»Credo«? Woran haben große Komponisten wirklich geglaubt?
Wie jedes Jahr beginnen die Salzburger Festspiele mit der sogenannten »Ouverture spirituelle«. Bei dieser Gelegenheit erklingen wieder Oratorien und Messvertonungen aus drei Jahrhunderten. Grund genug, den großen Meistern die Gretchenfrage zu stellen: Wie
Mit der „Schöpfung“von Joseph Haydn heben – das hat mittlerweile schon Tradition – am 22. Juli die Salzburger Festspiele an. Eine „geistliche Ouvertüre“zum Festival konfrontiert einschlägige Werke der bedeutendsten Komponisten aus Barock, Klassik, Romantik und Moderne mit religiöser Musik aus anderen Kulturen. In Zeiten, in denen gern Leben und Werk großer Meister in Beziehung gebracht werden, kann die Frage angesichts himmelstürmender Lobgesänge und feierlicher Friedensbitten nicht ausbleiben: Woran haben die Komponisten wirklich geglaubt?
Vor dem Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu finden, sollte man ein wenig ausholen: Festspiel-Mitbegründer Richard Strauss musste ja beispielsweise niemandem den Kopf abschlagen lassen und auch nicht seine Mutter töten, um „Salome“und „Elektra“kongenial in Musik setzen zu können.
Könnte also einer, der sein Handwerk beherrscht, als Kirchenmusiker – etwa am erzbischöflichen Hof zu Salzburg – reüssieren, ohne gläubig zu sein? Musste Mozart an die Menschwerdung Gottes glauben, wenn er das „Et incarnatus est“besonders innig in Musik setzte? Und kam, wie es ein paar Jahrzehnte früher der Leipziger Rat formuliert hätte, seine Musik nicht „gar zu opernhafftig heraus“?
Bach musste sich diesen Vorwurf gefallen lassen; und doch halten nicht erst wir Heutigen gerade seine Schöpfungen für den tönenden Inbegriff echter Glaubensfestigkeit. Selbst Friedrich Nietzsche schrieb nach Aufführungen der „Matthäuspassion“: „Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium.“Eineinhalb Jahrzehnte danach entstand „Also sprach Zarathustra“und noch einmal zehn Jahre später „Der Antichrist“; beides Inspirationsquellen für Richard Strauss, der freilich deklarierter Atheist war.
Am anderen Ende der Skala steht Anton Bruckner, aus dessen weltlichem Schaffen die geistliche Komponente nicht wegzudiskutieren ist – auch wenn ausgerechnet in der „dem lieben Gott“gewidmeten Neunten Symphonie Wagners leidenschaftlichirdische „Tristan“-Harmonien fröhliche Urständ feiern.
Mit diesen wollte Meister Bruckner dann auch nicht vor seinen Schöpfer hintreten. In seiner unnachahmlich naiven Bildersprache schilderte er Freunden vielmehr, wie er die Notenrolle seines „Te Deums“am Tag des Jüngsten Gerichts vorzeigen würde, wenn er an die Reihe käme: „Dann werd’ i schon durchrutschen.“
»Wer das Christentum völlig verlernt hat, hört es hier wirklich wie ein Evangelium.«
Offene Fragen im Gotteslob. Angesichts der affirmativen Glaubensgewissheit, die aus den C-Dur-Akkorden dieses Werks spricht, hegt man keinen Zweifel daran, dass dem Meister die Passage ins Himmelreich dereinst glücken wird. Bruckners „In te, Domine, speravi; Non confundar in aeternum“duldet keinen Widerspruch.
Ganz anders die Vertonung desselben Textes durch Giuseppe Verdi: In dessen „Te Deum“folgen den effektvollen Fortissimi des Chors zarte, zerbrechliche Töne eines einsamen Solo-Soprans: Der Mensch steht ja offenbar doch allein mit all seinen Fragen und Problemen.
Wie sicher, wie überzeugt klingen hingegen die gewaltigen Orchesterschläge in Verdis großem „Credo“, in dem es freilich um den „Dio crudel“ geht, den grausamen Gott, der ein Leben beherrscht, an dessen Ende „der Tod und das Nichts“stehen:
Dieses „Credo des Jago“aus dem „Otello“ist eine der stärksten musikalischen Beschwörungen des Nihilismus; Seite an Seite mit der Höllenfahrt von Mozarts „Don Giovanni“.
Spötter meinen, nie seien diese beiden geborenen Opernmeister so überzeugend wie in diesen existenziellen Manifestationen der finstersten Seelenmächte.
Und doch: Anrührend vermögen sie beide auch Augenblicke erhabener menschlicher Regungen zu