Die resolute Rote rückt ganz an die Spitze
Karrieresprung auch ohne Faymann: Doris Bures wird vorübergehend das Bundespräsidentenamt übernehmen – an der Spitze des Kollegiums der Nationalratspräsidenten. Nach jüngsten persönlichen Dämpfern wartet auf die SPÖ-Politikerin noch manche Herausforderung
Ambitionen, als Kandidatin der SPÖ für das Bundespräsidentenamt zu kandidieren, hat Doris Bures nach ihrer Wahl zur Nationalratspräsidentin Anfang September 2014 beständig bestritten. Die SPÖ entschied sich dann für Ex-Sozialminister Rudolf Hundstorfer und (er) bekam dafür am 24. April von den Österreichern die Rechnung präsentiert. Gut zwei Monate später wird Doris Bures ab 8. Juli zumindest für einige Monate die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten per Gesetz übernehmen. Vom protokollarisch zweiten Amt im Staat wird sie zur Nachfolgerin Heinz Fischers. Vorübergehend. Im Kollegium mit dem Zweiten Nationalratspräsidenten, Karlheinz Kopf (ÖVP), und dem Dritten Präsidenten, Norbert Hofer (FPÖ).
Es ist eine besondere Fügung des politischen Schicksals. Ausgerechnet nach dem Rückzug von Werner Faymann als Bundeskanzler und SPÖChef wird seine engste und verlässlichste Vertraute aus Juso-Zeiten und aus dem Heimatbezirk Wien Liesing erste Frau im Staat. Für den – theoretischen – Fall, dass nur zwei der drei Nationalratspräsidenten unmittelbar verfügbar sind, würde die Stimme des höherrangigen Präsidenten entscheiden. Letztlich also jene von Bures. Rache der Delegierten. Ihr Förderer Faymann hatte sich Mitte Mai nach fast acht Jahren im Kanzleramt in die politische Pension verabschiedet. Seine einstige Mitstreiterin bei den Jusos und spätere Nachfolgerin in der Mietervereinigung traf dieser Rücktritt schwer. Für die 53-Jährige kam noch beißender Spott hinzu, weil ausgerechnet der von den ÖBB geholte Christian Kern im Eilzugstempo die Nachfolge als Regierungs- und SPÖ-Chef antrat. Schließlich war es die Faymann-loyale Nationalratspräsidentin, die Kern in einem ORF-Radiointerview attestiert hatte, dass Politik „nicht seine Stärke“sei.
Ein bisschen ließen es sie die Delegierten beim SPÖ-Bundesparteitag am Samstag der Vorwoche spüren, dass sich die Gewichte in der Kanzlerpartei verschoben haben. 89,4 Prozent waren für Bures nicht eben ein berauschendes Ergebnis bei der Wahl in den Bundesparteivorstand, für das SPÖ-Präsidium waren es nur 84,9 Prozent.
Gerade weil sie als Faymann-Vertraute galt, war Bures besonders bemüht, als überparteiliche Nationalratschefin und nicht als Handlangerin des roten Bundeskanzlers oder der SPÖ aufzufallen. Der ehemalige Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler hatte genau das schon vor ihrer Kür prophezeit: „Sie wird verdammt aufpassen, dass sie nicht den leisesten Verdacht der Parteilichkeit aufkommen lässt.“
In einer vom OGM-Institut im Auftrag der Austria Presse Agentur regelmäßig durchgeführten Umfrage hat die Nationalratspräsidentin, was das Vertrauen der Bevölkerung betrifft, noch einigen Aufholbedarf. Ende Mai dieses Jahres rangierte sie in diesem Vertrauensindex mit drei Punkten leicht im Minus. Allerdings lag ihr jetziger MitEinspringer als Staatsoberhaupt, der Zweite Nationalratspräsident Kopf, mit minus sechs hinter ihr. Norbert Hofer war damals wegen des Bundespräsidentschaftswahlkampfs nicht in die Erhebung aufgenommen worden.
Umso mehr fällt auf, wenn sich Bures eindeutig zugunsten der SPÖ in die politische Debatte einmischt. So geschehen wenige Tage vor der offiziellen Bestellung Kerns zum neuen SPÖ-Vorsitzenden am 25. Juni. Da echauffierte sie sich über eine „künstliche Aufgeregtheit“und richtete dem Koalitionspartner ÖVP via Austria Presse Agentur aus, man solle nicht „Energie verschwenden“, um „Drohungen auszusprechen“. Anlass für die ausdrückliche Zurechtweisung war, dass sich Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling unmissverständlich gegen Kerns Pläne für eine Maschinensteuer und eine Arbeitszeitverkürzung ausgesprochen hatten. In SPÖ-Kreisen war dieser Akt als Liebedienerei von Bures gegenüber dem neuen roten Parteichef erachtet worden.
Ausdauer und Durchsetzungsfähigkeit von Bures sind groß. Das musste sie schon von Kindheit an beweisen. In kleinen Verhältnissen ist sie 1962 in Wien aufgewachsen. Der Vater hat die Familie verlassen, die Mutter brachte ihre Kinder durch, wobei auch Doris Bures anpacken musste. Dass sie in jungen Jahren Zahnarzthelferin war, hielten ihr manche noch während der Ministerjahre despektierlich vor.
Ebenso, dass sie als SPÖ-Bundesgeschäftsführerin ein strenges Regiment führte. Umgekehrt war sich die resolute Rote nicht zu schade, 2008 für Faymann als damalige Ministerin für Frauen und den öffentlichen Dienst aus der Bundesregierung auszuscheiden und in die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße zurückzukehren, um für ihren engen Liesinger Parteifreund den Nationalratswahlkampf zu bestreiten. Als Lohn winkte danach das Infrastrukturministerium. Stellvertretend für den in der Partei immer ungeliebteren Faymann steckte sie Watschen ein. Wie heuer, als sie mit einem Faymann-genehmen Antrag zur Flüchtlingspolitik an den Wiener SPÖ-Parteitag abblitzte.
In ihrer Funktion als Nationalratspräsidentin war sie mit einer anderen, neuen Herausforderung konfrontiert. Seit der Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse hat sie eine Schlüsselrolle inne. Neben ihrer repräsentativen Funktion als Präsidentin war sie mehr als ein Jahr lang Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zu dem für die Steuerzahler milliardenteuren Desaster um die Hypo Alpe Adria. Die Untersuchung geht nach dem Ende der Zeugenbefragungen nun in die Zielgerade. Bures war als Vorsitzende immens fleißig, überließ bei kaum einer Sitzung den Vorsitz einem ihrer beiden Vertreter im Präsidium. Sie war zudem erneut sichtlich bemüht, nicht den Eindruck von Parteilichkeit zu erwecken.
Im Konflikt mit der ÖVP stärkte Doris Bures zuletzt SPÖ-Chef Kern den Rücken. Sie musste stellvertretend für Faymann auch Watschen von Genossen einstecken.
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