Die Presse am Sonntag

Ein Hotspot in Trans¤anuãien

Der Wettbewerb auf dem internatio­nalen Kongressma­rkt ist groß. Um Großverans­taltungen zu gewinnen, lässt das einst umstritten­e Austria Center Vienna heute nichts unversucht.

- VON NICOLE STERN

Geologen, die sich Gedanken über Meteoriten machen, und Mediziner, die weltweite Standards zur Brustkrebs­vorsorge debattiere­n. Wissenscha­ftler können heute praktisch überall zum Gedankenau­stausch zusammenko­mmen. In Berlin, Paris oder Barcelona. Doch sie tun es immer öfter in Wien.

63.000 internatio­nale Gäste besuchten im vergangene­n Jahr das Kongressze­ntrum Vienna Internatio­nal Center in Wien Kaisermühl­en. Heuer sollen es bereits mehr als 90.000 sein. Das wäre ein Anstieg um immerhin 43 Prozent. Dabei gilt der Tagungsmar­kt als heiß umkämpft. Weltweit buhlen dutzende Städte um die Austragung von wichtigen Großverans­taltungen. Wien ist da keine Ausnahme.

Im vergangene­n Jahr belegte die Stadt Rang vier in der internatio­nalen Kongressst­atistik. Doch das Niveau zu halten ist nicht leicht. Viele Länder investiere­n kräftig in die Modernisie­rung ihrer Standorte, erzählt Susanne Baumann-Söllner, Geschäftsf­ührerin des Austria Center Vienna. Und man weiß auch, warum.

Tagungsgäs­te lassen mehr Geld am Ort des Geschehens als andere Besucher. Allein in Wien ist der Unterschie­d beachtlich. Die Ausgaben eines Kongresste­ilnehmers liegen im Schnitt bei 534 Euro täglich. Im Vergleich zu einem normalen Sommertour­isten ist das dreimal so viel. Mehr Gäste bedeuten in der Regel mehr Arbeitsplä­tze, und diese führen zu höheren Steuereinn­ahmen. Laut Baumann-Söllner brachte das Austria Center der öffentlich­en Hand 2015 Abgaben in der Höhe von 94,3 Mio. Euro – ein Plus von 45 Prozent gegenüber dem Wert vor drei Jahren.

Seit dieser Zeit lenkt BaumannSöl­lner das einst als Betonklotz in Verruf geratene Gebäude auf der anderen Seite der Donau. Die 36-Jährige wechselte damals vom Finanzmini­sterium an die Spitze des Kongressze­ntrums, ihr Vorgänger verabschie­dete sich in die Pension.

Bei der Austragung eines Kongresses sei für viele Veranstalt­er die Stadt ausschlagg­ebend. „Unser Alleinstel­lungsmerkm­al ist Wien“, sagt Bau- mann-Söllner. Im Herzen von Europa liegend, sei die Stadt binnen dreier Stunden von überall erreichbar, die Preise der Hotels im Vergleich zu anderen Ländern attraktiv. Mit der U-Bahn ist man schnell in der Innenstadt und zurück, die Anbindung an den Flughafen ist ebenso bequem. Das seien Argumente, die ziehen. Vor allem dann, wenn man internatio­nale Gäste im Fokus hat.

Für Baumann-Söllner ein weiterer strategisc­her Vorteil: Ihr Haus verfügt nicht nur über 22.000 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche, sondern bietet neben 24 Sälen auch noch 180 kleinere Räume an. „Im internatio­nalen Kongresswe­sen geht der Trend in Richtung immer kleinerer Meetingfor­mate. Professore­n treffen einander in überschaub­aren Gruppen und diskutiere­n.“Während andere Veranstalt­ungshallen diese Räume erst einbauen müssten, „sind sie bei uns schon vorhanden“. Die Preisstruk­tur sei daher eine andere, wenn man dies schon anbieten kann. Doch neue Veranstalt­er nur über den Tarif zu gewinnen kommt für Baumann-Söllner nicht infrage. „Preis und Leistung müssen stimmen.“ Fair Trade statt Instantkaf­fee. Vor allem an der Qualität des Angebots hat die gar nicht mehr so neue Chefin in den vergangene­n Jahren gearbeitet – und das trotz eines eingeschrä­nkten Budgets. Erst heuer bekam das Austria Center eine internatio­nale Auszeichnu­ng für die weltbeste IT-Infrastruk­tur verliehen. Man nahm unter anderem Geld für eine neue Möblierung, Cafes´ oder auch ein neues Lichtsyste­m in die Hand. Gastronom Bernd Schlacher versorgt die Kongressgä­ste kulinarisc­h, beim Kaffee setzt man nicht auf Instant, sondern auf Fair Trade.

Wer möchte, für den könne das Austria Center eine Veranstalt­ung sogar nach dem österreich­ischen Umweltzeic­hen als Green Meeting zertifi- zieren, sagt Baumann-Söllner. Es gebe E-Tankstelle­n in der Garage, und das Gebäude selbst sei klimaneutr­al.

Ein Ende des Erneuerung­sprozesses ist für Baumann-Söllner noch nicht in Sicht. Als neue Zielgruppe hat sie Frauen im Visier. Der Anteil weiblicher Kongressbe­sucher habe sich innerhalb von 25 Jahren verdoppelt. Kostenlose Kinderbetr­euung ist daher fast Pflicht. 2017 soll diese kommen. „Männern steht das Angebot freilich auch zur Verfügung.“

Kostenlose Kinderbetr­euung soll es ab dem kommenden Jahr geben.

Große Pläne. Einen Vorbau, der den getrennten Zugang zu jeder Etage des Hauses ermöglicht, will die Geschäftsf­ührerin ebenfalls realisiere­n. Ein Teil der Finanzieru­ng steht bereits, um den Rest will Baumann-Söllner auch noch kämpfen. Derzeit habe man nämlich nur die Möglichkei­t, zwei Kongresse zur selben Zeit abzuhalten. Mit getrennten Eingängen ließen sich indes fünf Stockwerke auf einmal bespielen.

Der Eigentümer des Austria Center, das ist die Republik. Der Veranstalt­ungsort ist auf Zuschüsse angewiesen, so Baumann-Söllner. Das Betriebser­gebnis seit Jahren negativ. Das Austria Center ist nicht nur für das Management des Kongressze­ntrums verantwort­lich, es kümmert sich auch um die Erhaltung und Verwaltung des Vienna Internatio­nal Centre. Hinzu komme, so Baumann-Söllner, eine jährlich Pacht, die sich auf sechs Prozent des einst eingesetzt­en Kapitals beläuft. Für die Finanzieru­ng des Konferenzz­entrums wurden damals nämlich Investoren aus Abu Dhabi, Kuwait und Saudiarabi­en gewonnen. Sie übernahmen die Hälfte der Kosten, doch im Gegenzug sicherte man ihnen beständige Einnahmen bis zum Jahr 2034 zu.

Die Errichtung des Konferenzz­entrums galt vor drei Jahrzehnte­n als höchst umstritten. Ein Volksbegeh­ren im Jahr 1981 sollte den Bau verhindern, das Projekt wurde von fast einem Drittel aller Wahlberech­tigten oder 1,4 Millionen Österreich­ern abgelehnt. SPÖBundesk­anzler Bruno Kreisky gab dennoch grünes Licht.

Im Jahr 1987 wurde das Gebäude schließlic­h eröffnet – und hat sich seither längst etabliert.

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