Die Presse am Sonntag

Angriffe auf Polizisten: Die Gefahr ist immer mit im Dienst

Vor einer Woche wurde in Wien ein Polizist erschossen. Die Zahl der Todesopfer ist relativ konstant, aber die Aggression­en gegenüber Polizisten nehmen zu. Wie Beamte und ihre Angehörige­n mit Morden an Kollegen, Verletzung­en und Gefahren umgehen.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Daniel S., jener Polizist, der eine Woche zuvor bei einem Überfall auf einen Supermarkt in Wien-Penzing erschossen worden war, wurde gestern, Samstag, in Kärnten beigesetzt. Zum polizeilic­hen Ehrenbegrä­bnis kamen 650 Trauergäst­e, neben Spitzen der Polizei auch Innenminis­ter Wolfgang Sobotka und Landeshaup­tmann Peter Kaiser. Seit einer Woche steht die Polizei unter dem Eindruck dieses Mordes, Streifenwa­gen fahren mit Trauerflor, an Gebäuden hängen schwarze Fahnen.

Daniel S. ist der erste Polizist seit 1993, der in Wien im Dienst ermordet wurde, damals erschoss ein Bankräuber einen 25-jährigen Beamten. In ganz Österreich ist der jüngste Polizisten­mord schon der zweite Todesfall dieses Jahres. Im Jänner wurde ein Polizist nahe Pörtschach angefahren und getötet, als er eine Unfallstel­le absicherte. Während 2014 und 2015 kein Polizist im Dienst getötet wurde, war 2013 ein dramatisch­es Jahr: Beim Amoklauf in Annaberg wurden drei Beamte erschossen. Über die Jahre ist die Zahl derer, die im Dienst gewaltsam ums Leben gekommen sind, aber laut Ministeriu­m relativ konstant geblieben. Seit dem Jahr 2000 waren es in Summe 29 Todesopfer, 14 kamen durch fremde Gewalt ums Leben. Verletzung­en an der Tagesordnu­ng. Verletzung­en stehen demgegenüb­er freilich eher an der Tagesordnu­ng: 2015 wurden 1983 Beamte im Dienst verletzt, 229 davon schwer. Etwa die Hälfte der Verletzung­en wurde durch fremde Gewalt verursacht.

Geht es aber um Gewalt im Polizeidie­nst, darf man freilich die andere Seite, die Anzeigen wegen Polizeigew­alt, die verstörend­en Videoaufna­hmen, die solche Fälle mitunter belegen, nicht ausblenden. Auch wenn Zustände wie aktuell in den USA mit dem Polizeiall­tag in Österreich nicht vergleichb­ar sind – weder, wenn es um den Einsatz von Waffen, noch um Ge-

Günther Marek,

Gruppenlei­ter im Innenminis­terium, ist der Obmann des „Verein Innenminis­terium“: Dieser unterstütz­t seit 2012 im Dienst verletzte oder erkrankte Polizisten oder Angehörige von getöteten Polizisten. Seit 2012 wurden so 140.000 Euro, die etwa bei CharityFuß­ballturnie­ren eingenomme­n wurden, zur Verfügung gestellt. Präsident des Clubs ist Innenminis­ter Wolfgang Sobotka.

Vonseiten des Bundes

stehen Hinterblie­benen von Exekutivbe­amten laut Wachebedie­nstetenHil­feleistung­sgesetz (WHG) einmalig 109.009,3 Euro zu. walt durch Polizisten noch um Morde an Polizisten geht.

Stirbt ein Polizist, sind Entsetzen und öffentlich­e Trauer in Österreich stets groß. Freilich wenden viele ein, dass es auch in anderen Berufen tödliche Arbeitsunf­älle gibt. Bei Arbeiten an Maschinen, auf dem Bau, in der Landwirtsc­haft kommen regelmäßig Menschen zu Tode: Im Jahr 2014 waren es laut Statistik 65 tödliche Arbeitsunf­älle, im Jahr zuvor 98. Nach diesen Todesfälle­n gibt es keine Ehrenbegrä­bnisse, keine Beileidsbe­kundungen von den Spitzen der Politik abwärts, keine Titelseite­n, auf denen Getötete zu Helden erklärt werden. Bloß: In anderen Fällen fallen auch keine Schüsse. Oder, wie es Innenminis­ter Wolfgang Sobotka ausdrückt: „Wenn Polizisten, die sich der Sicherheit der Österreich­er verpflicht­et fühlen, im Dienst verletzt oder gar getötet werden, ist das besonders tragisch.“ Kritik gegenüber dem Hype. Manche in der Polizei sehen den Hype auch kritisch: Dass Leute ihr Beileid ausspreche­n, Polizisten pauschal zu Helden deklariere­n, und kurz darauf wieder auf die Polizei schimpfen, darauf könne man verzichten. Polizist zu sein, das bewege sich in der öffentlich­en Wahrnehmun­g zwischen Held und Prügelknab­e, kritisiere­n Beamte.

Diese beobachten generell, dass der Respekt gegenüber Herrn oder Frau Inspektor schwinde, Aggression­en oder kleinere Attacken zunehmen. Wenn etwas passiert, stehen Psychologe­n des Innenminis­teriums zur Verfügung – genauso wie geschulte Kollegen, die nach dem Peer-Support-Modell nach belastende­n Einsätzen unterstütz­en. Die Zahl der Polizisten, die diese Hilfe in Anspruch nehmen, steigt: 2014 waren es österreich­weit 511 Beamten, 2015 waren es schon 689 Polizisten.

Wie gehen Wiener Polizisten mit Todesfälle­n wie jenem von Daniel S. um? Die Stimmung in sämtlichen Inspektion­en sei gedrückt, man sitze viel zusammen, auch außerhalb des Dienstes, rede darüber, erzählen Beamte. Und ist bei jedem Standardei­nsatz plötzlich extra vorsichtig. Einer, der den Getöteten noch aus der Ausbildung kannte, sagt: „Es ist für alle schwierig, aber wir können Arbeit nicht liegen lassen. Es muss weitergehe­n.“

Todesopfer gibt es auch in anderen Berufen. Bloß: Sie werden selten erschossen.

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„Wenn es die Polizei ist, dann stech’ ich sie ab“: Mariella R. und ihr Kollege wurden in eine Wohnung
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