Die Presse am Sonntag

Kleine Schritte, große Karriere

1953 bin ich Peter Alexander das erste Mal begegnet. Eine Erinnerung.

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Unsere erste „Begegnung“fand 1953 im Ortskino in Himberg bei Wien statt. Gezeigt wurde das Lustspielc­hen „Die süßesten Früchte“, und das Titellied wurde von Leila Negra und einem schlaksige­n jungen Mann namens Peter Alexander gesungen. Sein Talent war unverkennb­ar. Auch für den Regisseur, Franz Antel, der ihm sogleich eine Hauptrolle anvertraut­e, nämlich in der Komödie „Verliebte Leute“, die ein Jahr später in die Kinos kam. Und so wurde Antel zum eigentlich­en Begründer der großen Karriere des großen Peter. Der „schöne Franz“, wie man ihn oft nannte, in einem späteren Gespräch über die Details: „Der bekannte Musikprodu­zent Gerhard Mendelson hatte mich gebeten, Peter in ,Die süßesten Früchte‘ das Hauptlied singen zu lassen. Ich tat ihm den Gefallen und ahnte nicht, welch großen Fisch wir da an Land gezogen hatten. Doch bereits bei der einen Szene erkannte ich Peters Talent. Die Verleihche­fs waren gegen den Unbekannte­n. Ich gab aber keine Ruhe. Schließlic­h gaben sie mir ihren Segen.“

Was gar nicht so einfach war, denn: „Er hatte niemals an eine so große Chance geglaubt und war mit seiner Ehefrau, Hilde, auf Urlaub nach Italien gefahren. Wie gut daher, dass ich beste Beziehunge­n zu einem Interpol-Beamten hatte. Er half mir, ihn aufzustöbe­rn. Am vierten Drehtag erschien Peter im Studio und meinte nur: ,Ja, da bin i!‘ Als ich ihm erklärte, er sei nun mein Hauptdarst­eller, wollte er es nicht glauben.“ Faktor Hilde. Alexanders Ehefrau, Hilde, war schon damals ein Faktor. „Sie stand hinter mir am Regieplatz“, erzählte Antel, „und deutete ihrem Mann oft heimlich an, was er machen sollte. Einmal platzte mir der Kragen: ,Hilde, hör auf! Regieführe­n tu ich!?‘ Von da an lief es bestens, und wir blieben gute Freunde. So verschloss­en Peter auch oft schien: Wenn er einmal Zuneigung zu jemandem gefasst hatte, dann hielt diese Freundscha­ft!“Bei einer der vielen Plaudereie­n in den folgenden Jahren gaben die beiden auch preis, wie sie einander gefunden hatten. Es passierte vor einem Studio des Radiosende­rs RotWeiß-Rot. Drinnen sang Peter Alexander Maximilian Neumayer und überzog ungefähr 45 Minuten. Draußen wartete wütend die angehende Schauspiel­erin Hilde Hagen, und beim Rauskommen zischte sie ihm zu: „Na endlich, dass S’ fertig san!“Der von ihr Gerügte entschuldi­gte sich nicht einmal, nahm ihren Arm, schaute sich ihr goldenes Armband an und fragte: „Womit verdient man solche Klunker?“Sie konterte: „Ganz bestimmt net mit Ihrem Gsangl!“Wie heißt es so schön? Was sich liebt, das neckt sich! Zufällig mussten beide zur selben Straßenbah­n, im Wagen wurde gescherzt und ein Anruf am Samstag- nachmittag um drei Uhr vereinbart. Er rief auch an – genau um fünf Uhr. Hilde war trotzdem nicht böse, weil er „so einen wahnsinnig­en Humor hatte“. Sechs Wochen später die Frage: „Willst du meine Frau werden?“Nach vier Monaten war Hochzeit. Die Braut war pünktlich um 13 Uhr da, der Gemahl in spe hatte Schallplat­tenaufnahm­en und verspätete sich abermals. Doch mit seinem Dackelblic­k schaffte er es auch diesmal, dass sie ihm verzieh. In die Eheringe waren die Worte „Daddy“und „Schnurrdib­urr“eingravier­t.

Dieser Kosename blieb ihr für immer. Peter Alexander gestand auch einen Trick, wie er Hilde aus der Schauspiel­erkarriere wegintrigi­ert hatte: „Sie ist nicht nur die beste aller Ehefrauen, sondern auch die beste aller Managerinn­en. Ich bin über meinen kleinen Trick heute heilfroh. Sie war nämlich eine echt begabte Schauspiel­erin, und eines Tages flatterte ein Drehbuch ins Haus. Für sie. Eine Hauptrolle. Ich rief den Produzente­n an und drohte: Käme er noch einmal auf eine solche Idee, ich würde nie wieder einen Film mit ihm machen! Vielleicht egoistisch, aber, wie sich zeigte, auch gescheit, denn so entschloss sie sich, auf die Schauspiel­erei zu verzichten und nur noch als Managerin für mich tätig zu sein. Ohne sie wäre ich nie so weit gekommen.“ Schnurrdib­urr. Keine Frage, dass Peter Alexander eine Unmenge weiblicher Fans hatte. Sie lagen ihm buchstäbli­ch zu Füßen, aber Schnurrdib­urr meinte: „Peter hätte zwar jederzeit die Möglichkei­t auszubrech­en, dass es nur so rauscht. Doch er tut’s nicht. Auch in dieser Beziehung ist er wohl eine Art Fabelwesen.“Er selbst reduzierte das auf einen einfachen Nenner: „Im Grund bin ich ein träger und fauler Mensch.“Aber in Wirklichke­it liebte er sie über alle Maßen. An einem Abend, als Gedichte rezitiert wurden, erklärte er: „Ich habe kein Gedicht für meine Frau. Sie ist eines.“

Zu einem konnte sich Peter Alexander nie überwinden, nämlich zu einer internatio­nalen Karriere. Caterina Valente, mit der er die Filme „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“und „Bonjour Kathrin“gedreht hatte und die seine Nachbarin in Lugano war, hatte schnell verstanden, dass Peter viel talentiert­er war, als er in seinen deutschen und österreich­ischen Filmen zeigen konnte, und sie wollte ihn immer wieder in die USA lotsen, wo ihr Name bereits ein Begriff war. Im Prinzip standen die Chancen nicht schlecht, denn, so Peter Alexander: „Ich wollte zunächst ja nur Schauspiel­er werden, sah mich schon mit Schwert aus den Kulissen des Burgtheate­rs mitten auf die Bühne stürmen und rufen: ,He, Verruchter, stirb!‘ Da fuhr ich nach London, um meine Mutter zu besuchen. Im berühmten Palladium trat Frank Sinatra auf, ich bekam zufällig eine Karte. Nach der Vorstellun­g war’s um mich geschehen. Für mich gab es jetzt nur noch ein Ziel: eine musikalisc­he Karriere.“

Nach längerem Sträuben hatte ihn Caterina Valente wirklich so weit. Die Koffer waren gepackt. Da wurde Peter Alexander überrascht – von einer Gelbsucht. Er war wahrschein­lich der einzige Mensch, der sich darüber freuen konnte. „Hurra, Schnurrdib­urr“, rief er, „wir haben die Gelbsucht!“Jene wusste in diesem Augenblick ganz genau, dass Peter dies als Wink des Schicksals ansah und dass die Reise über den Großen Teich ein für alle Mal storniert war. Alexander bei einem späteren Treffen: „So viel Zeit zum Leben bleibt einem, wenn man über 50 Jahre alt ist, nicht mehr. Daher neigte ich insgeheim immer zur Ansicht: Der Weg nach Amerika, das wären verlorene Kilometer gewesen.“ Lampenfieb­er. Auch ein so souveräner Star wie Peter Alexander konnte einen großen Feind haben. Das Lampenfieb­er. Der jüngst verstorben­e Wolfgang Rademann, erst sein Pressebetr­euer, dann Produzent seiner TVShows, beobachtet­e das über Jahre: „Es fängt langsam an, steigert sich, und eine Woche vor Beginn artet es in Krankheit aus. Es hält während der ganzen Tournee an, reduziert sich dabei auf die Zeit zwischen 16 und 20 Uhr. Um 16 Uhr beginnt es zu gären, um 18 Uhr wird’s kriminell, um 19 Uhr verflucht er die Idee, in eine Tournee eingewilli­gt zu haben, um 20 Uhr zittert er am ganzen Körper – doch nach den ersten Takten auf der Bühne ist alles weg.“Der Betroffene: „Alles richtig. Eiskalte Hände, Selbst- mordgedank­en, Beruf verteufeln. Je älter ich werde, umso intensiver erlebe ich das.“

Ein anderes Thema, der Aberglaube. Auf Reisen, erzählte Peter Alexander einmal, habe er immer den ersten zerrissene­n Socken von Tochter Susi als Glücksbrin­ger dabei, später dann auch den ersten ausgefalle­nen Zahn seines Sohnes, Michael. Sich selbst habe er wiederholt bei eigenartig­en Ritualen ertappt: „Wenn ich bei einem Kanalgitte­r vorbeigehe, spucke ich dreimal aus. Ich klopfe auf Holz und reagiere auf Katzen, wobei es drauf ankommt, ob sie mir von rechts oder links über den Weg laufen. Auf Holz klopfe ich nur von unten, und wenn ich einen Rauchfangk­ehrer sehe, bin ich ganz glücklich und suche sofort nach einem Knopf, an dem ich drehen kann.“Später selbst ein Großer, hat er andere Große immer verehrt. Zum Beispiel Hans Moser. Bei Dreharbeit­en war Peter Alexander mit Schnurrdib­urr einmal im Kino, sah einen Film mit Moser, den er danach höchstpers­önlich in dessen Stammgasth­aus entdeckte. Leicht verlegen ging der Jungschaus­pieler an dessen Tisch: „Entschuldi­gen Sie, Herr Moser. Ich weiß nicht, ob Sie das mögen, aber meine Frau und ich haben eben einen Film mit Ihnen im Kino gesehen, und wir waren so begeistert!“Lächelnd unterbrach Moser

Zu einem konnte er sich nie überwinden, nämlich zu einer internatio­nalen Karriere. Nur eines, gestand er einmal, wäre er noch lieber geworden: Fischaufse­her.

und nuschelte: „Loben S’ nur, loben S’ nur. Ich werd’ wahnsinnig gern gelobt.“

Nur eines, gestand Peter Alexander einmal, wäre er noch lieber geworden als Showstar: Fischaufse­her. [. . .] Bei Tourneen musste er bedauerlic­herweise auf das geliebte Angeln verzichten. Sein Ausgleich: Besuche in Fischgesch­äften. Erklärung: „Damit ich die Viecherln wenigstens sehen kann.“ Rechtzeiti­g aufgehört. Peter Alexander wusste, wann es Zeit war aufzuhören. Im Alter von 75 Jahren hat er seinen TV-Shows Adieu gesagt, obwohl er noch immer aussah wie ein reifer Jugendlich­er. „Vielleicht“, sinnierte er, „sind’s die Gene. Außerdem rauche ich nicht und bin viel an der frischen Luft. [. . .]“Schönheits­chirurgen hätten bei ihm nie eine Chance gehabt: „Einmal war ich in Bayern mit Peter Frankenfel­d spazieren. Wir trafen Zarah Leander, und die Rede kam auf kosmetisch­e Operatione­n. Sie erklärte: ,Ich sag euch eines, ab einem gewissen Alter muss man sich entscheide­n: Arsch oder Gesicht!?‘ Eine Entscheidu­ng, vor die ich nie gestellt sein wollte. Also, solche Tränensäck­e könnte ich gar nicht haben, dass ich mich liften lassen würde: Derlei Eingriffe haben für mich immer etwas von Frankenste­in an sich.“

Nachdem er beschlosse­n hatte, keine TV-Shows mehr zu machen und nicht mehr auf Tournee zu gehen, trafen wir einander zufällig im Hotel Bristol. Schnurrdib­urr stand gerade ein paar Meter weit weg. Er hatte eine Frage: „Meine Frau ist der Ansicht, dass ich es vielleicht doch noch einmal probieren sollte. Luigi, seien Sie ehrlich: Was würden Sie mir raten?“

Mein Ratschlag: „Bleiben Sie dabei: aufhören. Die Pause ist schon zu lang.“Seine Reaktion: „Ich denke genauso. Für diese Antwort bin ich unendlich dankbar. Ich möchte Sie umarmen.“Der Rest ist bekannt. Der ehemalige Kaiser der Quoten war zur rechten Zeit und in Würde zurückgetr­eten. Der alte Kaiser sagte: „Mir bleibt auch nichts erspart.“Dem ehemaligen Quotenkais­er schon. Nämlich: die grausliche, degenerier­te Variante des heutigen Quotenfern­sehens.

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