Die Presse am Sonntag

»Elfer sollte keiner kopieren«

Anton´ın Panenka wurde mit dem Elfmeter-Schupfer im EM-Finale 1976 zur Fußballleg­ende. Der Tscheche über Euro, Stars und Rapid – er gibt Ronaldo sogar Freistoßti­pps.

- VON WOLFGANG WIEDERSTEI­N

Sie haben sich mit Ihrem unnachahml­ichen Elfmeter im EM-Finale 1976 gegen Deutschlan­d in die Fußballges­chichte »geschupft«. Das ist 40 Jahre her, wie oft denken Sie an diese Nacht von Belgrad noch zurück? Anton´ın Panenka: Ich gar nicht, das ist lang her, ich schaue mir auch keine alten Fotos an oder lese alte Zeitungsbe­richte. Ich lebe in der Gegenwart. War die Aktion spontan, oder: Kann man so etwas eigentlich üben? Das war trainiert und geplant, keine spontane Idee. Hatten Sie keine Angst, sich zu blamieren? Ein Fehlschuss wäre doch fatal gewesen. Nein. Ich habe das zwei Jahre lang jeden Tag geübt. Elfmeter und Freistöße. Gegen unseren Tormann, mit dem ich Wetten laufen gehabt habe. Es ging dabei um ein Bier, eine Tafel Schokolade. Eines Tages haben wir damit aufgehört. Ich bekam plötzlich Probleme mit dem Gewicht . . . (lacht) War Ihnen Sepp Maier nach diesem Elfer eigentlich böse? Mir wurde erzählt, er hätte in seiner Garage eine Dartscheib­e mit meinem Bild drauf gehabt – darauf hätte er gezielt. Aber das stimmt sicher nicht. Wir haben heute ein gutes Verhältnis. Damals war das Problem, dass Journalist­en aus dem Westen geschriebe­n haben, dass mein Elfmeter eine Provokatio­n gewesen sei. Ich hätte Maier sogar lächerlich machen wollen. Das ist absolut nicht wahr. Es war die leichteste Art, das Tor zu erzielen. Das EM-Finale ist eine solch ernste Angelegenh­eit, da kann man keinen Spaß machen, das geht nicht. Wäre das schiefgega­ngen, wäre ich der größte Idiot gewesen – aber ich war mir ganz sicher, dass der Ball im Tor landen wird. Wäre es schiefgega­ngen, hätten sie mich vielleicht zu 30 Jahren Fabriksarb­eit verdonnert. Es wurde ein Heber für die Ewigkeit. Viele versuchten das zu kopieren, Ihr Kunststück aber blieb unerreicht. Sind solche Schüsse in der Gegenwart nicht mehr möglich? Aber natürlich, es ginge schon. Aber das tut sich heute keiner mehr an. Apropos antun: Der Fußball ruft, ich habe am Wochenende eine Altherrenp­artie. Ich bin zufrieden, ich bin gesund und kann noch Fußball spielen. Die EM in Frankreich hat bereits die K.-o.-Phase erreicht, wie gefällt Ihnen das Turnier bis jetzt? Ganz gut, was ich so im Fernsehen zu sehen bekomme, aber ich bin nicht hellauf begeistert. Mir fallen entschiede­n zu wenige Tore, die Mannschaft­en spielen nicht sehr offensiv. Spielerisc­h bin ich schon ein wenig enttäuscht, fürs Auge ist das nicht so schön – wie damals. Wie damals, schwingt da Melancholi­e mit, glorifizie­ren Sie die Vergangenh­eit? Das tue ich sicher nicht. Ich sage nicht: Früher war alles besser. Zu dieser Sorte gehöre ich einfach nicht. Aber Sie haben sicher einen Favoriten? Ich habe, ehrlich gesagt, noch keinen Favoriten. Ich hoffe, dass die Spiele ab dem Achtelfina­le viel besser werden. Diese Gruppenspi­ele erschienen mir ein bisschen mühsam. Ich sah da keine allzu großen Unterschie­de zwischen den Mannschaft­en, es spielten doch im Großen und Ganzen fast alle gleich: Taktisch sind alle reif, kämpferisc­h sehr stark, dazu kommt perfektes Kopfballsp­iel. Auch Deutschlan­d war bisher eigentlich nicht so wirklich überragend. Tschechien gefiel mir auch nicht so gut, da waren einige nicht so toll in Form, das hätte um einiges besser sein können – also sind Sie ausgeschie­den. Ausgeschie­den ist ein gutes Stichwort. Was sagen Sie denn zum Spiel der Österreich­er? Gegen Ungarn und Island habe ich Österreich nicht gesehen. Vom Ergebnis war ich überrascht. Ich glaubte, Österreich würde hundertpro­zentig gewinnen. Gegen Portugal habe ich die zweite Halbzeit gesehen. Ein großartige­r Tormann, Cristiano Ronaldo hatte an diesem Tag viel Pech. Für mich ist das ein absoluter Klassemann.

Anton´ın Panenka

*2. Dezember 1948 in Prag.

Mittelfeld­spieler

Panenka spielte bei Bohemians Prag, erhielt Angebote aus dem Ausland, durfte aber nicht wechseln. Nur wer 32 Jahre alt war und mindestens 45 CSSR-Länderspie­le bestritten hatte, erhielt die Freigabe.

Rapid

Er entschied sich 1981 für Rapid, bestritt 172 Pflichtspi­ele in Hütteldorf. Er wurde zweimal Meister – und führte den SCR 1985 ins Europacupf­inale der Cupsieger gegen Everton (1:3).

EM & WM

Neben dem EM-Titel 1976 spielte Panenka bei der EM 1980 und der WM 1982.

Weitere Stationen

St. Pölten, Slovan, Hohenau, Kleinwiese­ndorf. Sie hätten den Elfmeter verwandelt, oder? Das kann man so nicht sagen, das wäre ungerecht. Hätte Ronaldo Anleihe bei Ihrem Elfer nehmen sollen? Nein, Gott behüte. Ich schätze Ronaldo sehr, ich bin Fan von ihm. Meinen Elfmeter sollte aber niemand mehr kopieren. Ronaldo könnte sich lediglich vielleicht ein paar Freistöße von mir ansehen . . . Aber dieser Bursche ist so gut, der braucht gar keine guten oder schlechten Ratschläge von mir. Fahren Sie noch nach Frankreich? Der tschechisc­he Verband hatte mich schon einmal eingeladen. Es wäre das Spiel gegen Kroatien gewesen, der Ausflug hätte aber vier Tage gedauert, darum musste ich absagen, ich hatte nicht so viel Zeit. Ich hätte mir gewünscht, dass ich zum Finale fliegen kann. Österreich gegen Tschechien wäre mein Traum gewesen – das ist halt leider nicht passiert. Kommen Sie noch oft nach Österreich, aus Prag ist es ja nicht so weit. Ja, ich bin oft in Wien. Rapid hat mich in den Legendenkl­ub aufgenomme­n. Ich telefonier­e auch viel und regelmäßig mit Herbert, „Funki“, Feurer, und ich bin schon auf das neue Stadion gespannt, das soll ja bombig werden. Ich freue mich. In der Gegenwart sprechen alle im Fußball immer zuerst über Geld. Hat man als EMHeld von 1976 eigentlich ausgesorgt? Vielleicht hätte ich für jede Frage nach meinem Elfmeter von damals einen Euro verlangen sollen – dann wäre ich Millionär. So bin ich Ehrenpräsi­dent von Bohemians Prag, was auch schön ist. Ich bin für Sponsoren und Medien zuständig, das macht mir sehr großen Spaß. Und der Fußball von heute, macht Ihnen der auch Spaß? Die Teams bei dieser EM haben gute Qualität, keine Frage. Was mir fehlt, das ist das Trickreich­e.

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