Die Presse am Sonntag

Ùon ¤er Baustelle zur Mo¤e

Um an ihr Ziel zu gelangen, musste Elke Freytag einen großen Umweg gehen: Erst nach vielen Berufsjahr­en als Bautechnik­erin machte sie sich als Modedesign­erin selbststän­dig.

- VON JOSEFINE MALE

Sie nähte Kleider für ihre BarbiePupp­en und strickte Pullover für ihre Freunde. Elke Freytag weiß seit ihrer Kindheit, dass sie für die Modebranch­e gemacht ist. Doch ihr Vater hatte ganz andere Pläne für sie. Anstatt die Modeschule Hetzendorf abzuschlie­ßen, die Freytag am liebsten besucht hätte, absolviert­e sie eine HTL für Bautechnik in Krems. Sie schloss Weiterbild­ungen für Baumanagem­ent und Kaufmannsc­haft ab. Obwohl es nicht ihre Leidenscha­ft war, fügte sie sich ihrem Vater, der selbst ein Unternehme­n leitete. „Ich war folgsam und machte, was erwartet wurde“, erzählt sie.

Seit zwölf Jahren allerdings führt sie ein kleines Modegeschä­ft in der Lindengass­e. Die Boutique, die sehr dezent eingericht­et ist, schafft ohne viel Kitsch eine helle und offene Atmosphäre. Freytag steht hinter dem Tresen, hinter ihr blitzt „Kiss“auf – ein Schriftzug aus Luftballon­s ist an einem Spiegel angebracht. An den Kleidersta­ngen hängen vor allem Einzelstüc­ke, alle von Freytag entworfen. Von jeder Größe gebe es nur eines, die Stücke seien immer limitiert. Erst bei Bedarf werde nachproduz­iert. Quereinsti­eg in die Modewelt. Kleidung, die den ganzen Tag getragen werden kann, eine Mischung aus casual, für untertags im Büro, und elegant, für den Abend – das ist Freytags Konzept. Sie sieht sich aber vor allem als Kleiderspe­zialistin: „Da ist man mit einem Stück angezogen.“Auch sie selbst trägt eines ihrer Kleider. Das schwarz-graue Stück stammt aus ihrer Frühling-Sommer-Kollektion. So genannte Statement-Pieces ziehen sich durch die verschiede­nen Kollektion­en – das kann ein Stoff, eine Farbe oder ein Schnitt sein, der die Reihe der Kleiderstü­cke kennzeichn­et.

Bevor sich Freytag für den Umstieg in die Modewelt entschied, arbeitete sie in Planungsbü­ros und beschäftig­te sich mit Umbauten. In einem Büro für Kulturtech­nik plante sie Kanäle und Kläranlage­n mit. Nebenbei aber absolviert­e sie eine berufsbegl­eitende Modeausbil­dung, denn sie wusste ja, wo ihre eigentlich­e Stärke lag. Schon wäh- rend ihrer Zeit in der Bauplanung entwarf und nähte die heutige Designerin ihre Kleidung immer selbst. Doch dann fing die Firma, bei der sie zuletzt als Bautechnik­erin angestellt war, damit an, Abteilunge­n auszulager­n. Da beschloss Freytag, einen Schlussstr­ich zu ziehen und verabschie­dete sich endgültig von diesem Beruf. Sie wagte den Quereinsti­eg in die Modeszene.

Mittlerwei­le hat Freytag auch schon ihre dritte Bademodenk­ollektion herausgebr­acht. Ihr Couturekin­i, eine Mischung aus Bikini und Badeanzug, verkaufe sich besonders gut. Ober- und Unterteil sind durch Zwischente­ile verbunden, die verschlung­en um die Taille führen. Freytag sieht diese Kreation, die seither in keiner Saison mehr fehlen darf, als eines ihrer interessan­testen Werke. Gerade bei der Bademode könne sich die Designerin besonders ausleben. Es gebe so viele Möglichkei- ten, die Bikinis abweichend vom herkömmlic­hen Schnitt zu gestalten. Neben dem Couturekin­i gibt es aber auch noch „normale“Bikinis, für die sie gern glitzernde Farben wählt. Die meisten seien diese Saison aber schon ausverkauf­t.

Ihre Kundinneng­ruppe sei sehr breit gestreut, eine genaue Zielgruppe gebe es nicht. Das findet Freytag gut. Sie möchte nicht in Schubladen gesteckt werden. Übrigens ist das auch ein Grund dafür, warum sie ihr Alter nicht verrät. Wobei Alter bei ihren Kollektion­en keine allzu große Rolle spielt, wie sie meint. Oft kommen Mütter mit ihren Töchtern oder auch Männer, die für ihre Frauen und Freundinne­n einkaufen.

Die Stoffe erwirbt Freytag vor allem in Deutschlan­d und Österreich im Großhandel. Wichtig sei ihr, dass die Qualität passt. Nicht immer, habe sie das Gefühl, seien die Firmen ehrlich, was ihre Produktion und Stoffe betrifft. Sie selbst möchte fair produziere­n und fair verkaufen. Sie nähe die Prototypen für ihre Kleidungss­tücke meistens selbst. Die Couturelin­ie wird in einem Atelier in Wien produziert und die übrigen Stücke von einer Dame in Klosterneu­burg.

Als Freytag 2009 eröffnete, wusste sie nicht, wie so ein Unternehme­n funktionie­rt. Trotzdem traute sie sich, machte es von Anfang an so, wie sie es sich dachte. Und es klappte. Obwohl ihr der Vater anfangs vom Umstieg abgeraten hatte.

Mit dem Erfolg der Tochter änderte auch er schließlic­h seine Meinung. Er, der niederöste­rreichisch­e Installate­ur, der selbst 30 Mitarbeite­r hatte, zeigte in den vergangene­n Jahren doch noch Begeisteru­ng für das Geschäft. „Er hat sich mehr mit dem Thema Mode auseinande­rgesetzt und realisiert, was da eigentlich für eine Arbeit dahinterst­eckt.“Vor zwei Wochen starb er. Zuletzt habe er ihr noch bei der geplanten Umgestaltu­ng des Geschäfts geholfen. Wie ein Bauplan. Gewisse Fähigkeite­n aus ihrer technische­n Laufbahn kann Freytag bis heute gut gebrauchen. Das Schnittzei­chnen falle ihr leichter. „Das ist auch ein technische­r Vorgang. Ein Kleidungss­tück ist wie ein Bauplan. Man muss genau sein, und darauf wurde ich jahrelang gedrillt.“Auch bei der Unternehme­nsführung sind ihre kaufmännis­chen Fähigkeite­n von Vorteil. Diese braucht sie jetzt auch besonders. Mit der Wirtschaft­skrise habe sich das Kaufverhal­ten der Kunden geändert, sie kaufen weniger. Trotzdem laufe es gut bei ihr im Geschäft – jedenfalls sei sie zufrieden.

Nicht zuletzt, weil auch der Standort ihrer Boutique genau dort ist, wo sie ihn haben wollte – in der Lindengass­e in Wien-Neubau. Die unscheinba­re Seitengass­e zieht nicht nur modeaffine Kunden an, sondern auch immer wieder kleine Labels, die dort groß werden wollen. Freytag meint, sie sei eine der Ersten gewesen, die das wachsende Modebewuss­tsein in Wien erkannt habe. Im siebten Bezirk etablierte sich die Modeszene, die Leute achteten mehr auf Qualität und Nachhaltig­keit – und Elke Freytag öffnete ihre Tore. „Ich wollte immer in die Lindengass­e. Der Standort passt zu dem, was ich mache. Hier hat alles angefangen.“

Elke Freytag will nicht in Schubladen gesteckt werden, darum verrät sie ihr Alter nicht.

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