Maschinenraum
VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWELT
Ob Stefanie Sargnagel beim BachmannWettlesen in Klagenfurt nun den einen oder den anderen Preis gewinnt: egal. Irgendeinen Pokal wird sie sicher abräumen. Und womit? Mit Recht. Als Hohepriesterin hellwacher Wurschtigkeit erzählt sie uns mehr über uns und unsere Zeit, als uns lieb ist. Jedenfalls mehr, zynischer und zielsicherer, als der anämische Literaturregelbetrieb. Ob da oder dort ein Beistrich fehlt oder der gute Geschmack verletzt wird, ist zweitrangig. Sargnagel macht ihrem Namen alle Ehre – und ist wie beiläufig zur Stimme ihrer Generation herangereift. Gratulation!
Die Autorin, die gern „einfach nur im Bett liegt“, erzählt uns gelegentlich auch etwas über Technik. Und ihre Beziehung dazu. Online. „Erst wollt ich kein Internet daheim, weil es ein Zeitfresser ist“, gab sie dem „Standard“zu Pro- tokoll. „Deshalb hatte ich den Fernseher, weil ganz ohne Berieselung ist es auch blöd in der Wohnung. Im Internet hat man nur die Informationen, die man sich selbst sucht, im Fernsehen kommt halt immer irgendwas.“Eine Tierdoku etwa. Über Löwen. Wer käme auf die Idee, im Internet nach Löwen zu suchen?
So banal diese Erkenntnis scheinen mag: Sie ist hochbrisant. Denn „das Internet“, das sind anno 2016 zuvorderst soziale Medien wie Facebook, Twitter, Snapchat, Instagram, YouTube, LinkedIn, Tinder . . . Gewiss auch Suchmaschinen, die Wegweiser im digitalen Labyrinth. Wie finde ich sonst überhaupt Frl. Sargnagel? Löwen- und Katzenbilder? Das Fernsehprogramm? Von der realen Welt ganz zu schweigen. Existiert die überhaupt noch? Apropos: Warum muss man eigentlich vom Sofa aufstehen und etwa wählen gehen (und das zum wiederholten Mal)? Ließe sich das nicht per Like erledigen? Daumen rauf, Daumen runter? Emoji nach Belieben hintennach. Wie’s ausgegangen ist, werden mir schon Freunde mitteilen. Althergebrachte Medien braucht es dafür nicht, sie stehen sowieso unter Lügenpresse-Verdacht.
Okay, das war eine sehr zugespitzte Zusammenfassung des Status quo in Sachen Social Media. Wenn aber, wie diese Woche, eine Meldung die Runde macht, Facebook werde demnächst an seinen Algorithmen schrauben und Hard News zugunsten Wohlfühlmeldungen von Freunden zurücknehmen, ahnt man, in welche Richtung es geht. Gut, wenn man dann mindestens noch eine Sargnagel in der Echokammer rumplärren hört.