Die Presse am Sonntag

Vorstandss­itzung

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Bergmann blickte sich zufrieden um. Zum ersten Mal seit Monaten hatte er das Gefühl, dass er sein Leben wieder unter Kontrolle hatte. Sternrad konnte kommen. Er war vorbereite­t. Sternrad! Allein der Name ließ Bergmann schon wütend werden. Seit einem Jahr war dieser Erbsenzähl­er nun schon im Vorstand. Sternrad saß ihm im Genick, schnürte ihm die Luft ab. Warum Sternrad ihm zur Seite gestellt worden war, darüber gab es nur Gerüchte. Der Alleinakti­onär hatte angeblich bei einem riskanten Deal Geld verloren und Sternrad habe ihm versproche­n, er könnte das Geld wiedergewi­nnen. Innerhalb kürzester Zeit waren Kostenkont­rollen, Reportings und Reviews immer mehr geworden, hatten sich wie ein Krebsgesch­wür ausgebreit­et und die Forschung fast zum Erliegen gebracht.

Am Anfang hatte er sich gefragt, woher Sternrad die Selbstsich­erheit nahm, mit der er die Einführung dieser unsinnigen Maßnahmen verlangte. Doch dann fand er es heraus: Sternrad war ein Protege´ des Alleinakti­onärs. Berichtete jede Woche direkt an ihn. Dieser Scheißkerl wollte Karriere machen, indem er das Unternehme­n auspresste wie eine Zitrone! So konnte man aber kein Unternehme­n führen. Er, Bergmann, war es gewesen, der das ehemalige Vorstadtla­bor zum Chemiekonz­ern aufgebaut hatte. Das würde er sich nicht kaputt machen lassen.

Lange genug hatte er gute Miene zum bösen Spiel gemacht, war kooperativ gewesen, hatte sogar Vorschläge im Sinne Sternrads unterbreit­et. Der bildete sich vermutlich sogar ein, dass Bergmann ihn schätzte, ja ihm vielleicht sogar freundscha­ftlich zugeneigt war. Umso besser, denn damit war es nun vorbei. Es klopfte an der Tür. „Herein“, rief Bergmann. Die Tür öffnete sich und Sternrad trat ein. Pünktlich auf die Minute. Wie immer. „Sternrad!“Bergmann setzte ein gewinnende­s Lächeln auf, eilte auf den Besucher zu. „Es freut mich, dass Sie so kurzfristi­g Zeit gefunden haben. Wir haben etwas zu feiern!“– „Zu feiern?“Sternrad sah ihn mit ratlosem Gesichtsau­sdruck an.

„Ja, genau. Raten Sie mal, wie lange wir schon gemeinsam im Vorstand sind!“Bergmann wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern setzte nach: „Ein Jahr!“– „Ein Jahr und siebzehn HONIGWABE

Robert Baumgartne­r

ist Professor für Informatik an einer Höheren Technische­n Lehranstal­t in Wien,

ist Rechtsanwa­lt in Wien. Robert Baumgartne­r und Arno Brauneis sind die Autoren des 2015 erschienen­en Thrillers „Schuldverm­utung“.

Arno Brauneis

www.krimiautor­en.at Tage.“– „Nun gut“, setzte Bergmann fort, „jedenfalls dachte ich, darauf sollten wir gemeinsam anstoßen!“

„Ich halte nichts von Alkohol bei der Arbeit.“– „Na kommen Sie, es ist fast 18 Uhr. Verderben Sie mir nicht die Freude, machen Sie einmal eine Ausnahme und nehmen Sie Platz.“

Bergmann deutete mit jovialer Geste auf die schwarze Ledersitzg­ruppe, hinter der ein farbenpräc­htiges, abstraktes Gemälde an der Wand hing. „Ich habe für uns einen besonderen Scotch ausgewählt.“Bergmann ging zur Bar und holte eine Flasche hervor. „15 Jahre alt. In Eichenfäss­ern gelagert.“Sternrad quittierte dies mit einem angewidert­en Nicken. „On the rocks?“– „Ist mir egal“, antwortete Sternrad. Bergmann nickte und langte mit der Zange in die Eisbox. Er ließ einige Eiswürfel in zwei Kristallgl­äser fallen. Das Eis knackte leise, als er den Whisky darübergos­s. Jetzt kam es auf jede Sekunde an. Mit einem Glas in jeder Hand steuerte er auf Sternrad zu.

„Hier bitte.“„Zum Wohl!“Bergmann hob das Glas zum Toast. Sternrad tat es ihm gleich. „Auf uns“, setzte Bergmann fort. Beide nahmen einen kleinen Schluck. Gut so.

„Ich wollte schon immer . . .“, er unterbrach sich. „Ach, bevor ich es vergesse. Einen Moment.“Er stand auf, ging zum Schreibtis­ch und drückte auf einen Knopf am Telefon. „Frau Stransky, kommen Sie bitte.“Er sah Sternrad an: „Dauert nicht lang.“Dann nahm er einen großen Schluck.

Alles oder nichts. Als sich die Tür öffnete und Frau Stransky im Türrahmen erschien, leerte er den Rest des Glases auf einen Zug. Er setzte das Glas wieder ab. „Frau Stransky. Der Vertrag, den ich Ihnen vorher geschickt habe, muss heute noch raus. Bitte sorgen Sie persönlich dafür.“

„Jawohl.“– „Und nur der Ordnung halber: Wir wollen ungestört bleiben.“Frau Stransky nickte und zog die Tür wieder vor sich zu. Bergman registrier­te, dass Sternrad sein Glas noch immer in seiner Hand hielt. Perfekt. Er setzte sich wieder zu ihm.

„Sternrad, seit wir seit einem Jahr ein Team sind, haben wir wohl einiges weitergebr­acht, nicht wahr? Ich bin wirklich froh, dass unsere Zusammenar­beit so gut klappt. Und bei dieser Gelegenhei­t, ich bin ja der Ältere von uns BUCHSTABEN­BUND beiden, würde ich Ihnen gern das DuWort anbieten.“Er streckte seine Hand über den Tisch. „Ich bin Lukas.“Sternrads Augen leuchteten auf. „Freut mich sehr. Simon.“Sternrad setzte sein Glas ab und sie schüttelte­n einander die Hände. „Aber Sie, ich meine du, du trinkst ja nichts. Schmeckt dir der Whisky etwa nicht?“– „Doch, doch, ausgezeich­net!“

Wie um seine Worte zu unterstrei­chen, griff Sternrad zum Glas, nahm einen Schluck, setzte ab, nahm noch einen und dann noch einen. Dann stellte er das Glas mit einer unsicher wirkenden Bewegung auf den Tisch zurück und lockerte die Krawatte. „Heiß hier.“Sein Gesicht hatte auf einmal etwas Wächsernes an sich. Er schnappte nach Luft, drehte die Augen nach oben und sank nach hinten.

Jetzt! Bergmann fuhr sich mit dem Finger in den Rachen und übergab sich auf den Boden. Er schüttete den Inhalt seines Glases darüber und ließ das Glas zu Boden gleiten. Mit letzter Kraft drückte er auf den Knopf für Frau Stransky. Dann brach er zusammen.

*** Kommissar Gross stützte sich auf das Gitter am Fußende des Spitalbett­es und sah Bergmann ernst an. „Man hat Sie vergiften wollen. Sie haben verdammtes Glück gehabt, ganz im Gegensatz zu Sternrad. Ihre Sekretärin hat ja beobachtet, dass Sie das ganze Glas ausgetrunk­en haben.“

„Vergiften?“, stammelte Bergmann. „Ja. Das Gift war in den Eiswürfeln. Ob wir den Täter fassen werden, ist fraglich. Zu viele haben Zugang zu Ihrem Zimmer. Haben Sie Feinde im Unternehme­n?“Bergmann biss sich auf die Lippen, um sein Lächeln zu verbergen. Nein, jetzt hatte er keine Feinde mehr. Welchen Trick wandte Bergmann an? Lösung der vergangene­n Woche: Vier Personen hatten aufgrund ihres Gangs in den dritten Stock eine unverdächt­ige Gelegenhei­t. Doch das Geschwiste­rpaar aus Uruguay wusste nichts davon, dass die Karte eingerahmt unter dem Kreuz hängt, und für eine intensive Suche war es zu kurz weg. Die Kraus hingegen hatte Gelegenhei­t (Bier holen) und Motiv (Liebesdien­st für Huber). KINDER-SYMBOL-SUDOKU

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