Mit Naivität gegen die Aliens
Kaum neue Handlungselemente, naive Erklärungsmodelle: »Independence Day: Wiederkehr« enttäuscht. Immerhin ist Emmerichs Zerstörungsfuror gleich geblieben.
Wer die VHS-Erstedition von Roland Emmerichs „Independence Day“aus dem 1997 öffnet, dem fällt eine beigelegte Werbeschrift in den Schoß: Verkauft werden soll der letzte Schrei, ein Pager, mit dem man sich gegenseitig vor einer drohenden Außerirdischen-Invasion warnen könnte, so der Text. An dieser Zeitkapsel lässt sich wunderbar ablesen, wie rasant sich die digitale Technik zwischen dem ersten und dem zweiten, jetzt in unseren Kinos startendenden „Independence Day“-Film entwickelt hat.
1996, als Emmerichs Megaprojekt die bereits vom Serienphänomen „Akte X“für Alieninvasionsgeschichten sensibilisierte Welt in eine kollektive Hysterie stürzte, war die Filmindustrie gerade erst dabei, die digitale Effektwunderkammer für ihre Bombastfilme verwendbar zu machen. Das Gefühl, man könnte jetzt endlich alle erzählerischen Möglichkeiten der Schlüsselkunstform Kino ausschöpfen, war überall spürbar. Die ungläubigen Blicke, mit denen die Protagonisten etwa in Steven Spielbergs „Jurassic Park“(1993) oder eben Emmerichs patriotischem Pathosbomber auf die digitalen Saurier und Raumschiffe starren, doppeln sich in den weit aufgerissenen Augen der Kinogänger jener Ära.
Zwanzig Jahre später ist die Revolution ausgeblieben: Die technische Entwicklung der Digitaleffektkunst hat eben nicht zum filmkünstlerischen Evolutionsschub geführt, sondern ist zur Jahrmarktstrickserei verkommen, bestens zu beobachten im Vorjahreserfolgsfilm „Jurassic World“– eben nicht mehr nur ein Park, sondern eine ganze Welt – und jetzt auch in der Fortsetzung zu „Independence Day“, der den prosaischen Untertitel „Wiederkehr“trägt. In den zwanzig Jahren zwischen den Filmen hat sich viel getan: Die abgestürzten UFOs wurden nämlich von den Überlebenden ausgeschlachtet und deren überragende Technik zur Verwendung gebracht. Der Mond wurde unter Supervision des ehemaligen Fernsehtechnikers David Levinson (Jeff Goldblum) zur Verteidigungsstation hochgerüstet, feuerbereite Satelliten kreisen in der Erdumlaufbahn, bereit, jedweden fremdplanetigen Aggressor zurück ins All zu schießen.
Es gibt durchaus einen guten Grund für diese Offensive: Kurz vor ihrer Vernichtung haben die Außerirdischen noch einen Hilferuf gen Heimat geschickt. Es ist demnach keine Frage, ob eine neue Armada unterwegs ist, sondern nur, wann sie eintreffen wird. Emmerichs Kinovisionen entspringen einem naiven Weltempfinden: Der Außerirdischenangriff führt bei ihm zu einem globalen Schulterschluss, zu einer Befriedung sämtlicher Konfliktzonen, Kriegsgebiete und Krisenherde, auf dass man diesem neuen Feind gemeinsam entgegentreten kann.
Junge Recken wie Jake (Liam Hemsworth), Pilot bei der Earth Space Defence (ESD), und Dylan (Jessie Usher), Sohn des umgekommenen WillSmith-Charakters aus dem ersten Film, sind vorbereitet. Der damalige Präsident, Whitmore (erneut Bill Pullman), hingegen befindet sich seit dem 4. Juli 1996 im mentalen Ausnahmezustand, nicht zuletzt, da er eine telepathische Verbindung zu den Wesen aufgebaut hat, die ihm immer wieder grausige Visionen durch den Kopf jagt. Telepathischer Kontakt. In seiner Grundanlage ist „Independence Day: Wiederkehr“dem Originalfilm zum Verwechseln ähnlich. Genau wie schon „Jurassic World“ist auch Emmerichs Film nur die Neufassung eines Erfolgskonzepts: Das ist bemerkenswert, weil sich der Schwabe viele Jahre lang gegen eine Fortsetzung ausgesprochen hat, sofern sie nicht eine grundlegend andere Geschichte zu erzählen hätte. Die tatsächlich neuen Handlungselemente dieser aufgewärmten Brühe sprechen allerdings nicht für Sprühfunken beim Drehbuchschreiben: Der telepathische Kontakt zu den Außerirdischen, der nicht nur Präsident Whitmore, sondern auch einen afrikanischen Warlord quält, bleibt oberflächliches, nie wirklich ausgeschöpftes Gimmick und wirkt darin wie eine von Erich von Dänikens Pseudotheorien zur Präastronautik, irgendwie liebenswert, aber auch ziemlich peinlich.
Noch schlimmer wird’s, wenn eine zweite Alienrasse in Gestalt einer weiß glänzenden Kugel auf der Leinwand er- scheint: Sie sieht aus wie eine verworfene Idee aus dem Apple-Designlabor, ist aber immerhin mit virtueller Intelligenz ausgestattet und gerade dabei, eine interplanetare Allianz zu formen, um den kriegerischen Außerirdischen das Spiel zu verderben. Stehsätze. Hat man all das verdaut, ist man immer noch mit einer der unglücklichsten homosexuellen Figuren der jüngeren Filmgeschichte konfrontiert: Der exaltierte alt-68er Dr. Okun darf nach dem Erwachen aus seinem zwanzigjährigen Koma nur einige kurze Gefühlsausbrüche ohne Lippenkontakt mit seinem langjährigen Lebensgefährten absolvieren, während das klassische Liebesglück weiterhin im streng heterosexuellen Konzept „strammer junger Mann trifft leidenschaftliche junge Frau“verortet wird: Selbst der verhaltensauffällige David Levinson turtelt irgendwann mit der spektakulär fehlbesetzten ArthouseMuse Charlotte Gainsbourg herum.
Sei’s drum, immerhin Emmerichs Zerstörungsfuror ist gleich geblieben: Wie im Original orientiert sich der deutsche Regisseur auch in „Wiederkehr“an der schleichenden Entgleisungsdramaturgie des US-Katastrophenfilms aus den Siebzigerjahren. Soll heißen, der Untergang kündet sich
Die technische Entwicklung hat nicht zu einem künstlerischen Schub geführt. Emmerichs ohnehin mechanistisches Kino erscheint hier noch entseelter.
mehrfach an und webt das Schauspielerensemble in ein atmosphärisches Netz ein. Das größte Problem dabei ist, dass das grundsätzlich schon mechanistische Emmerich-Kino hier noch weitaus entseelter erscheint. Die Originalfiguren klappern eine Variation aus Stehsätzen ab, Jeff Goldblums im Original noch hintersinnig humoriger Techniker stößt nur noch knackige Einzeiler aus, ganz so, als hätte man es mit einem Fanfilm aus dem Amateursegment zu tun. Und wenn dann ganze Städte zu fliegen beginnen und dabei vermutlich Millionen Menschen sterben, sitzt man unberührt in seinem Kinosessel und fragt sich, wer so eine „Wiederkehr“überhaupt wollte – und natürlich auch, was mit den ganzen Pagern von damals geschehen ist.