Antike Weltvermessung
Als älteste Weltkarte gilt eine akkadische Tontafel, ca. 2200 v. Chr.
wissenschaftlichen Realität abgegangen. Die Lehre von Jesus, der als Erlöser im Zentrum des Lebens steht, sowie die Bipolarität von Sündenfall und Paradies passten nicht zur Erkenntnis, wonach die Erde nur ein Planet unter vielen ist und um die Sonne kreist. „Die kirchliche Sicht von damals illustriert unter anderem die Ebstorfer Weltkarte gut“, sagt Haltrich. Auf dieser mappa mundi (vermutlich von etwa 1300) ist Jerusalem, Ort der Auferstehung, in der Mitte, im Osten liegt das Paradies, links unten Europa. Die Fridericuskarte dagegen ist frei von heilsgeschichtlichen Inhalten.
„Also muss die verbreitete Annahme, dass die mittelalterliche Kirche das heliozentrische Weltbild stets abgelehnt hat, relativiert werden“, sagt Haltrich. Denn: „Gewissermaßen aus ihr heraus, mitunter hinter den Toren des Stifts Klosterneuburg, hat man sich von diesem Schritt für Schritt entfernt. Die Lage des Nullmeridians zeigt dabei das Selbstbewusstsein des forschenden Kirchenmannes Muestinger.“ Versuche, nicht nur eine Siedlung oder eine Region, sondern die – jeweils bekannte – Welt als Karte abzubilden, gab es wohl schon in der Urgeschichte, sie sind aber praktisch nicht dokumentiert. Als älteste Darstellung gilt eine Tontafel aus der akkadischen Stadt Nuzi (heute Jorgan Tepe bei Kirkuk, Irak), datiert auf 2300 bis 2200 vor Christus. Sie zeigt Berge, Flüsse und Städte Nordmesopotamiens, das als Erdscheibe im kosmischen Meer schwimmt. Ähnlich ist die steinerne babylonische Weltkarte aus dem sechsten Jahrhundert v. Chr. Sie zeugt indes auch davon, dass man Karten oft nicht an der Realität, sondern der Politik bzw. Willkür orientierte, denn auf ihr fehlen in Babylon durchaus bekannte Völker wie Perser und Ägypter.
Griechen wie Anaximander und Hekataios von Milet zeigten im 6. Jh. v. Chr. die Erde als runde, fast embryonale Verschmelzung von Europa, Afrika und Asien mit dem Mittelmeer im Zentrum und dem Weltenmeer ringsum. Sie sind aber nicht erhalten, sondern wurden rekonstruiert. Auch auf römische Karten schließt man nur indirekt, etwa durch die Tabula Peutingeriana (12. Jh.), die sich als Produkt einer Kette von Kopien einer Römerkarte von 375 versteht. Die Römer hielten wenig von topografisch- und himmelsrichtungskorrekter Darstellung, ihre Karten zeigten primär Straßen und wie man über sie von einem Ort zum nächsten kommt. Die Lage der Orte war sekundär, diese Karten ähnelten schematischen Grafiken von U-Bahn-Netzen.