Spielraum
EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS
Im österreichischen Fußballnationalteam ist bei der Europameisterschaft in Frankreich vieles schiefgelaufen. Da wartet auf die Verantwortlichen noch viel Arbeit, es gibt doch einiges aufzuarbeiten. Warum die Österreicher in ihren Gruppenspielen mitunter hilflos gewirkt haben, wurde noch nicht richtig und seriös analysiert.
Vorerst beließ man es seitens des ÖFB bei dezenten Schuldzuweisungen, auch Marcel Koller bildete keine Ausnahme. Beim Schweizer ist der natürliche Reflex durchgebrochen, die Schuld zunächst bei anderen zu suchen. Er sei als Trainer doch abhängig von der Mannschaft, die habe jedoch nicht so funktioniert, wie er sich das erhofft hat. Verantwortlich dafür zeichnet dennoch Kol- ler, der in Frankreich einiges an Lehrgeld zahlen musste.
Der Schweizer wirkt gealtert, das erste große Turnier unter seiner Führung hat deutliche Spuren hinterlassen. Koller ist sicherlich nicht frei von Schuld, dass das EMUnternehmen für Österreich bereits wieder Geschichte ist, dass die Auftritte des ÖFBTeams so bescheiden ausgefallen sind. Schon die Vorbereitung war keineswegs optimal, die Stimmung im Team mutete seltsam an. Koller sind offenbar einige Dinge entglitten, sein Team hat den idealen Pfad verlassen. Einige seiner taktischen Maßnahmen und tief greifenden Personalentscheidungen, vor allem in der ersten Hälfte gegen Island, verwunderten dann auch viele Ex- perten. Mit Schuldzuweisungen kommt man jedoch nicht weiter, Koller wäre also gut beraten, (zumindest einen Teil der) Misserfolge auch auf seine Kappe nehmen. Er hat bei dieser EM gehörig an Souveränität eingebüßt, selbst er ist nicht unfehlbar. Dennoch, es besteht kein Grund, diesen Teamchef infrage zu stellen. Auch aus finanzieller Sicht: Er hat seinen Vertrag mit dem ÖFB bereits vor der EM verlängert. Präsident Leo Windtner hat ihm somit den Rücken gestärkt.
Nicht nur Österreich hat eine wertvolle Erfahrung in Frankreich gemacht, auch der Trainer. Er wird ebenfalls davon profitieren. Es besteht somit die Hoffnung, in den nächsten Jahren den besten Koller, den es je gab, in Österreich zu erleben.
Wann Rot-Weiß-Rot allerdings wieder bei einer Großveranstaltung vertreten sein wird, wird sich erst weisen. Fest steht, dass Österreich mit Koller in die Qualifikation für die WM 2018 in Russland startet. Und dann ist jeder erneut gefordert – Spieler wie Trainer. Koller, der die Verhaberung im österreichischen Fußball beendet hat, hat schon einmal bewiesen, dass er ein Team erfolgreich durch eine Qualifikation führen kann. Damit sind allerdings die Erwartungen an ihn wieder sehr hoch, es kommt wie das Amen im Gebet. Es ist jedoch zu befürchten, dass nicht alle aus dieser Europameisterschaft etwas gelernt haben.