Österreich trainiert Afghanen im Gebirgskampf
Bei dem zweitägigen Nato-Gipfel ging es auch um die prekäre Lage auf dem Hindukusch. Doch dominiert wurde der Gipfel vom Ost-West-Konflikt und von dem Versuch der Nato, eine Kluft zwischen Süden und Osten zu verhindern. Bei dem Nato-Gipfel in Polens Nationalstadion saugt der Konflikt des Bündnisses mit Russland die Aufmerksamkeit auf – und verstellt dabei den Blick auf andere Bedrohungen. Denn es ging hier auch um schnell wachsende Gefahren (der Cyber-Raum wurde zum Operationsgebiet erklärt), aber auch um alte Konfliktherde, Afghanistan zum Beispiel. Die Region ist nicht befriedet, die Taliban breiten sich wieder aus. Anstatt wie geplant die Nato-Ausbildungsmission „Resolute Support“zurückzufahren, pumpt das Bündnis künftig jährlich rund fünf Milliarden Dollar in Afghanistans Streitkräfte und bleibt mit 12.000 Soldaten im Land.
Bis zu zehn Experten stellt weiterhin Österreichs Bundesheer, wobei die rot-weiß-rote Abordnung übersiedelt, aus der Hauptstadt, Kabul, hinauf in den Norden, nach Kundus. wo afghanische Soldaten künftig im Gebirgskampf gegen die Taliban ausgebildet werden sollen. „Ein qualitativer Sprung“, sagte Verteidigungsminister Doskozil gestern, der die Mission aber als Überleitung zur Flüchtlingskrise nutzte: Die Mission solle den Afghanen helfen, sichere Zonen im Land zu schaffen. Sie solle mit dem Thema Rückführungen verzahnt werden.
In Polens größter Fußballarena ging es dem Bündnis gestern auch darum, die Mitglieder an der Nato-Südflanke zu beruhigen, wo der Eindruck herrscht, die Nato verzettle sich im Konflikt mit Russland, anstelle die Bedrohungen im Süden anzugehen, wo sich etwa in Libyen der IS-Terror ausbreitet und der Beginn der Migrationsrouten liegt. Die Nato traf deshalb bei dem Gipfel Vorbereitungen, der EU wie in der Ägäis eine Seeraumüberwachung im zentralen Mittelmeer anzubieten. Demnächst könnten also Kriegsschiffe auch vor den Toren Libyens kreuzen, Schlepper ausspähen, aber auch Waffenschmuggler. Die Nato schaltet sich zudem in den Kampf gegen den IS-Terror im Nahen Osten ein, wobei die Awacs-Luftaufklärer nicht direkt über Syrien und dem Irak kreisen werden.
Russland abschrecken, ohne es zu provozieren: Das war der zweite, gleichermaßen schwierige Drahtseilakt bei dem Gipfel. Gestern traf Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den ukrainischen Präsidenten, Petro Poroschenko. Für die Ukraine und Georgien gab es hier zwar schöne Worte und praktische Hilfszusagen, aber wegen der Konflikte mit Russland keine ernsthafte Beitrittsperspektive. Schon am ersten Gipfeltag beschloss die Nato die Aufrüstung ihrer Ostflanke um eine Brigade. Zugleich mühte sich Generalsekretär Jens Stoltenberg ab, die „defensiven Absichten“herauszustellen – und Moskau Dialogangebote zu offerieren.
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel: Litauen erklärte bereits, es hätte gern mehr als die 1000 zugesagten Soldaten. Zudem gibt es eine Debatte, die nukleare Abschreckung zu stärken. Länder wie Deutschland bremsen; die bündnisfreien Schweden und Finnen dürften näher an die Nato rücken. In Warschau saßen sie bereits mit am Tisch. Die militärische Kooperation der zwei Staaten mit Österreich kam dagegen praktisch zum Erliegen. Im Klub der neutralen EUStaaten bleiben sonst noch drei Inseln: Malta, Zypern, Irland.