Vom Glutamatkoch zum Doktoranden: Chinesen in Österreich
Die chinesische Community organisiert sich mit Vereinen, Medien und Schulen die Integration ihrer Mitglieder praktisch selbst. Doch der Mangel an Gastro-Fachkräften und die immer gebildetere Jugend stellt die Gemeinschaft vor neue Herausforderungen: Der k
Und wie funktioniert das?“, fragt eine Frau auf Chinesisch. Verzweifelt blickt sie abwechselnd auf den Ehemann neben sich und das Smartphone in ihrer Hand. „Sonnenlicht Telekommunikation“steht in großen roten Schriftzeichen auf der Außenfront des Geschäfts, vor dem das Paar versucht, das neu erstandene Gerät zu aktivieren. „IP Sun“tauften die Besitzer den Handyshop auf Deutsch. Er ist eines von 15 chinesischen Geschäftslokalen in der Kettenbrückengasse beim Wiener Naschmarkt. Von Chinesen für Chinesen, heißt die Devise. Restaurants, Greißler, Friseure, ein Reisebüro und eine Buchhandlung sollen Migranten das Leben erleichtern. Doch auch in den Nebengässchen rund um die Rechte Wienzeile blüht das Geschäft: Von Pak Choi und tiefgefrorenem Dim Sum über Deutschkurse für Chinesen bis hin zu „RegistrierkassenExperten“wird hier alles angeboten.
Jedes Jahr sperrten in dem Grätzel zwei neue China-Geschäfte auf, schätzt Wang Gan. Er war mit China Book 2004 der Zweite, der sich in der Gasse ansiedelte. Seit 23 Jahren ist der 61-Jährige Chefredakteur der „Europe Weekly“, einer von zwei chinesischen Wochen- zeitungen in Österreich. Der Historiker und Journalist kam 1990 nach Wien. Als der erste austrochinesische Verein die Zeitung 1991 gegründet habe, hätten sie noch auf A3-Bögen gedruckt und das Papier später gefaltet, erzählt Wang. Mittlerweile beliefert das Blatt mit einer Auflage von 10.000 Stück 22 Länder in Ost- und Südeuropa. Die 40 Seiten bieten außer Nachrichten aus Österreich, dem restlichen Europa und Bildungszentrum für chinesische Sprache China auch allerhand bunte Anzeigen: vom chinesischen Makler bis zum Sichuan-Pfeffer-Schnäppchen.
Vor ein paar Jahren sorgte Wang selbst für Medienrummel: Er wollte einen Torbogen am Eingang zur Gasse errichten. Kein Drachentor, betont er heute. Es sollte nur „Kettenbrückengasse“draufstehen, um Kunden anzulocken. „Ein Chinatown in Wien wäre nicht schön. Auch für unsere Beziehungen nicht“, sagt der gebürtige Pekinger. Tatsächlich ist das Wiener China-Quartier nicht mit den klar abgegrenzten Chinatowns in anderen Großstädten vergleichbar. Chinesen in Wien wohnen und arbeiten über die ganze Stadt verteilt. Zudem gibt es andere chinesisch geprägte Viertel wie in der Sechshauserstraße mit ihren Import-Export-Geschäften. Offiziell leben in Österreich 15.986 ethnische Chinesen, in etwa doppelt so viele wie 2002. Die Dunkelziffer ist aber weitaus höher. Denn in Österreich geborene Chinesen, Asylwerber und Illegale fallen nicht in die Statistik. Derzeit zählt die Community 30.000 bis 40.000 Menschen, die meisten leben in Wien. Mustermigranten. Auch Xie Feiru hält nichts von einem Chinatown. „Was sollte das? Wir würden schlechte Eigenschaften sammeln und sie den Leuten präsentieren“, sagt die Vorsitzende des Vereins chinesischer Frauen. Unzufrieden mit ihrem Chef und dem politischen Klima kam sie 1986 nach Wien. In Mistelbach baute sie sich mit ihrem Mann ein kleines Imperium auf: Sie betreiben ein Kino, eine Pension und früher ein Restaurant. Der Frauenverein ist einer von mehr als 30 ChinaVerbänden in Österreich. Der Kampf um Einfluss in der Community ist groß – ebenso wie das Gerangel um Spitzenfunktionen. Die Vorsitzenden sind Prominente, Fotos mit österreichischen und chinesischen Politikern werden wie Jagdtrophäen zur Schau gestellt. Mit verschiedenen Schwerpunkten bieten die Vereine Dienste für Austrochinesen, pflegen den Kontakt zu China und fördern die Integration. Sie sind neben Medien und Schulen ein Hauptbestandteil chinesischer Organisation im Ausland. Chinesen gelten verglichen mit anderen Einwanderern als besonders stark vernetzt. Daher gelingt es vielen, die Herausforderungen in der Fremde mit geringer staatlicher Unterstützung zu bewältigen.
Xie leitet die Geschicke des Frauenvereins seit der Gründung 2001. Ihre regelmäßigen Österreich-Touren seien immer sofort ausgebucht, erzählt die 60-Jährige. Auch Deutschunterricht, einen Chor, einen Tanzkurs und eine monatliche Beratungsstelle hat sie auf die Beine gestellt. Ursprünglich kamen vorwiegend ungebildete Chinesinnen zu ihr, denen das Selbstvertrauen fehlte, an Österreicher heranzutreten, sagt Xie. Nun seien auch beruflich erfolgreiche Frauen im Verein aktiv. Sie dienten den anderen als Vorbild. „Die Haltung unserer Frauen hat sich über die