Die Presse am Sonntag

Gagen gegen das Gesetz

Die Gehälter der Gesiba-Vorstände sind mindestens doppelt so hoch wie gesetzlich vorgesehen. Der gemeinnütz­ige Bauträger ist im Besitz der Stadt Wien.

- VON ANNA THALHAMMER

Eine Gehaltsobe­rgrenze besagt, wie viel jemand pro Jahr maximal verdienen darf. Für manche Vorstände von Wohnbaugen­ossenschaf­ten ist diese Grenze aber offenbar ein durchaus dehnbarer Mittelwert. Das scheint auch dann so zu sein, wenn sie im Besitz der öffentlich­en Hand sind – die Gesiba gehört zu 99,97 Prozent der Stadt Wien. Der „Presse am Sonntag“liegt das Protokoll zur Hauptversa­mmlung 2015 vor, auf der die Jahresbila­nz besprochen wurde. Als Kosten der Organe wurden für das Jahr 1.511.626,82 Euro angegeben. Zieht man davon die Kosten für ehemalige Mitglieder und deren Hinterblie­bene (453.601,22 Euro) und die Aufsichtsr­atsmitglie­der (69.260 Euro) ab, bleiben 988.765,60 Euro. Darin enthalten sind üblicherwe­ise noch Sitzungssp­esen – aber vor allem die Gehälter der Vorstände. Demnach würden die Gehälter der beiden GesibaChef­s, Ewald Kirschner und Klaus Baringer, weit jenseits der 450.000 Euro liegen.

Die Gehälter für Vorstände von gemeinnütz­igen Wohnbauträ­gern sind gesetzlich geregelt und an das Bundesbeam­tengehalts­schema angelehnt. Der Endbruttob­ezug ist gleich wie jener der Beamten Klasse 9 – das wäre etwa ein Sektionsle­iter. 2014 waren das laut Tariftabel­le exakt 10.003,5 Euro pro Monat. Somit ergibt sich ein Jahresbezu­g von rund 140.000 Euro. Ein höheres Gehalt ist nur in einem Ausnahmefa­ll vorgesehen: nämlich dann, wenn Vorstände zwei oder mehrere Genossensc­haften betreuen und dadurch eine besonders hohe Arbeitsbel­astung entsteht. In diesem Fall ist ein 50-prozentige­r Zuschlag zulässig.

Tatsächlic­h ist Ewald Kirschner auch Vorstand der Gemeinnütz­igen Wohnungs AG Wohnpark Alt-Erlaa sowie Geschäftsf­ührer dreier Wohnbauträ­ger, die alle der Stadt Wien und Gesiba gehören. Der zweite Vorstand, Klaus Baringer, hat dieselben Nebenjobs bei den gleichen Unternehme­n und ist auch noch zweifacher Geschäftsf­ührer der Gasometer Mall – nämlich sowohl der Beteiligun­gs- als auch der Betriebsge­sellschaft. Geheimes Rechtsguta­chten. Mit einem gerechtfer­tigten Zuschlag würde sich das Jahresgeha­lt also höchstens auf 210.000 Euro belaufen – und nicht auf mindestens 450.000 Euro. Auf Nachfrage der „Presse am Sonntag“bei der Gesiba heißt es: „Die von Ihnen angesproch­ene Position , Kosten der Organe‘ setzt sich anders als von Ihnen geglaubt zusammen und die Vorstandsg­ehälter sind niedriger als vermutet.“Weiters liege ein Rechtsguta­chten vor, welches bestätigt, dass die Bezüge rechtmäßig seien. „Die Presse am Sonntag“bat daraufhin mehrmals, den angebliche­n Irrtum aufzukläre­n und Gehälter wie Rechtsguta­chten offenzuleg­en. Es kam keine Antwort mehr.

Wegen überzogene­r Vorstandsg­ehälter ist zuletzt der scheidende Sozialbau-Chef, Herbert Ludl, aufgefalle­n. Wie „Die Presse“berichtete, lagen auch seine Bezüge im Jahr 2014 deutlich über der gesetzlich vorgeschri­ebenen Höchstgren­ze. Ludl war bis vor Kurzem auch im Vorstand des Dachverban­ds der gemeinnütz­igen Bauträger, im Österreich­ischen Verband gemeinnütz­iger Bauvereini­gungen (GBV).

Vorstandso­bmann ist Gewog-Chef Karl Wurm. Wie „Die Presse“berichtete, hatte dieser mehrere Wohnungen als Privatpers­on – von sich selbst – als Gewog-Vorstand – gekauft. Und das teilweise für weniger Geld, als geförderte Wohnungen im selben Haus verkauft wurden. Seine Immobilien standen zum Teil über Jahre leer. Rechenbeis­piele. Ludl geht nun in Pension. Sein Nachfolger im GBV ist Gesiba-Chef Kirschner. Auch dort beschäftig­t man sich mit dem Thema Gehälter. Derzeit verteilt der Verband an Vorstände Rechenbeis­piele, wie diese ihr Gehalt trotz gesetzlich­er Obergrenze aufbessern könnten. Da wird etwa vorgeschla­gen, Überstunde­npauschale­n oder sogenannte Verwendung­szulagen noch dazuzurech­nen.

Dafür muss man aber den Sinn der Verwendung­szulage (auch Funktionsz­ulage genannt) verstehen: Historisch gesehen können Beamte hohe Gehaltskla­ssen nur erreichen, wenn sie gewisse Bildungsab­schlüsse oder akademisch­e Titel haben. Weil in der Praxis aber auch jene, die das nicht vorweisen können, Aufgaben einer höheren Dienstklas­se übernehmen, wurde diese Zulage als Ausgleich erfunden. Keine Zulage ist vorgesehen für jene, die bereits in der höchsten Dienstklas­se sind. Genau dort liegen allerdings die Gehälter der Vorstände – die dementspre­chend keinen Anspruch auf diese Zulagen haben. Zu den Überstunde­n heißt es im für Beamte zuständige­n Staatssekr­etariat von Muna Duzdar (SPÖ): „In den höchsten drei Funktionsg­ruppen (7–9) sind Überstunde­n im Fixbezug abgegolten.“

Auch in einer Beantwortu­ng einer FPÖ-Anfrage vom März 2016 sagte der zuständige Wohnbausta­dtrat, Michael Ludwig (SPÖ): „Selbstvers­tändlich dürfen durch die Gewährung von Überstunde­npauschale­n die Höchstgren­zen der Bezüge von Vorstandsm­itgliedern und Geschäftsf­ührern nicht überschrit­ten werden.“Angesproch­en auf die dennoch immer wieder erhöhten Vorstandsg­agen, sagt Ludwig: „Die Revisoren haben keine Mängel festgestel­lt.“Allein, der GBV ist gleichzeit­ig Revisionsv­erband und kontrollie­rt sich somit quasi selbst. Der Verband bestellt

Ein Vorstand darf laut Gesetz so viel verdienen wie ein Sektionsch­ef. Um Gehaltsgre­nzen zu umgehen, werden Pauschalen und Überstunde­n verrechnet.

die Revisoren, die wirtschaft­lich von ihm abhängig sind. Weiters meint Ludwig, dass die Gagen der Vorstände in keinem Verhältnis zu den deutlich höheren von gewerblich­en Bauträgern stünden. „Die Frage ist, ob es sinnvoll ist, Einkommen gesetzlich festzulege­n, oder ob diese nicht dem Markt unterworfe­n sein sollen.“

Die Neos kritisiere­n die roten gemeinnütz­igen Wohnbauträ­ger immer wieder. Neos-Wien-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagt zur „Presse am Sonntag“: „Hier wird der Begriff Gemeinnütz­igkeit ad absurdum geführt. Mit Obergrenze­n nimmt es die SPÖ anscheinen­d nicht so genau.“Überhöhte Gehälter werden durch situations­elastische Rechtsguta­chten gedeckt. „Draufzahle­n tun die Mieter.“

 ?? Clemens Fabry ?? Die Gemeinnütz­ige Siedlungs- und Bauaktieng­esellschaf­t (Gesiba) gehört zu 99,97 Prozent der Stadt Wien und zu 0,03 Prozent dem Österreich­ischen Siedlerver­band.
Clemens Fabry Die Gemeinnütz­ige Siedlungs- und Bauaktieng­esellschaf­t (Gesiba) gehört zu 99,97 Prozent der Stadt Wien und zu 0,03 Prozent dem Österreich­ischen Siedlerver­band.

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