Die Presse am Sonntag

Facebook stärkt seinen Dorfcharak­ter

Die Nummer eins ãei ©en soziŻlen Me©ien ´n©ert ihre Einstellun­g zum Newsfee©. FŻmili´res un© Żn©ere privŻte Beitr´ge sollen geför©ert wer©en. DŻs ©ürfte vor Żllem zulŻsten ©igitŻler NŻchrichte­n im Netz gehen.

- VON NORBERT MAYER

Wenn der Platzhirsc­h unter den sozialen Medien, der multinatio­nale US-Konzern Facebook mit seinen weltweit fast 1,7 Milliarden Kunden, den Algorithmu­s zur Einspeisun­g von Nachrichte­n ändert, dann hat das enorme Auswirkung­en auf das Geschäft. Wie The New York Times diese Woche meldete, soll Facebooks Newsfeed künftig eher jene Nachrichte­n fördern, die zum Beispiel zwischen Freunden erfolgen. Die Hinwendung zum Privaten bedeutet einen radikalen Wandel im Vergleich zur zuletzt üblichen Politik. Jahrelang, so die renommiert­e New Yorker Tageszeitu­ng, sei die Firma von Mark Zuckerberg um Verleger aller Größenordn­ungen bemüht gewesen, habe sie dazu ermuntert, via Facebook ihre User-Zahl zu vergrößern. Nun erhielten diese bisherigen Verbündete­n in den Medien einen Dämpfer.

Kommt jetzt ein neues Biedermeie­r im „Global Village“, weil ein Kommunikat­ionsgigant den dörflichen Charakter betont, die ursprüngli­che Idee, ganz einfach Menschen zu verbinden, wie sein Technikche­f, Lars Backstrom, behauptet? Man will ja nichts Intimes verpassen! Ein Like für noch mehr Katzenbild­er oder Glückwünsc­he an den Erbonkel statt harter News? Der Eindruck, dass man nostalgisc­h zurück zu den Wurzeln strebe, als Zuckerberg angeblich bloß ein digitales Netz unter Kommiliton­en an seiner Universitä­t in Harvard schaffen wollte, dürfte aber trügen. Es geht eher um Marktantei­le.

Facebook ist dafür bekannt, seine Algorithme­n immer wieder anzupassen. Man kann davon ausgehen, dass dies wie bisher zum optimalen Eigennutze­n erfolgt. Das Magazin Wired befürchtet bereits eine Verengung der In- teressen im Internet. Das hat eine gewisse Logik. Wer nur auf das getrimmt wird, was ihm ohnehin nahesteht, verliert dabei auch etwas an Offenheit. Ein Rückkoppel­ungseffekt ergibt sich – verstärkt wird so vor allem konsumiert, was die eigene Meinung bestätigt.

Besonders auf Medien, die nur digital verbreitet werden, kann die neue Politik des US-Konzerns verheerend wirken. Für rein werbefinan­zierte Fir- men ist die Präsenz in sozialen Medien wesentlich, sie sind besonders darauf angewiesen, im News Feed eine relevante Platzierun­g zu bekommen. Aber Facebook ist kein gemeinnütz­iger Verein, auch sein Gewinn hängt davon ab, wie oft, wie lang und wie viele User sich dort tummeln. Die Firma will, dass die Kirche im Dorf bleibt, in ihrem Dorf, nach ihren Geboten. Ihre Gläubigen sollen keinesfall­s zu anderen Predigern im Netz überlaufen.

Ein Like für noch mehr KŻtzenãil©er stŻtt hŻrter News?

Man kann den Richtungsw­echsel sogar positiv sehen. Selbst Facebook hält seine Nutzer inzwischen für zu passiv! Sie beschränke­n sich offenbar zu sehr darauf, einen Großteil ihrer Nachrichte­n durch dauerndes Herumlunge­rn im Internet beinahe zufällig zu beschaffen. Statt sich aber von (halb-) profession­ellen Videos, Fotos oder fremden Texten inklusive Werbung berieseln zu lassen, sollen die Kunden nun selbst mehr produziere­n, sie werden dazu ermuntert, der virtuellen Gemeinscha­ft verstärkt Eigenes, Intimes zur Verfügung zu stellen – zu welchem Zweck auch immer. Als Motto könnte ein berühmter Satz von US-Präsident John. F. Kennedy beim Amtsantrit­t 1961 postmodern variiert werden: „Liebe Gemeindemi­tglieder, fragt nicht, was Facebook für euch tun kann – fragt, was ihr für Facebook tun könnt!“

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Reuters Angestellt­e von Facebook bei der NYC Pride Parade.

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