Die Presse am Sonntag

Heimmacht mit Reife und Griezmann

Frankreich wird zum dritten Mal die EM gewinnen, weil der überragend­e Antoine Griezmann die beste Mannschaft dieses Turniers anführt.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Erinnerung­en sind lebhaft, die Bilder immer noch präsent. Der 12. Juli 1998 ging als Geburtsstu­nde französisc­her Nationalhe­lden in die Geschichte ein. Im WM-Finale besiegte die E´quipe Tricolore in Paris Brasilien mit 3:0, die Namen der Hauptdarst­eller hat kein Fußballfan vergessen: Zinedine Zidane (zweifacher Torschütze), Youri Djorkaeff, Marcel Desailly, Fabien Barthez – und natürlich Didier Deschamps. Der damalige Kapitän ist nun Teamchef und Leitwolf abseits des Rasens. Der Zidane von heute heißt Antoine Griezmann, der 25-Jährige von Atletico´ Madrid verkörpert Les Bleus wie kein Zweiter. Mit sechs Treffern in sechs Spielen ist er der gefährlich­ste Angreifer dieses Turniers und somit auch wertvoller als Cristiano Ronaldo (drei Tore). Der Titel des besten Spielers ist ihm schon vor dem Endspiel gewiss. Griezmann liebt die große Bühne, bislang vermochte er auch mit dem auf ihm lastenden Druck gut umzugehen. Flankiert wird er von Könnern wie Dimitri Payet, Paul Pogba oder Olivier Giroud. Frankreich­s Nationalma­nnschaft scheint reif für den ersten großen Titel seit 16 Jahren (EM 2000). Die rasante Entwicklun­g

Frankreich hat Griezmann, Payet, Pogba, Coman: Kein Team ist besser aufgestell­t.

ist nicht zu leugnen, schon bei der WM in Brasilien vor zwei Jahren hat sich dieser Höhenflug angedeutet. Damals scheiterte das Team im Viertelfin­ale noch an Deutschlan­d (0:1), war dem späteren Weltmeiste­r aber ein ebenbürtig­er Gegner. Die Vorbereitu­ng auf das Spektakel Heim-EM wurde penibel geplant, Deschamps schreckte auch nicht vor unpopuläre­n Entscheidu­ngen zurück. So strich er Stürmersta­r Karim Benzema aus der Mannschaft, weil dieser in einen Erpressung­sskandal rund um Teamkolleg­en Mathieu Valbuena verwickelt war. Rufe nach Benzema wurden in den vergangene­n vier Wochen nie laut, Ersatzmann Giroud (drei Treffer) machte ihn kurzerhand vergessen.

Frankreich verfügt bei dieser Europameis­terschaft über den Kader mit der größten Breite, Einwechsel­spieler wie Kingsley Coman könnten auch im Endspiel gegen Portugal den Unterschie­d ausmachen. Zudem spricht der Heimvortei­l für einen finalen Erfolg von Griezmann und Co. Das Publikum im Stade de France wird Sonntagabe­nd wie ein zwölfter Mann hinter dem Gastgeber stehen. Und Frankreich wusste die Vorzüge von Spielen auf heimischem Boden in der Vergangenh­eit stets in Tore und Siege umzumünzen. Seit 18 Spielen ist man bei Großereign­issen im eigenen Land (EM 1984, WM 1998, EM 2016) ungeschlag­en.

Frankreich: Lloris; Sagna, Koscielny, Umtiti, Evra; Pogba, Matuidi; Sissoko, Griezmann, Payet; Giroud.

Newspapers in German

Newspapers from Austria