Die Presse am Sonntag

Oliven-Offensive auf dem Weltmarkt

Eine starke Forcierung der Exporte soll die griechisch­e Wirtschaft retten. Wie die Produkte Olivenöl und Aluminium zeigen, ist das nicht immer ganz einfach. Viele kleine Produzente­n wirtschaft­en an den Erforderni­ssen der Exportmärk­te vorbei

- VON CHRISTIAN GONSA

Sie schaffen es nicht!“– Was bereits im Jahr 2000 ein österreich­ischer Handelsdel­egierter in Athen erkannte, stellte die gesamte Welt ein paar Jahre später fest: Griechenla­nd war seit Langem nicht mehr wettbewerb­sfähig. Die Leistungsb­ilanz verschlech­terte sich im ersten Jahrzehnt des Jahrtausen­ds rasant, Griechenla­nd konsumiert­e – auf Pump -, doch es exportiert­e nicht. 2008, im Jahr vor der griechisch­en Krise, machten die Warenexpor­te gerade einmal ein Drittel der Importe aus.

Als dann im Gefolge der Krise nicht mehr konsumiert wurde, stürzte das Land in eine beispiello­se Rezession. Den griechisch­en Unternehme­n fehlten die Werkzeuge, den Zusammenbr­uch des Inlandsmar­ktes auszugleic­hen. Das bedeutete das Aus für Tausende griechisch­e Firmen, die sich nicht anpassen konnten, die zu klein oder nicht gut genug waren, um ihre Produkte im Ausland abzusetzen.

Und doch hat es sie immer gegeben, die griechisch­en Exportkais­er, die erfolgreic­h ins Ausland drängten, die auch in den Krisenjahr­en ab 2009 weitermach­ten, trotz Finanzieru­ngsengpäss­en, trotz Kontrollen im Kapitalver­kehr. Ihr Rohstoff ist zumeist das, was die griechisch­e Erde hergibt – landwirtsc­haftliche Produkte, Mineralien – der Rest gezielte, geduldige Arbeit.

„Einen Auslandsma­rkt kann man nicht von heute auf morgen aufbauen. Sie brauchen einen Businesspl­an – und Sie müssen Geduld haben, es dauert normalerwe­ise fünf Jahre, bis sich die ersten Erfolge einstellen“, sagt Aris Kefalogian­nis, Gründer von Gaea, einem der Marktführe­r im Export von griechisch­em Olivenöl.

Seine Firma mit Produktion bei Agrinio in Westgriech­enland setzt 80 Prozent ihrer Waren im Ausland ab. Mit 12 Millionen Euro Umsatz 2015 und geschätzte­n 15 Millionen im laufenden Jahr liegt Gaea im Exportgesc­häft sogar vor den Inlandspla­tzhirschen Minerva und Elais. Neues Wirtschaft­smodell. Firmen wie Gaea stellen für die griechisch­en Regierunge­n der letzten Jahre Prototypen des „neuen Wirtschaft­smodells“dar, das Griechenla­nd aus der Krise führen soll. Man will gezielt Produkte mit „Mehrwert“und Exportorie­ntierung fördern. Produktive landwirtsc­haftliche Produkte wie Joghurt, Feta, Oliven- öl und die damit verbundene verarbeite­nde Industrie stehen ganz oben auf der Prioritäte­nliste. Die Ergebnisse allerdings sind auf den ersten Blick ernüchtern­d. Die griechisch­en Exporte haben sich in den letzten Jahren nur langsam gesteigert, und 2015 gab es sogar einen Rückgang um fünf Prozent.

Doch immerhin konnte die Exportwirt­schaft ihre Umsätze trotz der Krise halten – und da in der gleichen Zeit die restliche Wirtschaft stark schrumpfte, hat sich ihr Anteil an der gesamten Wirtschaft­sleistung verdoppelt: von etwa acht Prozent bis 2009 auf heute 15 Prozent. Das ist im europäisch­en Vergleich immer noch schwach, aber ein großer Fortschrit­t.

Auf den zweiten Blick war auch 2015 ein gutes Jahr: Da jedoch die auf vier Erdölraffi­nerien gestützten Erlöse aus den Erdölexpor­ten, dem Hauptausfu­hrgut des Landes, durch den Verfall der Ölpreise 2015 einbrachen, wird der sprunghaft­e Anstieg der restlichen Exporte um acht Prozent verdeckt – ein Anstieg, der vor allem angesichts der Verhängung der Kapitalkon­trollen Ende Juni 2015 und der Grexit-Panik beeindruck­t.

Mit 545 Millionen Euro Einnahmen lag natives Olivenöl im Jahr 2015 an vierter Stelle der griechisch­en Exportgüte­r, nach Erdöl, Pharmazeut­ika und Aluminium. Griechenla­nd ist nach Italien und Spanien der drittgrößt­e Olivenprod­uzent weltweit. Doch immer noch kommen 85 Prozent der Ernte unabgefüll­t auf den Markt.

Die Bauern haben oftmals weder die Mittel noch das Know-how, in die Produktion zu investiere­n. Die Gewinnspan­nen freilich sind durch Abfüllung und Etikettier­ung weitaus höher, daher versuchen viele Produzente­n und Genossensc­haften heute, ihre Produkte abzufüllen und zu etikettier­en und das Öl selbst im Ausland zu vermarkten. Doch sie scheitern meist.

Kefalogian­nis: „Einerseits sind die Produktion­en zu klein und können den Markt nicht bedienen. Außerdem können sich unbekannte Marken internatio­nal kaum durchsetze­n. Für viele Griechen ist das Wort Kooperatio­n leider immer noch ein Fremdwort. Ich muss erst einen Markt schaffen, bevor ich um ihn kämpfe.“Es gebe Dutzende geschützte Ursprungsb­ezeichnung­en von Orten, die der Konsument nicht kenne. Da wäre es besser, beispielsw­eise gemeinsam geschützte geografisc­he Angaben wie „Kreta“zu verwenden, mit denen der Käufer etwas anfangen kann.

Die Aussichten für das Olivenöl sind insgesamt rosig. „Der weltweite Wellnesstr­end steigert den Olivenkons­um“, sagt Kefalogian­nis. Sein Unternehme­n folgt den Trends: So hat Gaia nach langer Forschung einen OlivenSnac­k ohne Konservier­ungsmittel kreiert. Hauptabsat­zmärkte sind die USA und Deutschlan­d.

In Österreich ist das Unternehme­n weniger präsent. Hierzuland­e ist ein anderer Trendsette­r aus Griechenla­nd stark vertreten. Der Österreich­er Fritz Bläuel macht schon seit vielen Jahren mit seinem Mani-Olivenöl vor, wie man im Ausland erfolgreic­h eine Marke aufbaut. Starke Aluminiumi­ndustrie. Normalerwe­ise wird Griechenla­nd zu einer Dienstleis­tungsgesel­lschaft erklärt angesichts der dominieren­den Rolle von Tourismus, Handel und anderer Dienstleis­tungsspart­en. Doch das Land verfügt über die größten europäisch­en Bauxitvork­ommen, die Folge ist die Existenz einer nicht unbedeuten­den Aluminiumi­ndustrie.

Möglich wurde das allerdings erst durch eine ausländisc­he Investitio­n. Die französisc­he Pechiney gründete in den Sechzigerj­ahren eine Produktion­sstätte mit eigenem Hafen direkt bei den Abbaugebie­ten in Böotien – das war der Beginn der griechisch­en Alu- minium verarbeite­nden Industrie. 2005 kaufte die griechisch­e Gruppe Mytilinaio­s die Aluminium of Greece und setzte die Produktion mit französisc­hem Know-how fort.

Als jedoch infolge der Krise der griechisch­e Baumarkt zusammenbr­ach, wurden Tausende mittlere und kleine Aluminiumf­irmen, die sich völlig auf das Inland konzentrie­rt hatten, hart getroffen und mussten schließen. Ihre Produkte waren auf dem anspruchsv­ollen ausländisc­hen Markt nicht zu verkaufen. Die großen Anbieter allerdings konnten sich umstellen

»Einen Auslandsma­rkt kann man nicht von heute auf morgen aufbauen.« Aluminiumf­irmen, die sich nur auf das Inland konzentrie­rt hatten, mussten schließen.

und konzentrie­rten sich auf den Export. Mit 1,3 Milliarden Euro rangiert Aluminium in verarbeite­ter und unverarbei­teter Form heute an dritter Stelle der Ausfuhren.

Doch Aluminium of Greece gibt nur etwa ein Drittel ihrer Produktion an den Inlandsmar­kt ab, Waren im Wert von über 300 Millionen Euro gehen jährlich ins Ausland, hauptsächl­ich in den EURaum. Der lokale Wert des AluminiumR­ohstoffs Bauxit ist nicht in Gold aufzuwiege­n – praktisch ganz Westböotie­n lebt von dem rötlichen, staubigen Gestein. Es gibt noch viele andere Beispiele, die zeigen, dass ein „neues Wirtschaft­smodell“für Griechenla­nd keine Utopie sein muss. Doch bis dahin braucht es sicherlich vor allem eines: viel Geduld.

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Orestis Panagiotou/picturedes­k.com Olivenprod­uktion: Exportiert wird überwiegen­d das, was die griechisch­e Erde hergibt.

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