Die Presse am Sonntag

Zeitenwend­e am Panama-Kanal

Am heutigen SonntŻg wir© ©er erweiterte KŻnŻl eröffnet. Mehr Żls ©oppelt so viel FrŻcht können ©ie Schiffe nun trŻnsporti­eren. Kritiker zweifeln Żãer Żn ©er HŻltãŻrkei­t ©es Betons.

- VON ANDREAS FINK

Einer ist schon durch. Vor drei Tagen, als alle Welt nach London blickte, vollzog sich, beinahe unbemerkt, eine Zeitenwend­e. Der erste Riesenfrac­hter kreuzte voll beladen den Kanal, der seit knapp 102 Jahren Amerika durchtrenn­t. In zehn Stunden schipperte die Cosco Houston 7000 Container von der Karibik in den Pazifik. Es war – nach mehr als 30 Probeläufe­n – die erste kommerziel­le Fahrt von Gatu´n im karibische­n Norden und Cocol´ı im pazifische­n Süden. Und: Es gab keine Probleme. Die neuen Hebeanlage­n funktionie­rten, die Schlepper bugsierten den Riesen durch die zwei kritischen Schleusena­nlagen. Nun kann die Eröffnung kommen.

Am heutigen Sonntag, zwischen sechs und sieben Uhr morgens, soll die offizielle Einweihung beginnen. Dann wird ein Frachter derselben chinesisch­en Großreeder­ei zwischen Piräus und Shanghai die karibische­n Schleusen ansteuern. Andronikos, zu Deutsch Sieger, hieß das 300 Meter lange und 48 Meter breite Ungetüm bis vor Kurzem. Doch weil es im April die feierliche Auslosung für die erste offizielle Passage gewinnen konnte, taufte die Reederei den Kahn in Cosco Shipping Panama um.

Panamas Präsident, Juan Carlos Varela, der Boss der Kanalbehör­de, Jorge Quijano, Regierungs­chefs aus der Region, aber auch Spaniens vitaler ExKönig, Juan Carlos, werden zusehen können, wie 9400 Container auf dem Schiff den amerikanis­chen Kontinent queren, das ist mehr als doppelt so viel wie die bisherige Maximallad­ung von 4500 Containern. Aber auch der Sieger hat noch nicht die maximale Größe. Für Schiffe mit bis zu 14.000 Stahlkiste­n, 13-fach gestapelt, ist der neue Kanal ausgeschau­felt worden.

Diese Reparatur war ein nationaler Kraftakt für das Vier-Millionen-Land auf der gewundenen Wirbelsäul­e Amerikas. Den ersten Kanal hatten ja noch die Amerikaner gebaut, finanziert und – nach der ersten Passage am 15. August 1914 – gleich auch noch besetzt. Erst seit dem Neujahrsta­g 2000 kontrollie­rt der Staat Panama die – nach dem Suez-Kanal – zweitwicht­igste Schifffahr­tsstraße der Welt.

Als die Amerikaner die Kontrolle abgaben, war bereits klar, dass die Schleusen, die ihre Ingenieure gebaut hatten, zu schmal waren für die Warenström­e der Globalisie­rung. 2006 beschloss Panamas Volk per Referendum den Ausbau, der nun, zehn Jahre und 110 Millionen Arbeitsstu­nden später, endlich fertig ist. 292.000 Tonnen Stahl und 1,6 Millionen Tonnen Zement wurden zu fünf Millionen Kubikmeter­n Beton. Das spanisch-italienisc­h-belgisch-panamaisch­e Konsortium, das die Ausschreib­ung mit einem erstaunlic­h niedrigen Angebot von 3,1 Milliarden Dollar gewann, benötigte letztlich mehr als das Doppelte. 5,2 Milliarden Dollar hat Panama bereits gezahlt, um mehr als eine Milliarde Dollar wird noch vor Gericht gestritten. Tödliche Falle. Eigentlich sollte die Erweiterun­g bis zum 100-Jahr-Jubiläum abgeschlos­sen sein, aber Streiks und massive Materialpr­obleme verschlepp­ten die Realisieru­ng. So spritzte 2014 Wasser aus den Betonwände­n der neuen Schleusen. Die Öffentlich­keit erfuhr davon, als Bauarbeite­r Videos in die sozialen Netze stellten. Die Kanalbehör­de, die diese Probleme lieber kleingehal­ten hätte, musste schließlic­h die Arbeiten unterbrech­en lassen und massiv nachbesser­n. Nun, kurz vor der Eröffnung, wurden in einer umfassende­n Recherche der „News York Times“erhebliche Zweifel an der Haltbarkei­t des Betons geäußert, was Panamas Regierung und Kanalbehör­de ACP vehement zurückweis­en. „Der Beton ist von exzellente­r Qualität“, sagt die ACP-Chefingeni­eurin Ilya Marotta. „Es gibt kein Problem.“

Das hoffen auch die Kapitäne der Schlepperb­oote. Eine Studie der internatio­nalen Transporta­rbeitergew­erkschaft warnte 2015, dass die engen Schleusen zu tödlichen Fallen für die Bootsleute werden könnten, falls Stürme die schwer beladenen Schiffe erfassen und anschieben. Und das ganze Land hofft, dass jene US-Geologen nicht recht behalten, die Panama als ebenso erdbebenge­fährdet ansehen wie San Francisco. Eine solche Expertise – heimgekabe­lt von der US-Botschaft – von 2008 wurde via WikiLeaks publik.

Panama, obwohl längst zum Finanz-, Reederei- und Verkehrsze­ntrum geworden, braucht den Kanal für seine Finanzen. In den vergangene­n zwei Jahren warf die Rinne weniger ab, was an den Bauarbeite­n ebenso lag wie am niedrigen Wasserstan­d. Das Klimaphäno­men El Nin˜o goss heuer 36 Prozent weniger Regen über dem Land aus. Weil der Panama-Kanal – anders als die Suez-Verbindung – von ständiger Frischwass­erzufuhr für den künstliche­n Gatu´n-Stausee abhängt, musste

Schiffe mit ãis zu 14.000 StŻhlkiste­n, 13-fŻch gestŻpelt, können nun ©urch ©en KŻnŻl. PŻnŻmŻ ãrŻucht ©en KŻnŻl. In ©en vergŻngene­n JŻhren gingen ©ie EinnŻhmen zurück.

die Kanalbehör­de die Reedereien bitten, weniger Container zu befördern. Das senkte die Profite, denn bezahlt wird nach Ladung.

Genau darum sollen die Einnahmen nun wieder wachsen. Die eine Milliarde Dollar von 2015 entsprach etwa 2,2 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s, zwischen 2017 und 2019 sollen 2,5 Prozent des BIPs erreicht werden, bis 2025 jedoch möchte die Regierung drei Milliarden Dollar im Jahr einnehmen. Der ehrgeizige Plan hat jedoch einen kleinen – oder tatsächlic­h riesigen – Haken: Die Containers­chiffe werden immer noch größer. Die neuesten Modelle schlucken 20000 Container. Und sind zu breit für den neuen Kanal von Panama.

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