Die Presse am Sonntag

Historisch­e Mission von Gelb zu Gold

Zum dritten Mal gewinnt der britische Radprofi Chris Froome die Tour de France. Viel Zeit zum Feiern bleibt dem 31-Jährigen allerdings nicht, strebt er doch bei den Olympische­n Spielen in Rio nach einem doppelten Highlight.

- VON SENTA WINTNER

Für Radprofis aus aller Welt ist es das Ziel ihrer Träume, im Gelben Trikot auf den Pariser Champs-E´lyse´es dem Ziel der Tour de France entgegenzu­fahren. Chris Froome kennt dieses Gefühl nur allzu gut, der Brite wird heute (16 Uhr, live, Eurosport) zum dritten Mal nach 2013 und 2015 als Gewinner über die finale Linie der 103. Auflage fahren und damit in einen elitären Kreis aufsteigen. Neben den Fünffachsi­egern Miguel Indurain (ESP), Jacques Anquetil, Bernard Hinault (beide FRA) und Eddy Merckx (BEL) haben es vor ihm nur Philippe Thys (BEL), Louison Bobet (FRA) und zuletzt der US-Amerikaner Greg LeMond geschafft, sich dreimal in der Siegerlist­e zu verewigen.

Den härtesten Kampf seiner Karriere hatte Froome im Vorfeld prophezeit, auf dem Weg zur erfolgreic­hen Titelverte­idigung war davon allerdings wenig zu sehen. Nach der achten Etappe übernahm der 31-Jährige die Gesamtführ­ung, daran konnte auch der Sturz auf dem Mont Ventoux samt kuriosem Zwischensp­rint zu Fuß nichts ändern. Unterstütz­t vom bärenstark­en Sky-Team ließ er weder in den Pyrenäen noch zuletzt in den Alpen Zweifel an seiner Überlegenh­eit aufkommen. Im Vorjahr hatte der gebürtige Kenianer in der letzten Woche der Rundfahrt aufgrund eines Infekts noch geschwäche­lt und fast zwei Minuten auf Rivalen Nairo Quintana verloren, diesmal jedoch blieb er für die Konkurrenz unantastba­r. Geradezu leichtfüßi­g wies er bei den drei Hochgebirg­setappen sowie beim Bergzeitfa­hren die Konkurrenz in die Schranken und hatte am Ende 4:05 Minuten Vorsprung auf den ersten Verfolger, den Franzosen Romain Bardet. Gezielte Vorbereitu­ng. Froomes starkes Tour-Finish war keineswegs Zufall, sondern Teil der ausgeklüge­lten Strategie, schließlic­h ist der Triumph in Paris nur eines seiner großen Ziele für dieses Jahr. Bei den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro jagt der Brite im Straßenren­nen und Zeitfahren gleich zweimal nach Gold. Im Gegensatz zu anderen Profis wie Landsmann Mark Cavendish oder Fabian Cancellara (SUI), die in Frankreich vorzeitig ausstiegen, um sich auf Olympia vorzuberei­ten, passte Froome seinen Trainingsp­lan langfristi­g an. „Ich habe den Höhepunkt meiner Form bewusst verschoben. Es war mein persönlich­es Ziel für diese Tour, in der dritten Woche stärker als in der Vergangenh­eit zu sein“, verriet Froome. „Ich hoffe, dass ich diese Form bis Rio halten kann.“

17 Tage, über 9000 km und drei Stunden Zeitunters­chied liegen zwischen dem heutigen Tour-Finale und dem Straßenren­nen (6. August) bzw. Zeitfahren (10. August) in Rio – wenig Zeit zur Regenerati­on, gleichzeit­ig jedoch eine verkraftba­re Pause im Rennrhythm­us. „Gerade weil es so nah beisammenl­iegt, denke ich, dass es möglich ist“, meinte Froomes Landsmann Bradley Wiggins. Er ist einer, der es wissen muss: 2012 gewann er als erster Brite die Tour und nur sechs Tage später in London das olympische Zeitfahren. Damals waren zeitlicher Abstand und Distanz allerdings noch geringer, dennoch legte sich der 36-Jährige, der in Brasilien mit dem vierfachen TourEtappe­nsieger Cavendish auf der Bahn im Omnium antreten wird, fest: „Der Olympia-Sieger wird von der Tour de France kommen.“

Damals in London stand Froome als Drittplatz­ierter neben Wiggins auf dem Podest, vier Jahre später will er nun die oberste Stufe erklimmen. Im Hinblick darauf hielt er mit Coach Tim Kerrison das Pensum zu Jahresbegi­nn niedrig, der Sky-Kapitän bestritt vor der Abreise nach Frankreich nur fünf Rennen, gewann davon zwei (Herald Sun Tour, Criterium du Dauphine). „Das Vertrauen in die Umstellung war da, selbst wenn ich bis Februar nichts gewonnen hätte“, erzählte Froome, der durchaus Gefallen an der neuen Routine fand. „Es war schön, mehr Zeit zu Hause verbringen zu können“, erklärte der 31-Jährige, dessen Familiengl­ück neben Ehefrau Michelle seit Dezember Sohn Kellan komplettie­rt.

Den anspruchsv­ollen Kurs in Rio hat Froome bereits im vergangene­n November intensiv besichtigt, ist ihn mit lokalen Experten abgefahren. Das Straßenren­nen wartet mit einer Länge von 256 km und rund 4500 Höhenmeter­n, einem Flachstück entlang Copacabana und Ipanema und zwei Anstiegen, die jeweils mehrmals gefahren werden, auf: Der Grumari-Berg, über den auch das Zeitfahren führt, weist eine Steigung von bis zu 13 Prozent und zwei Kilometern auf Kopfsteinp­flaster auf, der Vista-Chinesa-Abschnitt führt durch den hügeligen Tijuca-Nationalpa­rk. „Die Strecke liegt mir sehr gut, aber das wird ein hartes, ein wirklich hartes Rennen“, lautete Froomes Fazit. Wille versetzt Berge. In Rio werden die Rivalen um den Sieg im Straßenren­nen einmal mehr Nairo Quintana, Fabio Aru oder Romain Bardet heißen, der große Unterschie­d ist, dass Froome ihnen dort nicht den Vorteil von gleich acht Edelhelfer­n um sich voraushat. Denn im Gegensatz zur Tour besteht das Olympia-Aufgebot aus lediglich fünf Fahrern. Mit seinen beiden SkyKollege­n Geraint Thomas und Ian Stannard sowie Steve Cummings (ein Tour-Etappensie­g) und Adam Yates, der das weiße Trikot für den besten Jungprofi gewann, ist die britische Mannschaft um ihren Anführer dennoch stark besetzt. „Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Team gute Chancen haben“, meinte Trainer Rod Ellingwort­h, der Froome Großes zutraut. „Der Wille kann vieles schaffen. Wenn man die richtige Einstellun­g und gerade die Tour gewonnen hat, dann kann man Berge versetzen.“

Das Ziel ist freilich hoch gesetzt: Noch nie hat ein männlicher Fahrer das olympische Doppel geschafft. 2000 in Sydney gewann der Deutsche Jan Ullrich das Straßenren­nen und wurde Zweiter im Zeitfahren, 2008 gelang dem Schweizer Fabian Cancellara das umgekehrte Kunststück.

4500 Höhenmeter auf 256 km warten in Rio. »Das wird ein wirklich hartes Rennen.«

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AFP Chris Froome, 31, kürt sich heute zum dritten Mal zum Toursieger.

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