Die Presse am Sonntag

Liebesfreu­d und Liebesleid

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Die neuen Erzählunge­n von Elfriede Hammerl sind so beunruhige­nd wie tröstlich. Liebe ist für niemanden eine ausnahmslo­s erfreulich­e Angelegenh­eit. Ihrem Enkelsohn Vinzent hat Elfriede Hammerl ihren jüngsten Erzählband gewidmet. Fast so, als würde sie ihm sagen wollen: „Pass auf, wenn du einmal groß bist, die Sache mit der Liebe kann komplizier­t werden.“In den folgenden elf Geschichte­n berichtet sie von Beziehunge­n, die auf den ersten Blick makellos erscheinen, bei näherem Hinsehen aber Defizite offenbaren. In der ersten Erzählung begegnen wir Nina, die von ihrem Mann verlassen wurde und ihren zweiten Lebensmann vordergrün­dig umschwärmt, tatsächlic­h aber hinterhält­ig manipulier­t. Damit er sie endlich heiratet und ihr somit finanziell­e Absicherun­g garantiert, gaukelt sie ihm einen Verehrer vor, um ihn eifersücht­ig zu machen. Am Ende stehen die beiden vor dem Traualtar, aber ob sie deswegen glücklich sind, bleibt offen.

Ganz anders läuft das Leben bei Margret: Im Jahr eins nach dem Tschernoby­lReaktorun­fall trennt sie sich von ihrem Mann, weil die Liebe gestorben ist. Den Sohn zieht sie allein groß, die erste Zeit als Single und Alleinerzi­ehende ist hart und trist, doch heute, mit 60, blickt sie stark und selbstbewu­sst auf ihr Leben zurück, genießt die Zuneigung eines Liebhabers. Doch Elfriede Hammerl ist Meisterin des Hakenschla­gens. Nichts bleibt in diesen Texten, wie es scheint, plötzlich kann sich alles zum Guten und gleich wieder zum weniger Guten wenden. Das ist beunruhige­nd, aber auch tröstlich. Da es zeigt, dass man sich besser auf nichts verlassen sollte. Nicht auf das Glück und noch weniger auf das Unglück. awa Elfriede Hammerl: „Von Liebe und Einsamkeit“, Kremayr & Scheriau, 191 Seiten, 22 Euro.

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