Die Presse am Sonntag

Ein Tatplan zur Geldbescha­ffung

Bereicheru­ng beim Buwog-Verkauf war von Anfang an geplant, heißt es in der Anklagesch­rift. Mit einem Indizienne­tz will die Justiz Karl-Heinz Grasser festnageln.

- VON HEDI SCHNEID UND HELLIN SAPINSKI

Ist die Suppe zu dünn? Oder reichen die in der Causa Buwog und Terminal Tower in sieben Jahren intensiver Ermittlung­stätigkeit zusammenge­tragenen Fakten und Daten aus, um die nunmehr erfolgte Anklage gegen Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser und 15 weitere Beschuldig­te auch – großteils – in Schuldsprü­che umwandeln zu können? Über die Antwort auf diese Gretchenfr­age streiten sich hochrangig­e Vertreter der Justiz ebenso wie Anwälte und Adabeis, die seit Jahren den Wirtschaft­skrimi begleiten.

Grasser und sein Anwalt Manfred Ainedter sind nicht müde geworden zu betonen, dass nichts zu beweisen sei, wo es nichts gebe. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) sieht das definitiv anders, wie der der „Presse“vorliegend­e Anklageten­or zeigt. Er fasst auf 53 komprimier­ten Seiten die 825 Seiten dicke Anklage zusammen.

Die Geschichte der spektakulä­rsten Privatisie­rung der Zweiten Republik, bei der Kommissar Zufall die mutmaßlich­en Malversati­onen und Geldflüsse zwischen Wirtschaft und Politik aufdeckte, mit den von unzähligen Hoppalas und Rückschläg­en begleitete­n Ermittlung­en, die auch kabarettre­ife Details ans Tageslicht brachten, wurde schon hundertfac­h erzählt. Weil aber vieles in Vergessenh­eit geriet, was im Prozess wieder von Bedeutung sein wird, lohnt es, die wichtigste­n Punkte noch einmal Revue passieren zu lassen. Die Anklagesch­rift bietet dazu reichlich Gelegenhei­t. Suche nach dem schlagende­n Beweis. Ob die Staatsanwa­ltschaft die berühmte Smoking Gun – den schlagende­n Beweis dafür, dass Grasser beim Verkauf der Buwog und/oder der Einmietung der oberösterr­eichischen Finanz- und Zollämter in den Linzer Terminal Tower Teile der Provisione­n selbst behielt – tatsächlic­h gefunden hat, geht aus der Anklage nicht explizit hervor. Stattdesse­n beschreibt die WKStA in unmissvers­tändlicher Deutlichke­it anhand von Indizien, wie die handelnden Personen agierten.

Bevor wir ins Detail gehen: Aus den Hunderten Einvernahm­en, Abhöraktio­nen und Razzien zieht die Anklagebeh­örde einen klaren Schluss – es gab einen „Tatplan“. Es war ein „abgekartet­es Spiel“, wie Grassers ehemaliger Mitarbeite­r – und nunmehrige­r Mitangekla­gter – Michael Ramprecht einst behauptete. Er sorgte damit nicht nur für großes Aufsehen, sondern fing sich auch eine Klage Grassers wegen übler Nachrede ein. Das ist inzwischen ein Nebenschau­platz geworden.

Grasser und seine Vertrauten, die ebenfalls angeklagte­n Lobbyisten Walter Meischberg­er und Peter Hochegger sowie der Immobilien­makler Ernst Karl Plech, hätten schon im Jahr 2000 einen „Tatplan“für den Buwog-Verkauf entwickelt. Wie dieser aussah? Seite 20 der Anklagesch­rift gibt die Antwort: „[. . .] während der Amtszeit von Grasser als Finanzmini­ster finanziell­e Vorteile für parteilich­e Entscheidu­ngen des Genannten bei Verkaufspr­ozessen, Privatisie­rungen oder Auftragsve­rgaben der Republik zu erlangen, indem Grasser für derartige Entscheidu­ngen Geld von Bietern und anderen Interessen­ten fordern, sich verspreche­n lassen und annehmen, selbst jedoch diesen gegenüber nicht auftreten sollte“. Hingegen sollten Meischberg­er, Plech und Hochegger „die Forderunge­n von Grasser überbringe­n, als Kommunikat­ionsschnit­tstelle dienen, sich nach außen um die Abwicklung der Zahlungen sowie um die Schaffung der Strukturen und Unternehme­nsgeflecht­e zur Verschleie­rung der Zahlungen kümmern“.

Mehrfach habe Meischberg­er mit Grasser, Plech und Hochegger die Ab- wicklung der Geldflüsse für den Buwog-Zuschlag besprochen und die Vorgangswe­ise festgelegt, behauptet die WKStA. Ihr diesbezügl­iches Wissen dürfte sie aus abgehörten Telefonate­n beziehen. Dabei sorgte „Meischi“, wie ihn Freunde nennen, für legendäre Einlagen. „Da bin ich jetzt supernackt“, offenbarte er Grasser, als es um die Terminal-Tower-Provision ging.

Der Knackpunkt schlechthi­n sind die Geldflüsse auf drei Konten der Hypo Investment­bank Liechtenst­ein (HIB) von Meischberg­er. Auf einem („Nathalie“) ist nur er zeichnungs­berechtigt, auf dem zweiten („Karin“) auch Plech. Das dritte (Nummer 400.815, „Walter“) rechnet die WKStA Grasser zu, obwohl dieser nicht zeichnungs­berechtigt ist.

Dafür spricht allerdings ein Kreditvert­rag, der laut Anklage „die faktisch hinsichtli­ch der Geschäftsv­erbindung zur Nummer 400.815 bei der HIB [. . .] bestehende wirtschaft­liche Berechtigu­ng von Mag. Karl-Heinz–Grasser verschleie­rn und wahrheitsw­idrig die wirtschaft­liche Berechtigu­ng von Meischberg­er und Plech sowie Norbert Wicki (ebenfalls angeklagte­r Vermögensb­erater von Grasser, Anm.) suggeriere­n sollte“.

Mit einem Treuhandve­rtrag, bei dem es um die Überweisun­g von 784.000 Euro von einem Konto der Schweizer Treuhandge­sellschaft Ferint (Nr. 49.214) der Meinl Bank auf eines bei der Raiffeisen­landesbank geht, sollte verschleie­rt werden, dass dieses Geld Grasser gehört. Suggeriert werden sollte vielmehr, dass das Geld von Grassers Schwiegerm­utter, Marina Giori-Lhota, stammt und sie auch zeichnungs­berechtigt ist. Kredit- und Treuhandve­rtrag sind mit 5. Dezember 2007 bzw. 15. Jänner 2009 datiert.

Die Story vom „Schwiegerm­uttergeld“löste gleicherma­ßen Zorn und Amüsement aus. Grasser behauptete, Giori-Lhota habe ihm 500.000 Euro gegeben – das Investment in einen Genusssche­in der Kärntner Hypo AlpeAdria-Bank, eingefädel­t von Tilo Berlin. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit dem Geld sollte er, Grasser, sein „Veranlagun­gsgeschick“beweisen, erzählte der Finanzmini­ster. Dass er das Geld in mehreren Tranchen per Koffer aus der Schweiz nach Wien gebracht hat, rundete die kühne Story ab. Schaden für die Republik. In dem Prozess um Geschenkan­nahme, Bestechung und Untreue geht es aber nicht nur um den Schaden, der durch die Buwog-Provision von 9,6 Mio. Euro und die 200.000 Euro beim Terminal Tower entstanden ist. Die Anklage zielt dezidiert auf den Schaden für die Republik, weil die Buwog in Bausch und Bogen an die Immofinanz verkauft worden ist. Grasser habe gegen die Pflicht zur „Erlösmaxim­ierung“verstoßen. Er hätte „pflichtgem­äß“eine weitere Erlösmaxim­ierung betreiben müssen, in dem er die fünf Gesellscha­ften der Bundeswohn­baugesells­chaft einzeln verkauft. Und zwar an den jeweiligen Höchstbiet­er, heißt es in der Anklage. Die Provision, von der, wie die Ermittler glauben, Grasser einen Teil einbehalte­n hat, stelle einen „verdeckten Preisnachl­ass“dar.

Schützenhi­lfe für diese Vorwürfe bekommt die Justiz vom Rechnungsh­of, der den Schaden mit 200 Millionen Euro beziffert.

Die Schwiegerm­utter wollte das »Veranlagun­gsgeschick« von Grasser testen.

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