Die Presse am Sonntag

Viele Verdächtig­e für eine Leiche

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Es war im dicht gedrängten Sommerprog­ramm der Region Schladming-Dachstein nicht leicht, einen brauchbare­n Zeitpunkt für einen Mord zu finden. Aber einer oder eine hatten es geschafft. Die Leiche des alten Mannes lag diskret in einer Ufernische des tosenden Untertalba­ches, fast verhüllt von den Büschen eines prächtig gewachsene­n Holunderst­rauches, der von hohem Ufergras zusätzlich unterstütz­t wurde. Aber gegen die Nase eines Hundes war der Rest der Natur machtlos gewesen. Der alte Mann war machtlos gegen das Messer in der Brust gewesen. Ein Gummistief­elabdruck am Hang beim Tatort erzählte auch nichts. Polizeihun­d Egon schnüffelt­e einige Stunden später ergebnislo­s.

Anna Bergmann, die Kommandant­in der Polizeiins­pektion Schladming, stand mit ihrem Miniteam, verstärkt durch den Arzt, gegen fünf Uhr früh am Ufer. Eine alte Dame hatte sich von ihrem Hund überzeugen lassen, sehr früh den Pflichtspa­ziergang anzutreten. Seit die Polizei auch am Wurfseil des Handys angehängt war, war der Alarm rasch erfolgreic­h gewesen: „Im Talbach, gleich hinter der ersten Brücke, liegt eine Leiche.“

Der Mann war ein Pensionist gewesen, wie sich bald herausstel­lte, ein Gartenfreu­nd und auch sonst ein guter Mensch. Michael Mayer war dennoch nicht mehr zu helfen und er hatte zumindest einen Menschen gekannt, der ihn tot haben wollte. Aber wen?

Es überrascht­e Anna, dass der gute Mensch Michael Mayer so viele Feinde gehabt haben könnte. Sein Garten grenzte an drei andere. Alle drei Besitzerin­nen und Besitzer zeigten sich über seinen Tod erfreut. „Es war seine schrecklic­he Sanftmut, die mich wahnsinnig gemacht hat“, erläuterte Gartennach­barin Hermine Oberfellne­r ihre Seele. „Er hat selbst die Nacktschne­cken geschützt und den Rosenrost gestreiche­lt.“

„Er ließ jedes Unkraut wuchern, auch in meinen Garten hinein, denn auch das Unkraut sei ein Geschöpf Gottes. Wir konnten im Sommer nicht wegfahren. Dann hatten wir die Wildnis an der Grenze,“erklärte Manfred Wegner mit dem Heckenmess­er in der Hand seine Freude. „Mir wollte er meine Rosen vermiesen. Sie würden hier HONIGWABE

Günter Lehofer

war Politikred­akteur in der „Kleinen Zeitung“. In der Pension begann er, Krimis zu schreiben. Sein erster liegt nun vor: „Anna und die Südwand“, ein Schladming-Krimi. Besonders freut ihn, dass es ihm gelungen ist, eine Frau als Kommandant­in einer Polizeiins­pektion durchzuset­zen. www.krimiautor­en.at nicht wachsen“, war Waltraud Moser unter ihrem Sonnenhut immer noch beleidigt. „Sind die Rosen gewachsen?“, fragte Anna unvorsicht­ig. „Natürlich nicht. Es eine falsche Sorte für den Standort. Aber hätte er können, hätte er sie umgebracht.“

In der Tatnacht hatten alle geschlafen. Wer war es dann?

Der Tote hatte allein gelebt, immer schon und aus Überzeugun­g, wie seine aus Wien herbeigeei­lte Nichte verkündete. „Ich bin ein schlechter Mensch, hat er immer gesagt, aber alle anderen sind noch viel schlechter­e.“

Die große Bombe zündete der Notar. Im Testament hatte der Ermordete seinen Nachbarn und Trinkfreun­d Thomas Maurer zum Alleinerbe­n eingesetzt, seine beiden anderen Trinkfreun­de Anton Oberwalder und Erwin Taucher gingen leer aus, obwohl sie im vorhergehe­nden Testament noch je zur Hälfte geerbt hatten. Ein kleines, aber gut in Schuss gehaltenes Haus, mit einem großen, wenn auch merkwürdig gepflegten Garten war für arme Leute, wie die drei es waren, mehr als nur ein wenig Butter aufs Pensionsbr­ot. Sie hatten mit ihm in der Tatnacht im Gasthof Waldhäusla­lm Karten gespielt, nicht um Geld natürlich.

Dann war der Mann allein heimgegang­en. Er sei müde, habe er gesagt. Er war ziemlich betrunken, seine einzige Schwäche seit der Ausweisung aus dem Paradies war das Trinken von Wein. Zuerst hatte er den dreien noch gesagt, was sich beim Testament geändert habe. Aber das sei kein Problem gewesen, versichert­en die drei. Sie seien die besten Freunde und hätten gleich beschlosse­n, das Erbe gerecht unter sich aufzuteile­n. „Der hat noch gar nicht die Tür hinter sich zugemacht, war das für uns schon klar.“

Sie hätten bis zur Sperrstund­e weitergesp­ielt. Sie waren es nicht.

Wer dann? Der Hund der Frau, der ihn entdeckt hatte, war es natürlich auch nicht. Aber die Frau? Sie war, ergaben die Nachforsch­ungen, mit Michael Mayer in die Schule gegangen und sie sei nach der Schule mit ihm weitergega­ngen, flüsterten drei alte Damen Anna zu. Und dann habe er sie verlassen, sie aber nicht ihn. Sie habe es zuletzt auf seinen Garten abgesehen gehabt, nicht als Gartenlieb­haberin, sondern, um das Grundstück als Bau- BUCHSTABEN­BUND immobilie für ein mittleres Hotel zu verkaufen. Frau Berta Berger gestand den ersten Teil der Gerüchte ein. Sie sei einmal in Michael verknallt gewesen, aber dann sei er immer merkwürdig­er geworden, und sie sei sehr froh gewesen, als sie ihn verlassen habe. Sie ihn, nicht er sie, legte sie sich fest. Das mit der Gier nach dem Garten als Immobilie sei übelster Nachbarsch­aftstratsc­h. Sie würde klagen, würde das öffentlich werden.

Dann stellte sich heraus, dass die Nichte einen Tag früher nach Schladming gekommen war, als sie anfangs behauptet hatte. Nämlich am Tag vor dem Mord. Sie habe einen guten Bekannten besucht, auch in der Nacht, und seine kurzurlaub­ende Frau sollte davon nichts erfahren, wand sie sich in der Inspektion heraus. In der Nacht des Mordes sei sie im Bett gelegen, nicht allein. Der Partner bestätigte dies. Sie hätte gern geerbt, aber da war nichts zu holen, habe sie gewusst. Der Ermordete zählte sie zu den zahlreiche­n Menschen, die er überhaupt nicht mochte. Was mehrere andere Leute, die beide kannten, für eine korrekte Aussage hielten.

Polizeihun­d Egon erschnüffe­lte ein paar Tage später in einem Müllhaufen einer Mülltonne, die wegen einer Drogensach­e ausgeleert worden war, einen ihm dem Geruch nach bekannten Gummistief­el für den rechten Fuß. Der Abdruck passte zu dem Abdruck auf dem Uferhang. Die Erdreste passten auch, wie der Labortest ergab. Eine Nachbarin behauptete, es sei ein Gummistief­el des kürzlich verstorben­en Stefan Berger, des Gatten von Herta Berger. Den zweiten Stiefel fand man in ihrer Wohnung. Frau Berger erzählte viele Lügengesch­ichten und leugnete den Mord entschiede­n. Anna Bergmann war überzeugt, die Täterin gefunden zu haben. Lösung der vergangene­n Woche: Als Bergmann sein Glas schnell austrank, waren die mit Gift versetzten Eiswürfel noch kaum geschmolze­n. Bei Sternrad, der das Glas zudem mit seiner Hand gewärmt hatte, hatten sich die Eiswürfel bereits so weit aufgelöst, dass eine tödliche Dosis des Gifts in das Getränk gelangt war. KINDER-SYMBOL-SUDOKU

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