Die Presse am Sonntag

»Man konnte nicht einmal zum

Sefariye Ek¸sis Mann wurde nach dem Putsch gefoltert und erlag seinen Verletzung­en. Sie floh nach Deutschlan­d.

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Der 12. September 1980 war der 45. Tag ihrer Ehe. In den Morgenstun­den stürmten Soldaten die Wohnung von Ekrem und Sefariye Eksi.¸ Sie waren beide Studenten, aber Ekrem war an der Technische­n Universitä­t Istanbul auch Studentenv­ertreter, ein Aktivist, der auf der schwarzen Liste der Militärs stand. „Die Armee“, sagt Sefariye Eksi,¸ „hat genau gewusst, wer wo aktiv ist. Sie haben sich vorbereite­t.“

Über einen Monat lang verbrachte Ekrem in Polizeigew­ahrsam. Er wurde gefoltert, vermutete die Familie, und als er später schwer verletzt in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt wurde, sahen sich seine Angehörige­n in ihrer Vermutung bestätigt. Im Spital erlag Ekrem Eksi¸ seinen Verletzung­en. „Die Polizei sagte, er sei die Treppen hinunterge­fallen. Wie haben sie angezeigt, und sie haben sechs Monate bekom- men. Wegen Verletzung der Aufsichtsp­flicht.“Ob die Beamten tatsächlic­h ins Gefängnis mussten – das weiß Sefariye Eksi¸ bis heute nicht.

Als die Soldaten ihren Mann abholten, war sie nicht zu Hause. Sie saß selbst in U-Haft, denn bei einer Kontrolle waren Broschüren der Gewerkscha­ft in ihrer Tasche entdeckt worden. Eksi¸ erfuhr Gewalt und Erniedrigu­ng. Fünf Jahre nach dem Coup verließ sie schließlic­h die Türkei, „es war mir nicht möglich“, sagt Eksi,¸ „dort ein normales Leben zu führen. Man konnte nicht einmal zum Friedhof gehen.“Heute lebt die Finanzbuch­halterin in Köln. In Deutschlan­d fand Eksi¸ eine solidarisc­he Atmosphäre vor: Institutio­nen und Zivilgesel­lschaft verurteilt­en den Putsch, unterstütz­ten die politische­n Flüchtling­e.

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