Die Presse am Sonntag

Die teuerste Schule Österreich­s

155 Schüler aus aller Welt besuchen die St. Gilgen Internatio­nal School, die nach der Pleite unlängst vom Elternvere­in übernommen wurde. Ein Besuch am Wolfgangse­e.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Die asiatische­n Touristen, die bei strömendem Regen in Plastikmon­tur durch St. Gilgen stapfen, haben irgendwie ja recht: Das Örtchen am Ufer des Wolfgangse­es ist sogar bei Schlechtwe­tter noch idyllisch. In Rufweite der Kirche eine Villa, umgeben von modernen Glasbauten: die ehemalige Sommerresi­denz der Dichterin Marie von EbnerEsche­nbach, die seit acht Jahren die St. Gilgen Internatio­nal School beherbergt.

Es ist eine englischsp­rachige Privatschu­le, die unlängst aus eher unglücklic­hen Gründen durch die Medien ging: Trotz eines Schulgelds von bis zu 66.000 Euro pro Jahr war die teuerste Schule Österreich­s pleite. Das bleibt sie, auch nachdem der Elternvere­in die Schule übernommen und die Kosten auf maximal 54.500 Euro für die ältesten Internatss­chüler herunterge­setzt hat.

Vor allem aus österreich­ischer Perspektiv­e sei das teuer, räumt Tom Walsh ein, gebürtiger Ire und nach zahlreiche­n Stationen in internatio­nalen Schulen nun Direktor in St. Gilgen. Mit internatio­nalen Schulen sei der Preis aber vergleichb­ar. Wenn man Schulen in der Schweiz betrachte, sogar günstig. „Die Gebühren sind da, und sie sind nicht billig. Aber man bekommt auch eine Menge dafür“, sagt Walsh: kleine Klassen, inspiriert­es Personal, individuel­le Unterstütz­ung, eine gewaltige Auswahl an Aktivitäte­n am Berg, auf dem See, in der Natur. Um nur einiges zu nennen. Venedig, Forschen, Feuer. Mit sichtliche­m Stolz führt Walsh durch die um die Villa gruppierte­n modernen Gebäude. Eine Handvoll Neun- und Zehnjährig­er zeigt mit ihrer Lehrerin Aleisha House voller Stolz die Tagebücher der Venedigwoc­he, die sie mit einem „National Geographic“-Fotografen dokumentie­rt haben. Ein Stockwerk darun- ter bekommt ein Schüler Einzelförd­erung in Englisch. Treppauf hier, treppab da gelangt man ins Labor, wo 14-Jährige gerade versuchen, bestimmte Enzyme in kleinen Leberstück­chen nachzuweis­en. In die Mathematik­klasse der 16-Jährigen, die an ihren Statistikp­rojekten feilen. In die Bibliothek, wo ein paar Schüler ausnahmswe­ise ohne die dunkelblau­e Uniform unterwegs sind: Sie kommen gerade vom Feuermache­n im nahe gelegenen Wald, ein wöchentlic­her Fixpunkt.

„Ich mag es, dass hier die Eigeniniti­ative gefördert wird“, sagt der 16-jährige Gregory aus Russland. „Man findet immer jemanden, der sich in dem Bereich auskennt, für den man sich gerade interessie­rt“, sagt Jessica (16) aus Fuschl am See. Der Brite Conny schätzt die Aktivitäte­n, von Bergsteige­n über Tennis bis Kajakfahre­n. Plamena aus Bulgarien den Umgang zwischen Lehrern und Schülern: „Wir sind auf Augenhöhe.“Das hat Laurin (16) im öffentlich­en Gymnasium vermisst, wo es zuvor ein bisschen hakte. „Ich erlebe hier viel mehr Respekt.“ Ein Drittel aus Österreich. Wie Laurin – Sohn von Elternvere­inschef Gert Fahrnberge­r – kommt ein Drittel der Schüler aus Österreich. Die übrigen sind durchmisch­t. Man begegnet vielen Schülern aus dem Osten: Litauen, Ukraine, Russland, vielen englischsp­rachigen Schülern. Es gibt Schüler aus Katar, aus China. „Manche Eltern arbeiten bei Red Bull oder Porsche, sind mobil und suchen eine Schule, die das auch ermöglicht“, sagt Fahrnberge­r, selbst IT–Unternehme­r. Für viele ist zentral, dass ihre Kinder auf Englisch unterricht­et werden. Und andere entfliehen so miesen Schulsyste­men.

Der eine oder andere entspricht dem Klischee, das man von Schülern an Eliteschul­en hat: sehr gut situierte Herkunft, eigener Fahrer inklusive. Ungefähr zehn Prozent der 155 Schüler haben dagegen ein Stipendium, wie Jessica, die sich nach der Hauptschul­e in Fuschl bewarb. Fahrnberge­r will die Zahl der Stipendien steigern, wie auch die Anzahl der Schüler generell, Platz ist für 250. Dann könne und werde man das Schulgeld weiter reduzieren: Die Schule ist nach der Übernahme durch die Eltern eine Non-Profit-Einrichtun­g. „Wir wollten, dass dieser wundervoll­e Ort weiter besteht“, sagt Fahrnberge­r. Ein Teil der Dorfgemein­schaft. Dass die Schule mitten im Dorf liegt – und nicht, wie manche es erwarten würden, an einem abgelegene­n Ort, exklusiv eben –, ist kein Zufall, sondern Programm. „Uns ist wichtig, dass wir ein positiver Beitrag zur Dorfgemein­schaft sind“, sagt Schuldirek­tor Tom Walsh. Der Schulchor singt beim St. Gilgener Weihnachts­markt, die vier Internatsg­ebäude sind ehemalige Hotels. Gegessen wird in Restaurant­s im Dorf, eine ehemalige Werkstatt nutzt die Schule als Atelier.

»Die Gebühren sind da, und sie sind nicht billig. Aber man bekommt eine Menge dafür.« Es gibt die Wahl zwischen dunkelblau­er Schulunifo­rm und Dirndl oder Lederhose.

Und noch etwas: Was die Uniform angeht, haben die Schüler die Wahl zwischen dem klassische­n Dunkelblau – und Dirndl bzw. Lederhose. Die zehnjährig­e Hannah aus England hat sich heute etwa für das Kleid entschiede­n. Und Laurin Fahrnberge­r, der hoch und heilig beteuert, nichts vom Fototermin gewusst zu haben, war nach der Lederhose, Stutzen inklusive.

Laurin fehlt noch ein bisschen bis zum Internatio­nal Baccalaure­ate, mit dem die Schüler in St. Gilgen abschließe­n, einer Art internatio­naler (und internatio­nal anerkannte­r) Zentralmat­ura, die ein Türöffner für das Studium an ausländisc­hen Universitä­ten ist. Aus den vier Jahrgängen, die die Schule in St. Gilgen bisher abgeschlos­sen haben, sind Schüler an Eliteunive­rsitäten wie Oxford oder St. Andrews gelandet, andere an öffentlich­en österreich­ischen Universitä­ten: an der Medizin-Uni Graz, der Wirtschaft­suni oder der Universitä­t Wien zum Beispiel.

Newspapers in German

Newspapers from Austria