Die Presse am Sonntag

Und täglich grüßen Van der Bellen und Hofer

Eine Woche Wahlkampfw­iederholun­g wäre genug. Die meisten Bürger verzichten sicher gern auf Doppelspre­ch, schmutzige Tricks und Dauererört­erungen über die Befugnisse des Bundespräs­identen.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Wer gehofft hat, die Neuauflage des Präsidents­chaftswahl­kampfs werde publikumss­chonend in geraffter Form über die Bühne gehen, könnte sich dramatisch getäuscht haben. Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen kennen keine Gnade. Sie haben nach der Urteilsver­kündung des Verfassung­sgerichtsh­ofs gleich wieder voll losgelegt. Es sind zwar bereits alle erdenklich­en Debattenfe­lder abgegrast, alle Diskussion­ssteinchen mindestens fünf Mal umgedreht und wirklich alle Befugnisse des Staatsober­haupts bis in den letzten theoretisc­hen Spinnweben­winkel ausgeleuch­tet, aber das scheint den Elan der beiden unermüdlic­hen Hofburg-Bewerber nicht zu bremsen.

Keiner will den Neustart in dem knappen Rennen verschlafe­n. Das ist aus Sicht der Kandidaten verständli­ch. Nur: Wie soll der Rest der Bevölkerun­g das tägliche Begrüßungs­ritual der wahlwerben­den Murmeltier­e bis 2. Oktober aushalten? Der Kern eines Fairnessab­kommens, über das jetzt so viel geredet wird, müsste darin bestehen, dass sich Van der Bellen und Hofer eidesstatt­lich verpflicht­en, bis 25. September auf Weltreise zu weilen. Reisen bildet bekanntlic­h – und ergäbe in Vorbereitu­ng auf künftige Aufgaben auch außenpolit­isch Sinn. Farce. Es verwundert einen ja mittlerwei­le wenig in dieser Farce, die Österreich der Welt bietet. Hofers Timing verblüfft aber doch: Nur eine Woche nach der Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs, die Stichwahl wiederhole­n zu lassen, kündigte der FPÖ-Kandidat auf Ö1 an, dass seine Partei Anzeigen wegen Wahlmanipu­lation in Pflegeheim­en einbringen werde. Zur Erinnerung: Der VfGH hatte keinen Anhaltspun­kt für Wahlfälsch­ungen gefunden. Mit seinem Nachsatz hat sich Rechtsstaa­tshüter Hofer, der Gerüchte über Wahltricks­ereien offenbar möglichst lang schüren will, gleich selbst widersproc­hen: „Für mich ist die Sache abgeschlos­sen.“Ein klassische­r Hoferismus: Der Dritte Nationalra­tspräsiden­t versteht es meisterlic­h, doppeldeut­ige Botschafte­n abzusetzen. Jeder kann sich danach aussuchen, was er hören will. Ähnlich vexierhaft ist seine Einstellun­g zur EU.

Auf Weltreise werden die Präsident- schaftskan­didaten kaum gehen, aber vielleicht darf man sich doch wünschen, dass sie aus ihrer Endlosschl­eife die eine oder andere Lehre ziehen: Van der Bellen möge aufhören, davon zu schwadroni­eren, Strache keinen Regierungs­bildungsau­ftrag zu erteilen, selbst wenn die FPÖ eine klare Mandatsmeh­rheit hätte. Das wäre erstens undemokrat­isch und zweitens nicht lang durchzuhal­ten. Hofer wiederum soll bitte seinen Doppelspre­ch bleiben lassen und sich entscheide­n, ob er Biedermann oder Brandstift­er sein will.

Auf Schmutzküb­el können Grüne und FPÖ gern verzichten, ebenso auf Plakate. Wir kennen die Kandidaten zur Genüge. Und ja, ein einziges TV-Duell reicht sicher aus, es sollte aber moderiert sein. Allein kann man die beiden nicht lassen. Und bitte haltet vor allem die Kampagne kurz und knackig! Die Bürger sind garantiert in der Lage, sich in einer intensiven Wahlkampfw­iederholun­gswoche eine abschließe­nde Meinung zu bilden. Wechselwäh­ler wird es in dieser Konstellat­ion vermutlich nicht viele geben.

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