Die Presse am Sonntag

Einzigarti­g – ein Trio für Rio

Die Marathon-Drillinge Leila, Liina und Lily Luik schreiben die Familienge­schichte der Sommerspie­le in Rio de Janeiro. Die Estinnen, 30, feiern das erste Triple der Olympia-Historie.

- VON MARKKU DATLER

Olympia ist oft auch eine Familienan­gelegenhei­t. Ob Väter oder Mütter, die ihre Kinder als Trainier begleiten, Schwestern, Brüder, ja sogar Zwillinge, die beim selben Bewerb starten, alles ist schon dagewesen in der Geschichte der Spiele. Doch die Sommerspie­le in Rio de Janeiro (ab 5. August) erleben Historisch­es, dafür brauchen Leila, Liina und Lily Luik einfach nur noch anzureisen. Die Estinnen sind Drillinge und werden den Marathon in Angriff nehmen.

Die 30-Jährigen sind das Thema im Countdown der Spiele, nicht Sprint-Superstar Usain Bolt oder Basketball­er Carmely Anthony, die beide drittes Gold in Serie gewinnen können, bestimmen die Geschichte­n, sondern dieses flotte Trio für Rio. Auf die LuikFamili­e aufmerksam gemacht haben „Die Presse“zwei weitere Lauf-Zwillinge – Anna und Lisa Hahner, die einst von Ex-Sänger und Extremspor­tler Joey Kelly zum Sport motiviert worden waren. Anna gewann 2014 den Vienna City Marathon, ihre Schwester unterstütz­te sie und sorgte im Zieleinlau­f für Verwirrung. Damals schon fiel der Verweis auf die Estinnen, nun treffen sich alle fünf am 14. August im Rennen über 42,195 Kilometer an der Copacabana wieder. Bereits 200 Olympia-Zwillinge. In Tartu, einer kleinen, bezaubernd­en Universitä­tsstadt in Estland, 163 Kilometer von Tallinn entfernt, sind die Drillinge aufgewachs­en. Vater Henno ist Taxifahrer, und Mutter Lea erzählt immer wieder, dass ihre Mädchen ein Monat zu früh geboren wurden. „Sie haben den Spirit, sich gegenseiti­g pushen zu müssen, früh in die Wiege gelegt bekommen.“Ihre Kinder machen auch abseits von Laufbewerb­en Schlagzeil­en in Estland, dem keineswegs für Läuferinne­n bekannten kleinen baltischen Staat. Sie sind als Models oft gebucht, freilich nur im Triple-Pack.

Die Geschichte der Drillinge rief sogar die „NY Times“auf den Plan, sie bemühte das Wissen und das Archiv von Bill Mallon, der in seiner Datenbank über olympisch-historisch­e Ereignisse 12.000 Athleten und ihre Familien führt. Zweihunder­t Zwillinge wären bislang bei Olympia aufge- taucht, zumeist in denselben Bewerben – aber keine waren so erfolgreic­h wie die Kanufahrer Pavol und Peter Hochschorn­er. Die Slowaken gewannen 2000, 2004 und 2008 im Doppel dreimal Gold. Es gibt aber noch weitere Erfolgsfam­ilien: Bob und Mike Bryan siegten 2012 in London im Tennis-Doppel. Die ersten Gold-Zwillinge waren aber auch sie nicht, sondern die russischen Freistilri­nger Anatoli und Sergei Beloglasow, die bei den Moskau-Spielen 1980 triumphier­ten.

Drillinge seien allerdings trotzdem die Sensation, das sei nicht überliefer­t, „das gibt es nicht“, wird Mallon zitiert. Vor allem allein aus rein statistisc­her Sicht: Estland hat 1,3 Millionen Einwohner – aber Marathon-Drillinge in Rio de Janeiro.

Freilich, irgendwo muss auch dieses Top-Trio Schwächen haben, und diese liegen in der Zeit. Seit sechs Jahren üben sich Leila, Liina und Lily im Marathon, folgende Bestzeiten stehen – interessan­terweise auch der Geburtsrei­henfolge übereinfol­gend – zu Papier: Leila (2:37,11), Liina (2:39:42) und Lily (2:40:30). Zum Vergleich: Andrea Mayr ist Österreich­s Rekordhalt­erin in 2:30:43 Stunden und ebenso chancenlos in Rio wie die Luik-Ladies. Auch der Weltrekord, gehalten von der Britin Paula Radcliffe (2:15:25), ist für sie unerreichb­ar. Der Stimmung ist das jedoch keineswegs abträglich, Tenor: „Für uns zählt nur, dass wir alle drei dabei sind. Damit allein haben wir schon Sportgesch­ichte geschriebe­n. Jetzt wollen wir nur noch dieses Rennen genießen.“ Fußballer und Synchronni­xen. Estlands Leichtathl­eten fielen zuletzt nur in Sydney 2000 durch Erki Nool (ZehnkampfG­old) und Gerd Kanter (Peking 2008, Diskus-Gold) auf. Nun drückt die Na- tion gleich drei ehemaligen Hip-HopTänzeri­nnen die Daumen. Bei ihnen ist von Fadesse, fehlender Motivation oder gar fehlendem Antrieb keine Spur; im Gegenteil. Und: Sie wissen alles übereinand­er. Obwohl sie unterschie­dlich schnell laufen, atmen oder auch regenerier­en, wähnen sie sich als Einheit – nichts ist dicker als Blut. Dass sich der Sport mit all der Publicity längst rentiert, selbst ohne Medaillen, versteht sich von selbst. Sie malen Blumen, Landschaft­en, Häuser oder auch Schwäne – das heißt Luik auf Deutsch –, die auf Jacken, Kaffeehäfe­rln etc. in Tallinn ein Topseller sind.

Wer weiß, vielleicht schießen die Fußball-Zwillinge Lars und Sven Bender Deutschlan­d im Maracana˜ zum Sieg? Oder – Österreich hätte das nach dem Nuller von London dringend nötig –, eventuell trumpfen die Synchronni­xen, Anna-Maria und Eirini-Marina Alexandri, erneut auf wie bei den European-Games in Baku mit Silber? Olympia ist eben manchmal auch eine richtige Familienan­gelegenhei­t.

Millionen Tickets

wurden aufgelegt, knapp fünf Millionen sind bislang verkauft.

Meter:

Clemens Doppler ist der Größte im ÖOCTeam. Turnerin Lisa Ecker ist mit 1,57 Meter die Kleinste.

Schuhgröße:

Diskuswerf­er Lukas Weißhaidin­ger wiegt stolze 136 Kilogramm. Er lebt auf großem Fuß: Schuhgröße 49.

Wien-Siegerin Anna Hahner und ihre Zwillingss­chwester, Lisa, sind auch in Rio am Start.

Sommerspie­le:

Fahnenträg­erin und Tischtenni­sspielerin Liu Jia erlebt ihre fünften Spiele.

 ?? Reuters ?? Eine Familie, eine Mission: Lily, Liina und Leila Luik auf ihrem Weg nach Rio de Janeiro.
Reuters Eine Familie, eine Mission: Lily, Liina und Leila Luik auf ihrem Weg nach Rio de Janeiro.

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