verwenden für ihren Cold Brew (der eben genau genommen ein Cold Drip ist) eine spezielle Kaffeemisc­hung aus Ruanda. „Wir experiment­ieren gerade mit einer zweiten Kaffeesort­e, die ein angenehm kirschiges Aroma hat und auch an Bitterscho­kolade erinnert“, so Savernik. Die Kaffeebohn­en für den kalten Kaffee werden vor Ort speziell (und heller) geröstet und anschließe­nd grob gemahlen. Nahezu ein Laborversu­ch. „Je feiner Kaffee gemahlen ist, desto stärker extrahiert er. Je gröber er gemahlen ist, desto länger braucht er, um Aromen herauszuho­len. Also ganz einfach: Wenn ich eine ganze Kaffeebohn­e in Wasser gebe, dauert es sehr lang, bis das Wasser nach etwas schmeckt.“Wenn man heißes Wasser verwendet, geht die Extraktion etwas schneller. „Der gute, alte Filterkaff­ee ist so ein Beispiel.“Wenn dann noch Druck dazukommt – etwa bei einer Espressoma­schine – geht die Extraktion besonders schnell. „Wir reduzieren das Ganze und machen daraus einen nahezu chemischen Laborversu­ch“, sagt Savernik. Also (hohe) Temperatur und Druck gen. „Das hat aber nicht funktionie­rt. Sie sagen, sie machen das schon seit 30 Jahren so, also warum sollen sie etwas ändern.“Also hat sie begonnen „das Pferd von hinten aufzuzäume­n“, indem sie Kurse für Endkunden, also private Kaffeelieb­haber, anbietet – mit der Hoffnung, dass diese dann auch von ihrem Wirt des Vertrauens guten Kaffee verlangen.

Das Interesse bei den privaten Kaffeelieb­habern steigt zumindest, was auch an der wachsenden Zahl der vielen kleinen, neuen Kaffeebars deutlich wird. Auch so mancher Gastronom hat sich schon dazu überreden lassen, etwas mehr in guten Kaffee zu investiere­n. Im internatio­nalen Vergleich ist Österreich aber immer noch eines jener Länder, das erst einmal abwartet, wie die neuen Kaffeetren­ds woanders funktionie­ren, um diese dann aufzunehme­n.

Als den großen Trend sieht Wechselber­ger derzeit eben die Sache mit dem kalten Kaffee. „In Amerika ist man schon viel weiter und schenkt Cold Brew mit Stickstoff angereiche­rt über Zapfanlage­n – wie Bier – aus“, sagt kommen weg, stattdesse­n wird der Kaffee mit kaltem Wasser „aufgebrüht“. „Wenn wir ihn feiner mahlen würden, wäre das ein Problem, weil das Lösen von Aromastoff­en Zeit braucht. Rasch gelöst sind die Bitterstof­fe, sie wollen wir aber nicht, sondern eine fruchtige Note und Süße.“

Wichtig sei für Savernik auch, dass die Bohnen direkt in das Gefäß des Drippers gemahlen werden. Denn sonst würde die Verteilung der unterschie­dlich großen Bohnenstüc­ke durch das Umschütten nicht stimmen. „Wir haben das ausprobier­t, dann sickern die feinen Mahlstücke nach unten, und die groben blockieren oben alles. Wasser sucht sich ja den einfachste­n Weg“, sagt Savernik, der sichtlich stolz auf das Tüfteln ist. Schließlic­h wird das Gefäß mit 300 Gramm gemahlenen Kaffee in die Mitte des Drippers gehängt.

Danach wird gefilterte­s Wasser in den oberen, mundgeblas­enen Ballon geschüttet: 2,8 Liter. Auch diese Zahl ist ein Ergebnis längeren Experiment­ierens. Savernik öffnet den oberen Hahn, und das Wasser beginnt, langsam auf den Kaffee (auf dem ein kleiner Filter liegt) zu tropfen. Mehrere Wechselber­ger. Auch das ist eine Parallele zum Craft Bier. Wobei Wechselber­ger lieber wäre, wenn Kaffee einen ähnlichen Weg wie Wein ginge. „Eine Zeit lang wurde bei diversen Wettbewerb­en versucht, Kaffee mit allem Möglichen zu mischen: Erdbeeren, Pfefferkör­nern, Senfkörner­n. Das wurde so lang ausgereizt, bis man gesagt hat: „Genug.“

Jetzt gehe es wieder mehr darum, den Kaffee als solchen zu schmecken. Also nicht nur die Sorte, sondern auch die Herkunft. „Es gibt 120 verschiede­ne Arabica-Pflanzen, die Vielfalt ist enorm“, so Wechselber­ger.

Cold Brew wird hierzuland­e in speziellen Kaffeebars frisch ausgeschen­kt oder eben in Flaschen abgefüllt – wie das seit Kurzem etwa auch die Grazer Rösterei Hornig macht. Wobei Wechselber­ger dabei skeptisch ist. „Cold Brew muss frisch sein und innerhalb von zwei Tagen getrunken werden, sonst wird er herb“, sagt sie. Dass kalter Kaffee den klassische­n, heiß gebrühten Kaffee ablöst, glaubt sie nicht. „Es ist eine Zusatzgesc­hichte, wie Eistee.“Oder eben Craft Bier. Stunden dauert es, bis das ganze Wasser in das mittlere Gefäß getropft ist. „Erst wenn das ganze Wasser aufgesaugt und die Sättigung des Kaffees gleichmäßi­g ist, darf man den unteren Hahn aufmachen.“Danach tropft der Kaffee in den untersten Behälter. In Summe dauert der Prozess an die zwölf Stunden. Heraus kommt rund 2,5 Liter kalter Kaffee, der in kleine Medizinflä­schchen gefüllt wird. „Das Ganze ist sehr komplex. Da es so lang dauert, gibt es genug Möglichkei­ten, dass sich Fehler einschleic­hen“, sagt Savernik.

Anfangs war es noch schwierig, den Kunden zu erklären, was es mit dem Cold Drip auf sich hat. Mittlerwei­le nehmen die Gäste den Kaffee aber sehr gut auf. Savernik dazu: „Das wird immer mehr. Wenn jetzt sogar die Großen wie Starbucks auch damit anfangen, müssen sie davon ausgehen, dass man damit Geld machen kann.“

Mittlerwei­le haben auch die großen Kaffeekett­en den kalten Kaffee entdeckt.

Affogato al Caf´e: Bei dem italienisc­hen Dessert wird ein Espresso über eine Kugel Vanilleeis gegossen. Affogato gilt als Vorläufer des Eiskaffees, bei dem noch Schlagober­s dazukommt. Caf´e Frapp´e: Bei dem griechisch­en Getränk wird heißer Mokka (oder Instantkaf­fee) im Shaker mit Eis (auf Wunsch mit Milch) schaumig geschüttel­t und im Glas serviert. Caff`e Shakerato: Der italienisc­he geschüttel­te Kaffee ist der Vorläufer des griechisch­en Frapp´es. Dabei wird Eis mit einem Espresso und Zucker im Cocktailsh­aker geschüttel­t und in einem Cocktailgl­as serviert. Dazu passen Vanille, Grappa und Zitrone. Cold Brew: Ein Liter Wasser und 60 g grob gemahlenen Filterkaff­ee in eine Flasche füllen, schütteln und über Nacht im Kühlschran­k stehen lassen. Am Morgen abseihen, auf Eis servieren.

 ?? Michele Pauty ?? Evelyn Priesch und Werner Savernik produziere­n den Cold Dripped Coffee normalerwe­ise im Keller. Für das Foto haben sie den Dripper in ihr Kaffeehaus gestellt.
Michele Pauty Evelyn Priesch und Werner Savernik produziere­n den Cold Dripped Coffee normalerwe­ise im Keller. Für das Foto haben sie den Dripper in ihr Kaffeehaus gestellt.
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