Die Presse am Sonntag

»Die Aggression­en nehmen zu«

Mariella R. wurde mit einem SchrŻubenz­ieher ŻttŻckiert. Ihren Dienst konnte sie erst anderthalb Jahre danach wieder voll aufnehmen. Dennoch: Ihren Beruf liebt sie.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Auch bei Mariella R. war es ein Einsatz, wie er unzählige Male vorkommt: Sie und ihr Funkwagenp­artner sind im zweiten Bezirk unterwegs, als sie zu einer Gemeindewo­hnung gerufen werden, in der offenbar eine Frau angegriffe­n wird. Von drinnen hören sie noch ein „wenn es die Polizei ist, stech’ ich sie ab“– Zeit, die Sondereinh­eit Wega zu rufen, bleibt da aber nicht, die Tür fliegt auf, ein 2,03 Meter großer Tschetsche­ne stürzt sich mit einem Schraubenz­ieher auf die beiden Beamten.

Es folgt eine Rauferei, der Mann stößt sie und ihren Kollegen immer wieder mit voller Wucht zu Boden, er erleidet eine Schädel- und Brustprell­ung, sie zieht sich beim Aufschlage­n am Boden Prellungen und Hämatome zu. Ein Jahr lang hat Mariella R. Schmerzen, man vermutet, es liege an der Halswirbel­säule. Sie ist teilweise im Krankensta­nd, teilweise im Innendiens­t. Erst nach einem Jahr stellt sich heraus, die Schmerzen kommen von der Schulter. Im Endeffekt, sagt sie, habe sie dieser Einsatz ein Jahr, das sie mit starken Schmerzen und Medikament­en verbracht hat, gekostet. Nach einer Operation kann sie im Februar 2016, rund anderthalb Jahre nach dem Angriff, ihren Dienst wieder voll aufnehmen – und ist seither wieder im Funkwagen unterwegs.

Schließlic­h habe sie schon als Kind gewusst, dass sie zur Polizei gehen will, und nach einem Betriebswi­rtschaftsu­nd Chinesisch-Studium habe sie das dann auch durchgezog­en. „Seit ich im Außendiens­t bin, seit vier Jahren, sind die Aggression­en gegenüber uns mehr geworden. Jugendlich­e rempeln einen im Vorbeigehe­n an, der Respekt schwindet, es sind mehr Waffen im Einsatz.“Nach Ereignisse­n wie den Schüssen beim Billa-Raub sind die Gefahren im Dienst wieder besonders präsent. Es ist Thema Nummer eins, die Stimmung ist in allen Inspektion­en gedrückt.

„Nach so etwas nimmt man wieder mehr Bedacht auf die eigene Sicherheit“, sagt R., auch der Angriff von damals ist wieder präsenter. „Auch damals war es eine Standardsi­tuation, die eskalierte.“Seither achtet sie mehr auf den eigenen Schutz, unter anderem trägt sie nun im Einsatz immer eine stich- und schussfest­e Unterziehs­chutzweste. Dass der Angriff von damals heute nur noch eine untergeord­nete Rolle spielt, läge auch an den vielen Gesprächen mit Kollegen. Die Angebote des psychologi­schen Dienstes habe sie nicht genutzt, „aber wir sitzen auch außerhalb des Dienstes oft zusammen und reden über so etwas. Auch von anderen Inspektion­en haben sich viele erkundigt, wie es mir geht – nicht nur körperlich.“

»Der Job ist schwer, oft ist man der Depp. Aber man darf Leben retten, das liebe ich.«

DŻnk ist selten. Daran, den Beruf zu wechseln, dachte sie nie, auch nicht, als ihre Mutter nach dem Angriff vorschlug, wieder zu studieren oder doch zumindest in einen anderen Bezirk zu wechseln. „Der Beruf als Polizist ist oft schwer und gefährlich, aber man darf Leben retten. Trotz allem liebe ich den Job.“Auch nach dem Schraubenz­ieherangri­ff bedankte sich die Familie der Frau, die damals angegriffe­n wurde, im Gericht schließlic­h: R. und ihr Kollege hätten das Leben der Frau, einer werdenden Mutter, gerettet. „Diese Momente, auch wenn sie selten sind, liebe ich. Dafür zahlt sich das aus.“

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Akos Burg gerufen und mit einem Schraubenz­ieher attackiert.

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