Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Die Macht des Marketings: Am Glanz des hochgespielten Begriffs Superfood ändert auch die Tatsache nichts, dass wissenschaftlich betrachtet nicht viel dran ist.
Was für eine Karriere: Allerorts ist zu hören und zu lesen, dass sogenanntes Superfood wie etwa chinesische Goji-Beeren, mexikanische Chia-Samen oder südamerikanische AcaiBeeren großartige positive Wirkungen auf die Gesundheit habe. Entsprechend teuer und „in“sind diese Produkte, der Absatz wächst zweistellig. Seriösen Wissenschaftlern kommt der Begriff Superfood freilich nicht über die Lippen – das Wort ist ein reiner Marketingbegriff. Wie David Sax für sein Buch „Tastemakers“(354 S., 21,90 Euro, ResidenzVerlag) recherchiert hat, breitete er sich ausgehend von einem Artikel des Ernährungsjournalisten Aaron Moss ab 1998 aus. Umgehend stürzten sich findige Unternehmer und Marketingstrategen darauf und bauten um ihn herum eine geheimnisvolle Aura auf, in der sich Erwartungen über Antioxidantien, Flavonoide, Omega-6-Fettsäuren, Polyphenole etc. mit angeblich altem Wissen von Azteken, Chinesen oder Indios mischen.
Viele von Ernährungsempfehlungen und Diäten geplagte Menschen nahmen diese Botschaft bereitwillig auf: Hier gibt es Lebensmittel, die man nicht meiden muss! Ja, im Gegenteil: Je mehr man davon verzehrt, umso gesünder!
In zwei Dingen sind sich alle Wissenschaftler völlig einig: Erstens ist das erwähnte Superfood nicht schädlich; zweitens würden altbekannte Lebensmittel wie Leinsamen, Heidelbeeren oder Sanddorn ebenso große Mengen der betreffenden Inhaltsstoffe enthalten wie Chia, Goji und Co. Einen schönen Überblick dazu bietet das eben erschienene Büchlein „Schwarzbuch Superfoods“(87 S., 9,95 Euro, Leopold-Stocker-Verlag). Weitgehend einig sind sich Forscher aber auch noch in einem dritten Punkt: Die behaupteten Wirkungen gegen Alterung, Krebs, Diabetes usw. sind kaum durch wissenschaftliche Studien belegt. Bis ein hieb- und stichfester Beweis vorliegt, darf in der EU daher nicht mit gesundheitsbezogenen Versprechungen („health claims“) geworben werden – was bisher bei kaum einem Inhaltsstoff gelungen ist.
Das ändert allerdings nichts am Glanz des Begriffs Superfood. Ein Beispiel dafür rauschte diese Woche durch das Internet. Indische Forscher seien auf das „Superfood der Zukunft“gestoßen, war da zu lesen: und zwar auf Kristalle in der Milch von pazifischen Küchenschaben (!), die eine perfekte Nährstoffzusammensetzung aufweisen würden. Im Originalartikel (IUCrJ, Juli 2016, S. 282) findet sich das Wort Superfood freilich nicht. Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.