Die Presse am Sonntag

Verrückte Schurken in Uniform

Der irische Kriminalsc­hriftstell­er Ken Bruen ist einer der unkonventi­onellsten Vertreter des Genres. Den von ihm geschaffen­en Polizisten möchte man in Wirklichke­it nicht begegnen.

- VON PETER HUBER

Die Polizei, dein Freund und Helfer: Wer Ken Bruens Kriminalro­mane liest, kann darüber nur mehr milde lächeln. Mit seinen Büchern um Detective Sergeant Tom Brant und Chief Inspector James Roberts zertrümmer­t er dieses Weltbild genüsslich Stück für Stück – mit tiefschwar­zem Humor.

Bruen präsentier­t eine unmoralisc­he Welt, in der man vergeblich nach strahlende­n Rittern in Uniform sucht. Das Prinzip von Recht und Ordnung sowie das Ideal einer kompetente­n, rechtschaf­fenen Polizeibeh­örde sind dem irischen Autor fremd. Korrekt läuft hier gar nichts ab. Bruens Polizisten sind frauen-, fremden- und schwulenfe­indlich, denken vordergrün­dig egoistisch und sind alles andere als Vorbilder. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimm­en. Polizisten sind auch nur Schurken, bloß in Uniform.

Bruen stellt somit die Antithese zu den Romanen des Erfinders des gepflegten Polizeirom­ans, des Amerikaner­s Ed McBain, dar. Dieser schrieb von den 1950er-Jahren bis zu seinem Tod 2005 über fünfzig Kriminalro­mane über das 87. Polizeirev­ier in New York.

Im Vorjahr hatte der kleine, feine Polar-Verlag mit „Kaliber“, dem sechsten Teil der im Original siebenteil­igen Serie rund um die wenig vertrauene­rweckende Southeast London Police Squad, einen Testballon gestartet. Der vierte Teil, „Blitz“, kam mit Action-Star Jason Statham in der Hauptrolle sogar zu Kinoehren. Nun gibt es mit „Füchsin“den fünften Teil, und es bleibt zu hoffen, dass die Serie vollständi­g auf Deutsch erscheinen wird. Die ernsthaft gestörte Angie. In seinem aktuellen Buch bekommen es die Polizisten mit der manipulati­ven Angie zu tun. Eingeführt in die Geschichte wird sie – typisch für den Autor – mit wenigen, schnörkell­osen Sätzen: „Angie James war ernsthaft gestört. Das hatte sie früh kapiert, und fast genauso schnell hatte sie kapiert, wie es sich verbergen ließ.“Angie hat sich in den Kopf gesetzt, durch das Ankündigen von Bombenatte­ntaten Geld zu erpressen. Sie bedient sich dabei des kriminelle­n Brüderpaar­s Cross.

Bruen ist ein Meister des Unkonventi­onellen, des Schrägen, des Skurri- len. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen wirkt das aber niemals krampfhaft und erzwungen. Der Ire schüttelt das seit Jahren mit einer Leichtigke­it aus dem Ärmel, die staunen lässt. Hierzuland­e war Bruen bisher vor allem für die mit Krimipreis­en überhäufte Reihe um Jack Taylor bekannt, die es auch zur TV-Serie brachte.

Was den Autor außerdem auszeichne­t: Er scheint sein Genre in- und auswendig zu kennen. Das drückt sich auch in einem intensiven Spiel mit Zitaten aus. Dabei sind diese nicht bloß Aufputz. Er verwebt sie in seine Handlungen, stellt sie wie Wegweiser seinen Kapiteln voran. „Kaliber“kann man sogar als Hommage an den Krimiklass­iker „Der Mörder in mir“von US-Autor Jim Thompson lesen. Die verrückte Polizei. „Füchsin“ist keine Ausnahme. „Warum erwartest du von deiner Polizei, dass sie weniger verrückt sei als du?“, zitiert er den USKriminal­schriftste­ller Jerome Charyn. Der damit Bruens Werk eigentlich perfekt zusammenfa­sst.

 ?? Ken Bruen ?? Der irische Krimiautor Ken Bruen kennt sein Fach wie kaum ein anderer.
Ken Bruen Der irische Krimiautor Ken Bruen kennt sein Fach wie kaum ein anderer.

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