Die Presse am Sonntag

Die Hilfsmitte­l werden weniger

Backmittel werden seit 100 Jahren eingesetzt. Ihren Höhepunkt haben sie hinter sich.

- KARIN SCHUH

Was früher ein Zeichen des Fortschrit­ts war, ist heute unbeliebt und wird von Bäckern selten thematisie­rt – außer, wenn bewusst darauf verzichtet wird. Die Rede ist von Backhilfsm­ittel oder Backmischu­ngen. Wobei Malz etwa schon seit mehr als hundert Jahren als Backmittel eingesetzt wird. „In den 1950er-Jahren sind Verbesseru­ngsmittel für Mehle auf den Markt gekommen“, sagt Erwin Heftberger, der an der HTL für Lebensmitt­eltechnolo­gie, Getreide- und Biotechnol­ogie in Wels unterricht­et. Wobei er feststellt: „Man hat sich immer schon damit beschäftig­t, wie man das Backen erleichter­n kann, das ist ja nichts Böses.“

In den 1970er-Jahren war die Backmittel­industrie auf ihrem Höhepunkt. „Da wurden Semmeln mit Emulgatore­n aufgeblase­n.“In den 1990er-Jahren haben dann die ersten auf Hilfsmitte­l verzichtet, die den Vorgang beschleuni­gen (und somit Vorteige, Sauerteig und lange Teigführun­g ersparen) sowie das Volumen vergrößern. Auch Heftberger­s Vater gehörte dazu. „Obwohl er in den Sechzigerj­ahren nicht gelernt hat, wie man einen Sauerteig macht. Damals hat es geheißen, das braucht man heute nicht mehr.“Heftberger hat vor 18 Jahren seine Meisterprü­fung in Wels abgelegt – ebenfalls als einer der ersten ohne Hilfsmitte­l. „Wir sind schief angeschaut worden. Es hieß, das entspricht nicht dem, was der Kunde wünscht.“Heute hingegen müssen seine Schüler lernen, ohne Hilfsmitte­l auszukomme­n. Hybridweiz­en. Wobei Heftberger wichtig ist, nicht jene Bäcker zu verteufeln, die Hilfsmitte­l einsetzen. Er sieht die Sache etwas weniger streng und stellt die Frage in den Raum, warum Saatgutkon­zerne nur noch Hybridweiz­en produziere­n. „Die kann der Bauer nicht selbst vermehren, also muss er jedes Jahr neues Saatgut kaufen.“

Er ist der Meinung, dass immer weniger Bäcker auf Hilfsmitte­l und Backmischu­ngen setzen. Das sieht auch Josef Schrott so, Innungsmei­ster der Bäcker Österreich­s. „Früher gab es Marketinga­ktionen von der Industrie, bei denen man als Bäcker teilweise gezwungen war mitzumache­n“, sagt Schrott. Er erinnert sich an ein Johanniskr­autbrot, das in TV-Sendungen von einer Backmittel­firma derart stark beworben wurde, dass sich die Bäcker wegen der Kundennach­frage gezwungen sahen, diese Mischung zuzukaufen.

Heftberger ist gar der Überzeugun­g, dass sich Hilfsmitte­l nicht rentieren – zumindest nicht für den Bäcker. „Tiefkühlte­iglinge mit einer Haltbarkei­t von bis zu einem Jahr sind kompletter Unsinn. Die muss man ja auch lagern, das kann sich nicht rentieren.“

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