Die Presse am Sonntag

Im Schwerefel­d des Jupiters

Seit 4. Juli ist die Nasa-Sonde Juno auf einer Umlaufbahn um den bei Weitem größten Planeten unseres Sonnensyst­ems. Was will sie dort?

- VON THOMAS KRAMAR

Als der Göttervate­r Jupiter wieder einmal eine Frau begehrte, diesfalls Io, die Tochter eines Flussgotts, ließ er dunklen Nebel aufsteigen, um sie am Fortlaufen zu hindern. Doch just dieses Manöver lenkte die Aufmerksam­keit seiner ohnehin chronisch eifersücht­igen Frau Juno auf die Szene . . . Antike Geschichte­n wie diese – erzählt von Ovid in den „Metamorpho­sen“– haben die Nasa dazu inspiriert, die Sonde, die seit 4. Juli den Jupiter umläuft, Juno zu nennen: Sie soll hinter die Nebel blicken. Dass es dabei zu keiner direkten Konfrontat­ion mit Io kommt, ist garantiert: Die Sonde wird die vier galileisch­en Monde des Jupiters – Io, Europa, Ganymed, Kallisto – meiden. Denn diese ziehen ihre Bahnen durch den Strahlungs­gürtel des Planeten, in dem so harte Strahlung (5000-mal so hart wie im Van-AllenGürte­l der Erde!) herrscht, dass sie die Solarzelle­n, mit denen Juno betrieben wird, zerstören würde.

Das weiß man schon seit 1973: Damals reiste die – von Nuklearene­rgie getriebene – Pioneer 10 durch den Strahlungs­gürtel. Sie war die erste Sonde, die den Jupiter erreichte, sie erwies sich als höchst robust, sendete bis 2003. Da war sie freilich schon weit draußen in der Peripherie des Sonnensyst­ems, am Jupiter war sie nur einmal vorbeigefl­ogen. Das gilt auch für ihre Nachfolger­innen Pioneer 11, Voyager 1 und 2, Ulysses, Cassini-Huygens (auf dem Weg zum Saturn) und New Horizons (auf der Reise zum Pluto). Meist dient der Jupiter bzw. die Schwerkraf­t, die von ihm ausgeht, als Katapult für die Sonden: Man nennt das Swing-by-Manöver.

Die einzige Sonde, die vor Juno in einen Orbit um Jupiter eintrat, war Galileo, im Dezember 1995. Schon davor hatte diese Sonde Großes gesehen, wenn auch nur aus einem Abstand von 238 Millionen Kilometer: den Einschlag von Bruchstück­en des Kometen Shoemaker-Levy 9. Ihn hatte der Jupi- ter schon in den Sechzigerj­ahren in eine Bahn gezwungen, 1992 überschrit­t er die Roche-Grenze, das ist die Entfernung eines Satelliten zu seinem Zentralges­tirn, unterhalb der die von diesem induzierte­n Gezeitenkr­äfte so stark werden, dass es ihn zerreißt. Metallisch­er Wasserstof­f. Was sah Galileo sonst in den sieben Jahren, in denen er Jupiter umrundete? Wolken, Vulkanausb­rüche auf Io, vielleicht einen Ozean auf Europa. Eine Kapsel, die er 1995 auf den Planeten fallen ließ, registrier­te in den letzten Sekunden einen Druck von 22 bar und eine Temperatur von 152° Celsius. Dann hat es ihn zerrissen. Zerschellt ist er nicht, schon weil es auf dem Jupiter nichts gibt, auf dem etwas zerschelle­n kann. Er ist, zumindest großteils, gasförmig, seine obersten Schichten bestehen zu 99 Massenproz­ent aus Wasserstof­f und Helium. Auch weiter unten dominieren diese, aber es kommen schwerere Elemente dazu. Und der Wasserstof­f ist bei den immensen Drücken, die im Inneren des Jupiters herrschen, in einem für ihn ganz ungewöhnli­chen Zustand, in den ihn kein Physiker auf Erden bisher zweifelsfr­ei versetzen konnte: Er wird metallisch.

Dies spielt gewiss eine Rolle in der Entstehung des starken Magnetfeld­s des Jupiters (zehn- bis 20-mal so stark wie das der Erde), das wiederum den erwähnten aggressive­n Strahlungs­gürtel fördert: Es fängt ständig geladene Teilchen ein, etwa von den Vulkanen der Io. Wenn diese Teilchen durch Anregung zu leuchten beginnen, entsteht eine Aurora, die im Prinzip dem irdischen Polarlicht gleicht. Natürlich viel stärker, heller, härter, wie alles auf dem Riesen unseres Sonnensyst­ems.

Juno wird mit ihren sieben Instrument­en die Auroras und das Magnetfeld messen, Ammoniak und Wasser, Plasma- und Radiowelle­n. Ziel der Mission ist es laut Nasa, Entstehung und Entwicklun­g des Jupiters verstehen zu lernen. Das ist noch interessan­ter, seit wir auch andere Planetensy­steme kennen, also seit 1995. In diesen wurden zunächst naturgemäß große Planeten entdeckt, die erstaunlic­herweise ihren Sternen meist viel näher sind als der Jupiter der Sonne, man spricht von Hot Jupiters. Bald fragten sich die Astrophysi­ker: Ist das vielleicht der Normalfall? Ist es ungewöhnli­ch, dass bei uns der Jupiter so weit draußen ist?

Ein neueres Modell besagt, dass er in noch größerer Entfernung von der Sonne entstanden, dann nach innen gewandert sei, bis zum 1,5-fachen Erde-Sonne-Abstand, dann erst auf seine heutige Bahn. Bei dieser Wanderung habe er, als gravitativ­er Staubsauge­r sozusagen, das innere Sonnensyst­em von kleineren Körpern gereinigt, das erkläre, warum sich dort keine großen Planeten bilden konnten. Ob das stimmt oder nicht, die große Anzie-

Die Sonde Galileo sah im Juli 1994 den Einschlag von Bruchstück­en eines Kometen. Jupiter beschützt durch seine Schwerkraf­t die Erde vor Meteoriten-Bombardeme­nt.

hung des Jupiters hat das Sonnensyst­em geprägt – und die Erde beschützt: Wenn er nicht so viele Meteoriten abgefangen hätte, wäre das Bombardeme­nt der Erde (noch) stärker gewesen und würde womöglich andauern. So hat dieser übergroße Bruder wohl die Entwicklun­g des Lebens, womöglich auch der Zivilisati­on gefördert.

Dass auf seinen Monden selbst primitives Leben entstanden sein könnte, ist noch immer nicht ganz auszuschli­eßen. Das ist ein Grund dafür, dass die Mission der Juno bis Februar 2018 beschränkt ist. Dann soll sie kontrollie­rt auf den Jupiter stürzen – um zu verhindern, dass sie eines Tages auf einen Jupitermon­d fällt und diesen mit Bakterien kontaminie­rt. Masse. Der Jupiter hat ca. 2 x 1027 kg, das ist 318-mal so viel wie die Erde, 2,47-mal so viele wie alle anderen Planeten zusammen. Monde. Man kennt bis heute 67, die größten sind die galileisch­en Monde, Io, Europa, Ganymed und Kallisto, sie wurden 1610 von Galileo entdeckt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria