Verloren im Niemandsland der Sahara
Im FlüchtlingslŻger MãerŻ in ©er mŻuretŻnischen Wüste hŻrren TŻusen©e Menschen Żus, ©ie vor ©er GewŻlt in MŻli geflohen sin©. Die Unt´tigkeit im CŻmp treiãt Jugen©liche in ©ie H´n©e von ãewŻffneten Gruppen.
Den dunkelblauen Turban hat sich Mata Ag Mohammed tief ins Gesicht gezogen. So schützt er sich vor der Hitze und dem Sand, den der Wind unablässig durch die Luft wirbelt. Der hagere Mann sagt, er sei 56 Jahre alt, aber er sieht viel älter aus. Das Leben in der Wüste hat über die Jahre Spuren hinterlassen. Tiefe Falten durchziehen seine Haut. Mohammed ist Tuareg, und als Teil dieses alten Nomadenvolks der Sahara weiß er, wann es für ihn Zeit ist weiterzuziehen. Deshalb drängt er sich nun mit ein paar Dutzend anderen Familien unter ein Zeltdach der UNFlüchtlingsorganisation UNHCR und wartet, bis seine Abreise auch bürokratisch abgewickelt wird. Nach vier Jahren als Flüchtling, sagt er, wolle er wieder zurück in seine Heimat, nach Mali.
Es ist kein weiter Weg, der ihn erwartet. Das Flüchtlingscamp Mbera liegt im Südosten von Mauretanien, bis zur malischen Grenze sind es nur 50 Kilometer durch diese immer gleiche Landschaft aus rotbraunem Sand. Die riesige Zeltstadt im Niemandsland haben die Vereinten Nationen aus dem Boden gestampft, als in Mali 2012 das Chaos ausbrach und Flüchtlinge nach Mauretanien strömten. Heute leben in Mbera noch 41.000 Menschen, die meisten Tuareg und Araber aus den Gegenden um Ler´e´ und Timbuktu.
30 Minuten Fahrt sind es bis zur nächsten Stadt, Bassikounou, die ungefähr so viele Einwohner hat wie das Lager. Eine Straße gibt es nicht, die Wagen kämpfen sich durch den Sand. In dem menschenleer wirkenden Ort sind auch die UN-Mitarbeiter unterge- bracht, die das Lager betreuen. Sie wohnen in Containern hinter hohen Mauern und Stacheldraht; jede Fahrt ins Camp wird von einem Wagen mit bewaffneten Gendarmen begleitet.
Obwohl Mali so nahe ist und sich die Grenze kaum überwachen lässt, ist die Gegend vom Konflikt verschont geblieben. Auch terroristische Aktivitäten gebe es nicht, versichert der Bürgermeister von Bassikounou, Mohammed Mokhtar, der in seinem Büro empfängt. An der Wand hängt ein Plakat des Innenministeriums, das davor warnt, sich Terrorgruppen anzuschließen. Das Foto zeigt einen zum menschlichen Bündel gefesselten Attentäter, der Sprengstoffgürtel liegt noch um seinen Oberkörper, die Kalaschnikow neben ihm auf dem Boden. Im Juli 2011 hatten Kämpfer der al-Qaida im Islamischen Mahgreb (Aqmi) versucht, den Armeestützpunkt von Bassikounou anzugreifen. Die Attacke wurde zurückgeschlagen, noch bevor die Jihadisten die Stadt erreichten, weil Bewohner der Gegend über Handy Alarm schlugen. Seitdem hat es keine Attacken gegeben.
Sicherheitsexperten aus der Region behaupten, die Regierung in Nouakchott habe sich schlicht mit den bewaffneten Gruppen aus dem Nachbarland arrangiert: Sie nutzten die Gegend als Rückzugsort, dafür bleibe es in Mauretanien ruhig.
Der Norden Malis ist von Stabilität dagegen weit entfernt – im Gegenteil: Die Gewalt breitet sich aus. Daran hat auch das Friedensabkommen vor gut einem Jahr nichts geändert, dessen Umsetzung von der UN-Mission Minusma, an der österreichische Soldaten beteiligt sind, abgesichert werden soll. Immer häufiger greifen vor allem jihadistische Gruppen, allen voran Aqmi, die Blauhelme an. Erst vergangene Woche hat der UN-Sicherheitsrat deshalb die Mission ausgeweitet. Und in Mberra richten sich die Flüchtlinge darauf ein, weiter zu bleiben.
Im Büro ©es Bürgermeisters h´ngt ein PlŻkŻt, ©Żs ©Żvor wŻrnt, Terrorist zu wer©en.
KriegsursŻchen. Im Camp führt Ibrahim Ag Hamani seinen eigenen Kampf gegen den Krieg. Er ist selbst Tuareg aus Mali. Auf der Nase sitzt eine Pilotenbrille; der weiße Turban geht fließend ins helle Boubou über, das traditionelle Gewand. Hamani ist Direktor an einer der Schulen im Lager. „Analphabetismus und mangelnde Bildung sind einer der Gründe für den Konflikt in Mali“, sagt er. „Die Kinder müssen deshalb in die Schule gehen, um nicht dieselben Fehler zu machen wie die Leute, die jetzt kämpfen. Wer gebildet ist, zieht nicht in den Krieg.“
In den Klassenzimmern drängen sich Mädchen und Buben auf den Holzbänken. Es sind auch junge Män-
»Die Kin©er müssen in ©ie Schule gehen. Wer geãil©et ist, zieht nicht in ©en Krieg.«
ner dabei, die das Schulalter sichtlich überschritten haben. „Alphabetisierung“, erklärt Hamani knapp. Es gebe viele im Camp, Kinder wie Erwachsende, die weder lesen noch schreiben können. Die Schule hat auch Spielgruppen für die Jüngsten von drei bis sechs Jahren. „Hauptziel ist, sich um diese Kinder zu kümmern“, sagt er. „Sonst verbringen sie ihre Zeit auf der Straße.“
Von einem flächendeckenden Unterricht kann allerdings keine Rede sein. Von 14.000 Kindern im schulpflichtigen Alter besuchen 5000 eine der sechs Grundschulen des Lagers. 220 Schüler zählt die weiterführende Schule, darunter nur 56 Mädchen. Viele Eltern schicken ihre Kinder lieber auf eine Koranschule. Mädchen werden zu oft schon im Jugendalter verheiratet. Wer einen Alphabetisierungskurs gemacht hat, sollte eigentlich eine Ausbil-