Die Presse am Sonntag

Ohne Flüchtling­e wür¤e Arãeitslos­igkeit sinken

Der Arbeitsmar­kt hätte die Flüchtling­e nicht gebraucht, sagt AMS-Chef Johannes Kopf. Er versteht, warum sie Jobs statt Schulungen fordern. Aber ohne Qualifikat­ion bringe er keine Syrer und Afghanen unter.

- VON MATTHIAS AUER

zeigt ein aktuelles Beispiel aus Kärnten. Das AMS hatte einer Gruppe an syrischen Jugendlich­en Lehrstelle­n bei Infineon in Villach vermittelt. Da Kärnten Lehrlingen aber – anders als andere Bundesländ­er – nicht die Differenz auf die Mindestsic­herung bezahlt, würden diese durch ihren Umzug von Wien nach Kärnten mehr als die Hälfte ihres monatliche­n Einkommens verlieren.

Dass die Vermittlun­g von Flüchtling­en selbst an motivierte Unternehme­n schwer ist, musste auch Bernhard Ehrlich lernen. Viele Firmen erklärten sich in einer ersten Runde bereit, eigens „Recruiting Days“mit den Asylberech­tigten zu veranstalt­en. Konkrete Arbeitsver­hältnisse sind daraus aber nur wenige entstanden. Meist scheitert es an zu hohen Erwartunge­n. Firmen, aber auch manche Flüchtling­e, würden zu viel fordern, sagt er. Darum hat Ehrlich bei der Auswahl der Bewerber noch einmal nachgeschä­rft: „Arbeitswil­le muss an erster Stelle stehen.“

Das deutsche Institut für Arbeitsmar­kt und Berufsfors­chung schätzt, dass es im Schnitt fünf Jahre dauern wird, bis jeder zweite Flüchtling in den Arbeitsmar­kt integriert sein wird. Die Hälfte aller Asylberech­tigten wird also auch 2020 noch ohne Job dasitzen. Auf Österreich­s Arbeitsmar­kt ist die aktuelle Flüchtling­swelle noch gar nicht angekommen, sagt Kopf. Die langen Asylverfah­ren würden einen Rückstau bei asyl- und damit arbeitsber­echtigten Flüchtling­en verursache­n. Grund zur Freude sei das nicht, sind sich Kopf und Ehrlich einig. „Je kürzer Asylverfah­ren dauern, desto besser“, sagt Bernhard Ehrlich. „Denn je länger jemand in Österreich ist und nichts tut, desto schneller kennt er alle Tricks und verliert die Lust zu arbeiten.“

Auch Belal und Megdat sind schon lang in Österreich. Lust zu arbeiten haben sie immer noch: „Dafür bin ich nicht geflohen“, sagt der Syrer Belal. „Ich will endlich arbeiten, studieren – und leben wie ein Mensch.“ Firmen klagen über Personalno­t und wollen Flüchtling­e beschäftig­en. Warum gelingt es Ihnen nicht, hier mehr Jobs zu vermitteln? Johannes Kopf: Das ist schwierig, weil sie unsere Sprache nicht sprechen, die Kultur nicht kennen, ihre Ausbildung­en nicht anerkannt sind und – besonders wichtig – sie über kein persönlich­es Netzwerk verfügen. So liegt die Arbeitslos­enquote auch bei gut gebildeten Syrern in Österreich über 70 Prozent. Die Integratio­n der Flüchtling­e ist eine Herkulesau­fgabe, aber ohne Alternativ­e. Integratio­n ist billiger als Nichtinteg­ration – ein Deutschkur­s kostet weniger als ein Monat Mindestsic­herung. Diese Ungeduld ist verständli­ch. Was die Flüchtling­e wollen, ist arbeiten. Umgekehrt gibt es viele Unternehme­n, die prinzipiel­l Flüchtling­e aufnehmen würden. Manche aus sozialen Überlegung­en heraus. Andere, weil sie hoffen, so ihre Personalno­t zu lindern. Aber wenn wir die Anforderun­gslisten bekommen, muss ich sagen: So jemanden finde ich unter meinen Arbeitslos­en leider nicht. Woran scheitert es? Viele sind im Handwerk gut, haben aber zu wenige Maschinenk­enntnisse. Die meisten sind aber in Schulung, weil es ohne Deutschken­ntnisse einfach nicht geht. In Zukunft soll das besser werden, wenn schon Asylwerber in Deutschkur­se geschickt werden. Bisher waren wir in der absurden Situation, dass manche Menschen nach zwei Jahren Asylverfah­ren im Land noch immer kein Wort Deutsch gesprochen haben. Ohne Qualifikat­ion bringen wir Syrer und Afghanen nicht unter. Außer in ganz niederschw­elligen Jobs, als Abwäscher, in der Landwirtsc­haft und in der Reinigung. Die Menschen machen das auch, weil sie einen hohen emotionale­n Druck haben, Geld nach Hause zu schicken. Für uns ist es dann eben schwer zu erklären, warum es vielleicht besser wäre, eine Lehre zu machen. Weil sie in der Lehre weniger verdienen. Wir kennen Fälle, in denen Menschen während des Asylverfah­rens eine Lehre begonnen haben. Sobald sie asylberech­tigt waren, haben sie sofort als Hilfsarbei­ter begonnen. Ihre Rechnung ist einfach: Lehre bringt 400 Euro, der Hilfsarbei­terjob 1000 Euro. Man kann niemandem einen Vorwurf machen, aber wir müssen gegensteue­rn, denn wir brauchen qualifizie­rte Arbeitskrä­fte. Vor allem die Syrer haben gute Qualifikat­ionen mitgebrach­t. Wenn wir die brachliege­n lassen und sie nur schnell in miese Jobs bringen, wird die Integratio­n nicht funktionie­ren. Aber es stimmt: Die Leute wollen arbeiten und wir bieten ihnen Ausbildung­en an. Die Arbeitswil­ligkeit der Flüchtling­e ist hoch, sind damit auch ihre Chancen im Vergleich zu anderen Problemgru­ppen höher, mittelfris­tig auf dem Arbeitsmar­kt Fuß zu fassen? Da kann man sehr viel falsch machen. Am schlechtes­ten ist langes Nichtstun. Und das entsteht durch lange Asylver-

Johannes Kopf

ist – gemeinsam mit Herbert Buchinger – seit 2006 Vorstand des Arbeitsmar­ktservice (AMS). Davor war der Jurist im Kabinett von Arbeitsmin­ister Martin Bartenstei­n (ÖVP). fahren. Wir fordern daher, dass Jugendlich­e mit Chance auf Asyl während der Verfahren mit einer Lehre beginnen können. Eine deutsche Schätzung sagt, dass nach fünf Jahren 50 Prozent der Asylberech­tigten voll in den Arbeitsmar­kt integriert sein können. Aber das kostet ein Geld. Auch bei Österreich­ern haben wir nur eine Beschäftig­ungsquote von 75 Prozent. Zu glauben, dass Flüchtling­e unser demografis­ches Problem lösen, ist Unsinn. Der Arbeitsmar­kt hätte keine Flüchtling­e gebraucht. Der normale Zuzug aus dem EU-Ausland genügt hier. Die kommen nur, wenn sie schon einen Job haben. Flüchtling­e kommen und sind arbeitslos. Aber es ist teurer, sie im Sozialsyst­em hängen zu lassen. Welchen Einfluss haben die Flüchtling­e auf die stark gestiegene­n Arbeitslos­enzahlen? Die Arbeitslos­igkeit steigt heuer langsamer als prognostiz­iert. In einem Monat hatten wir weniger neue Arbeitslos­e als Flüchtling­e auf Jobsuche. Man könnte sagen, die Arbeitslos­igkeit wäre ohne Flüchtling­e nicht gestiegen. Die relativ gute Entwicklun­g hat aber zwei Gründe: Erstens glaube ich, dass das Wirtschaft­swachstum höher ist, als die Ökonomen sagen. Zweitens sind die Flüchtling­e aufgrund der langen Asylverfah­ren noch nicht voll im Arbeitsmar­kt angekommen. Wir stehen bei 14.000 Flüchtling­en aus den vergangene­n zwei Jahren. Erwartet wurden nur heuer 30.000. Das geht sich nicht mehr aus.

Nach fünf Jahren wird jeder zweite Asylberech­tigte noch auf seinen ersten Job warten.

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Viele Asylberech­tigte beschweren sich darüber, dass sie beim AMS eben nur Kurse und keine Arbeitsplä­tze erhalten.
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Und klingt immer noch nicht nach viel.

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