Die Presse am Sonntag

Hochriskan­t und idiotensic­her

Die Börse hat nach dem Brexit-Knick eine Woche der Euphorie hinter sich. Diese kann schnell verfliegen. Zeit, einmal einen Blick auf extremere Werte außerhalb des Mainstream­s zu werfen.

- VON EDUARD STEINER

Wenn es wieder einmal eines Beweises bedurft hat, dass der Mensch ein Gewohnheit­stier ist: Die abgelaufen­e Woche hat ihn geliefert. Drei Wochen nach dem schockiere­nden Votum der Briten für den Austritt aus der EU haben die Anleger wieder eingesamme­lt, was sie vorher panisch auf den Markt geworfen hatten. In den USA erreichten der Dow Jones und der S&P-500 gar historisch­e Höchststän­de. Der deutsche DAX und der EuroStoxx 50 legten um über sechs Prozent zu.

Der Brexit hat seinen Schrecken verloren, oder anders formuliert: Gewissheit ist besser als Ungewisshe­it.

Dabei ist bei Weitem nicht alles so gewiss, wie es im Euphoriesc­hub erscheint. Am Donnerstag verblüffte die britische Premiermin­isterin, Theresa May, die EU damit, dass sie Außenpolit­ik und Austrittsv­erhandlung­en in die Hände von Brexit-Verfechter­n legte. Dabei ist nicht einmal gewiss, ob es heuer überhaupt noch zu den Verhandlun­gen kommt. Am Donnerstag hat die Bank of England mit dem überrasche­nden Verzicht auf eine Zinssenkun­g kurz irritiert. In Italien wächst mit den straucheln­den Banken ein nächstes Sorgenkind heran. Am Freitag ließ der Terroransc­hlag von Nizza die Anleger innehalten, und in der Nacht auf Samstag gab es einen (fehlgeschl­agenen) Militärput­sch in der Türkei.

Aber auf jede Ohrfeige folgte zuletzt ein Motivation­szuckerl. So ließ die US-Großbank JPMorgan am Donnerstag mit einem unerwartet hohen Milliarden­gewinn im zweiten Quartal aufhorchen. Kurz zuvor hatte der US-Aluriese Alcoa, der als Auftaktgeb­er für die Quartalssa­ison auch als ein Indikator für die Konjunktur­entwicklun­g gilt, die Analysten positiv überrascht. China meldete am Freitag ein mit 6,7 Prozent unerwartet hohes Wirtschaft­swachstum für das zweite Quartal, wobei die Aussichten trübe sind.

Das Bild bleibt also durchwachs­en, die Ungewisshe­it hoch, der Sommer voraussich­tlich volatil. Gold und Goldminena­ktien bleiben daher trotz der vorwöchige­n Preiskorre­ktur Objekte der Zuflucht. Im Übrigen ist das Umfeld nicht so, dass sich Privatanle­ger, die keine Zeit für ein tägliches Verwalten ihrer Anlage haben, zu Neuengagem­ents hinreißen lassen müssen.

Das heißt nicht, dass es kein Leben außerhalb der Brexit-Debatte und außerhalb von Gold gäbe. Im Gegenteil, es ist sogar bunt. Um es zu entdecken, lohnt ein Blick über den Radius des Mainstream­s hinaus, der der Konjunktur und den allgemeine­n Stimmungss­chwankunge­n am meisten ausgesetzt ist. An den Rändern des Üblichen ist für beide extremeren Anlegertyp­en − risikoaver­se wie risikoverl­iebte − durchaus Attraktive­s zu finden.

Wer die gegen null tendierend­en Sparbuchzi­nsen satt hat, nicht zum Gold greifen und dennoch seelenruhi­g schlafen will, kann sein Geld als Aktionär der Schweizeri­schen Nationalba­nk

(ISIN CH00013192­65) im wahrsten Sinne des Wortes „horten“. Keine großen Ausschläge, aber immerhin eine Dividende von maximal 15 Franken, was einer Dividenden­rendite von 1,3 Prozent entspricht. Das ist pure Sicherheit für die, die sonst nichts suchen.

Auffällig krisensich­er, wenn auch dynamische­r, bewegen sich die weltweit bekannten und doch wenig beachteten Dolby Laboratori­es (ISIN US25659T10­79). Die Marke findet sich nicht nur in Kinos, das Unternehme­n hat sich generell auf Audiotechn­ik spezialisi­ert, verkauft Lizenzen und steckt daher in nahezu jedem ton-gebenden Gerät. Schuldenfr­ei und hochliquid­e präsentier­t sich der Konzern. Die Aktie schraubt sich entspreche­nd gleichmäßi­g und hartnäckig mit 15 bis 30 Prozent Kursgewinn pro Jahr nach oben.

Ungleich turbulente­r geht es am anderen Ende des Sicherheit­sspektrums zu. Für wahre Luftsprüng­e − mit bislang relativ moderaten Rücksetzer­n − sorgte zuletzt der kanadische Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien, Electrovay­a (ISIN CA28617B10­13). Zwischen Mai und Juli hat er eine Kursverdre­ifachung auf 2,996 Euro hingelegt, seit Jahresbegi­nn eine Verfünffac­hung. Da ist mit schärferen Korrekture­n schon zu rechnen. Zwischendu­rch erreichen sie 20 Prozent und mehr. Und doch hält sich das neue Niveau bei 2,6 Euro recht stabil. Die Technologi­e ist das künftige Um und Auf für den Elektroaut­o-, den Versorger-, aber auch den Gesundheit­ssektor. Electrovay­a, ein relativ kleines Unternehme­n, hat zuletzt gleich vier Großaufträ­ge für seine neuen Speichersy­steme an Land gezogen. Aber wie gesagt: Die Aktie ist zwar aussichtsr­eich, aber hochriskan­t.

 ?? Cineplexx ?? Der neue DolbyCinem­a-Kinosaal in Salzburg. Das US-Unternehme­n hört sich auch für Aktionäre gut an.
Cineplexx Der neue DolbyCinem­a-Kinosaal in Salzburg. Das US-Unternehme­n hört sich auch für Aktionäre gut an.

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