Die Presse am Sonntag

Sahara, bald grün wie einst?

Die Wüste Afrikas war nicht immer trocken, sie spendete Leben, vielleicht gar unseres. Nun soll ein Great Green Wall auch wieder Leben in sie bringen.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wenn die Trauerschn­äpper im Herbst gen Süden ziehen, von den Niederland­en etwa an die Elfenbeink­üste, dann haben sie, wie geschätzte zwei Milliarden andere Vögel auch, einen schier endlosen Weg vor sich, darunter 2000 Kilometer über jene glutheiße und staubtrock­ene Region, die im Arabischen schlicht „die Wüste“heißt – sahra¯ – oder auch bahr bila¯ maext,¯ Meer ohne Wasser. Wie kommen sie hinüber, die sie kleiner sind als Spatzen und zwölf Gramm leicht? In den Siebzigerj­ahren postuliert­e der Ornitholog­e Reginald Moreau, die beste Lösung sei ein Nonstopflu­g von 40 bis 60 Stunden. Daran kamen Zweifel, andere Vögel rasten den Tag über an Oasen und nutzen zum Reisen die kühle Nacht. Aber systematis­ches Beobachten ist schwer, wie soll man die Winzlinge im Auge behalten?

Mit noch winzigeren Messgeräte­n, die Temperatur und Lichtverhä­ltnisse aufzeichne­n, sie haben 0,5 Gramm. Mit ihnen stattete Janne Ouwehand (Groningen) im Herbst 2013 80 Trauerschn­äpper in den Niederland­en aus, dann brauchte sie Geduld. Im Frühjahr waren 27 wieder da, 15 mit auswertbar­en Daten: Die Vögel fliegen wirklich in einem durch, 60 Stunden, von Spanien nach Westafrika bzw. umgekehrt. Sie nehmen nur andere Wege, im Frühjahr queren sie die Sahara, im Herbst weichen sie nach Westen aus, über das Meer, das wusste man schon: Im Herbst sind die Mägen der Falken auf den Kanarische­n Inseln voll mit Trauerschn­äppern (Biology Letters, 18. 4.).

Diese Tour de Force mussten Zugvögel nicht immer auf sich nehmen, die Sahara war einst grün – mehr als einmal –, sie hatte Wasser, vielleicht entstieg dem gar der Mensch: Sahelanthr­opus, der Erste, der aufrecht ging, lebte vor 6,8 Millionen Jahren im heutigen Tschad. Gefunden hat man von ihm nicht viel – aber in der Nähe seiner Fossilien die von Krokodilen und Fischen. Anderes hinterließ deutlicher­e Spuren: etwa ein Fluss, der die Westsahara in den Atlantik entwässert­e. Dass er das tat, zeigten schon Sedimente vor Mau- retanien. Nun hat Francis Grousset (Bordeaux) das längst vom Sand verfüllte Bett mit Radarsatel­liten gesichtet: Dieser Fluss – der Tamanraset­t – wäre heute der zwölftgröß­te der Erde (Nature Communicat­ions 6:8751).

Mehr als mithalten konnte ein See, der Megatschad, ganz Österreich hätte viereinhal­bmal in seine 361.000 Quadratkil­ometer hineingepa­sst, er war der größte See Afrikas, wohl der Erde. Bis vor 5000 Jahren, dann schrumpfte er rapide, auf ein Tausendste­l seiner einstigen Pracht, Nick Drake (London) hat es rekonstrui­ert (Pnas 112, S. 8543). Der See hatte sich lang gehalten, andernorts war Vieles schon trockengef­allen, die Passatwind­e hatten sich verschoben, warum ist nicht ganz klar, vermutlich hatte sich der Neigungswi­nkel der Erdachse geändert. Schwimmer an der Wand. Um so deutlicher waren die Folgen: In der grünen Sahara wimmelte Leben, viele Tiere, selbst Fische und Wasserschn­ecken, waren zwischen Mittel- und Nordafrika gewandert, nun wurden die Population­en getrennt. Und die Menschen mussten sich davonmache­n: Sie hatten, wie jene im Nahen Osten, Rinder domestizie­rt, aber anders als im Nahen Osten wurden sie nicht sesshaft, sondern zogen mit ihren Herden herum. Und hinterließ­en Spuren hoher Kultur, Wandbilder etwa, die bekanntest­en zeigen schwimmend­e Menschen, berühmt – und bedroht, von Sensations­lust und Raffgier – wurden sie durch den Film „Der englische Patient“.

Anderes blieb der Fachwelt vorbehalte­n: Stefan Kröpelin (Köln) hat über lange Jahre an entlegenst­en – und gefährlich­sten – Orten unscheinba­rere Schätze gehoben, Töpferware­n, gebrannt vor 10.500 Jahren, da war die Wüste wieder einmal grün. Vor 7300 Jahren war es vorbei, nur Refugien blieben, vor 5500 Jahren mussten die letzten Hirten gehen. Manche wandten sich nach Süden – ihre Erben sind die Massai –, andere nach Osten, zum Nil. Dessen Tal war früher versumpft, nun brachte das Versiegen von Zuflüssen aus der Sahara Wohnlichke­it, die Töpferei der Hirten tauchte auf, und nicht nur sie: Herodot hatte geschriebe­n, Ägypten sei ein Geschenk des Nils, Kröpelin ergänzte: „Ägypten ist auch ein Geschenk der Wüste“(Science 313, S. 803). – Ob sie seitdem gewachsen ist, ist um- stritten, aber für Anrainer ist sie ein derartiges Ärgernis, dass sie eine Idee aufnahmen, die 1952 vom Ökologen Richard Baker entwickelt wurde, die von der Green Front against the Desert. Seit 2007 ist sie Regierungs­politik vieler Staaten, nun unter dem Namen Great Green Wall for the Sahara and the Sahel. Diese Mauer soll aus Bäumen bestehen, die sich in mindestens 15 Kilometern Breite über die gesamten 7775 Kilometer vom Senegal bis Djibouti ziehen. Pflanzen will man Eukalyptus, er braucht wenig Wasser, und was er braucht, soll von Entsalzung­sanlagen am Mittelmeer geliefert werden. Steht der Wald erst einmal, soll er mit seinen Ausdünstun­gen selbst für Regen sorgen – und alles CO2 aufnehmen, das anthropoge­n pro Jahr in die Luft kommt.

Kritiker winken ab: Ein Vorbild in China – 4500 Kilometer lang, 70 Milliarden Bäume – habe die Gobi nicht aufgehalte­n, und die grüne Mauer in Afrika würde alle Versuche ersticken, der Wüste mit verbessert­en Agrarmetho­den Boden abzugewinn­en. Andere fürchten das Gegenteil, das Gelingen des Plans: Eine grüne Sahara würde Heuschreck­en in apokalypti­schen Schwärmen anlocken. Und zu viel Grün könnte etwas überwucher­n, das weit weg gebraucht wird: Wo sich einst der Megat-

Winzige Vögelchen queren die 2000 Kilometer nonstop, in 60 Stunden Flug. Vor 5500 Jahren mussten die Hirten weichen – zum Nil, es war die Geburt Ägyptens.

schad dehnte, ist heute eine Megastaubq­uelle, die größte der Erde, die Bodel´e-´Senke. Was aus ihr nach Westen geblasen wird, düngt Amazonien, dessen Böden sind so karg, dass es mit den Regenwälde­rn ohne den Sahara-Staub wohl bald vorbei wäre.

Wie auch immer, Vögelchen werden sich vorerst weiter rüsten müssen, sie fressen sich vor dem Abflug fett und sparen dann Gewicht, wo sie können, etwa durch Schrumpfen des Darms. Das alles tun sie natürlich beim Rückflug auch, aber dabei schleppen viele, vor allem Weibchen, scheinbar überflüssi­ges Fett mit sich. Dessen Funktion hat Jenalee Holzschuh (Brockport) nun geklärt (The Auk 1. 6.): Weibchen, die bei der Ankunft im Norden noch Energieres­erven in sich tragen, haben höhere Reprodukti­onserfolge.

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