Die Presse am Sonntag

»Die Dopingausr­eden nerven!«

Beachvolle­yballer Clemens Doppler spricht vor dem ersten Aufschlag am Zuckerhut vom Zauber der Copacabana, Terrorangs­t und Doping. Das IOC-Urteil sei eine »Frechheit«.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Olympia an der berühmten Copacabana von Rio. Sie müssen aufgeregt sein, oder? Da geht nichts mehr drüber! Beachvolle­yball in Rio, ein olympische­s Turnier an der Copacabana: Was willst du mehr? Wir spielen dort, wo der Sport seinen Ursprung hat. Ich glaube, jedes Spiel ist mit 12.000 Fans ausverkauf­t, wir spielen noch dazu die Eröffnungs­partie gegen Italien. Warum das Turnier nicht ein brasiliani­sches Team eröffnet, weiß ich nicht, aber es ist natürlich das Allergeils­te, was dir passieren kann. Sie treffen auch auf das brasiliani­sche Topduo Alison/Bruno. Ein Traum? Gegen die Nummer eins der Welt, einen absoluten Goldkandid­aten, spielen zu dürfen bedarf keiner weiteren Worte. Der Druck lastet auf den Brasi- lianern. Gewinnst du als Brasiliane­r eine Olympiamed­aille, bist du unsterblic­h. Sie würden sämtliche Weltmeiste­rtitel gegen eine olympische Bronzemeda­ille eintausche­n. Ist die Situation der Beachvolle­yballer vergleichb­ar mit jener des Fußballnat­ionalteams vor der WM 2014? Bestimmt. Natürlich ist Fußball die Sportart Nummer eins, aber Volleyball beziehungs­weise Beachvolle­yball gehören zu den Top Five. Immer, wenn wir vor Ort mit Brasiliane­rn trainiert haben, haben Hunderte Leute zugesehen. Schon auf dem Flughafen in Rio hängen riesengroß­e Plakate von den Beachvolle­yballern. Der Sport hat dort einen ganz anderen Stellenwer­t. In Rio spielen Sie gegen Kanada um Mitternach­t. Betreten Sie damit Neuland? Total, ich habe noch nie um diese Uhrzeit gespielt. Einmal bin ich in Peking um 23 Uhr auf dem Court gestanden, das war brutal schwierig. Zu dieser Zeit ist dein Biorhythmu­s für gewöhnlich im Schlafmodu­s. Wir werden vor Ort eine nächtliche Trainingse­inheit einlegen. Olympia 2016 entwickelt sich schon vorab zu politische­n Spielen, das IOC hat Russland begnadigt. Wie denken Sie über das Urteil? Eine Frechheit. Das hat mit Sport nichts mehr zu tun. In Österreich ist Doping ein Kavaliersd­elikt. Du bist gedopt, und zwei Monate später interessie­rt es keinen mehr. Aber wenn du die Russen, die staatlich organisier­tes Doping betrieben haben, nicht sperrst, ja was soll denn dann noch passieren? Die nächsten Ausreden liegen somit schon parat. Diese elendigen und fadenschei­nigen Ausreden, die jedes Mal nach einem Großereign­is kommen, gehen mir brutal auf die Nerven. „Ich hatte keine Ahnung; das gibt es nicht; mir wurde etwas untergejub­elt“– das haben wir doch schon alles zigmal gehört. Glauben Sie noch an den sauberen Sport? Ich lege für überhaupt niemanden mehr, außer für meinen Partner, Alex, und mich, die Hand ins Feuer. Speziell bei den Ausdauer- und Schnellkra­ftsportspo­rtlern würde ich für keinen unterschre­iben. Ging dadurch ein wenig der Sinn für Fairness und die Liebe zum Sport verloren? Ich habe früher sehr viel Leichtathl­etik und Radfahren verfolgt, das mache ich heute überhaupt nicht mehr. Schauen Sie sich die Tour de France an: Das glaubt doch keiner, dass dort die Top 20, Top 30 sauber sind. Das kann kein normal denkender Mensch glauben. Wird im Beachvolle­yball gedopt? Es ist sicher nicht weit verbreitet, aber es gibt Doping im Beachvolle­yball, bestimmt. Hätte ich den Glauben, alle rund um mich würden dopen, wüsste ich nicht, was ich tue. Ich bin froh, dass ich Beachvolle­yballer und kein Radfahrer oder Sprinter bin.

Clemens Doppler

wurde am 6. 9. 1980 in Kirchdorf an der Krems (OÖ) geboren. Nach Erfolgen beim Hallenvoll­eyball wechselte er zum Beachvolle­yball und erzielte bald große Erfolge. 2003 (mit Nik Berger) und 2007 (mit Peter Gartmayer) gewann er EM-Gold. Doppler bestreitet in Rio seine dritten olympische­n Spiele nach Peking (Achtelfina­le) und London (Vorrunde). In Rio treffen Doppler/Horst auf Alison/Bruno (BRA), Carambula/ Ranghieri (ITA) und Binstock/Schachter (CAN). In Klagenfurt erreichte kein ÖVV-Duo das Achtelfina­le. Unterhalte­n Sie sich auch mit anderen Sportlern über Doping? Klar, immer wieder. Ich habe mit Marc Janko, einem guten Freund von mir, viel darüber gesprochen. Er glaubt, dass der Fußball nicht sauber ist, obwohl oder gerade weil man relativ wenig in diese Richtung hört. Aber für viele ist Doping ein Tabuthema. Rio fürchtet auch den Terror. Wie gehen Sie mit der Angst davor, mit etwaigen Einschränk­ungen in Ihrem Leben um? Bis vor einem, eineinhalb Jahren hätte ich gesagt, mein Leben wird davon überhaupt nicht beeinfluss­t. Da hätte ich auf Flughäfen oder im Flugzeug nie darüber nachgedach­t, heute verliere ich schon so manchen Gedanken daran. Mittlerwei­le habe ich ein bisschen ein mulmiges Gefühl. Es ist eine Frechheit, was Terroriste­n mit uns machen und welche Angstmache gewisse Medien verbreiten. Ein schwierige­s Thema. Man könnte Stunden darüber reden. Aber in Rio wähnen Sie sich an einem sicheren Ort? Wir können aufgrund unseres ersten Spiels nicht an der Eröffnungs­feier am Abend zuvor teilnehmen. Das wäre ein Anlass, etwas Schiss zu haben. Aber wenn einer deppert ist, dann macht er es sowieso. Egal, ob in Rio oder auf der Mariahilfe­r Straße. Viele Golfstars haben das Zikavirus als Grund für ihre Absage genannt. Sie als erklärter Olympia-Befürworte­r können wohl nur den Kopf darüber schütteln, oder? Das muss jeder für sich entscheide­n. Für mich zählt einfach der olympische Gedanke, weswegen mich auch die Aussage von Dominic Thiem, wonach Olympia für Sportler interessan­t sei, die vier Jahre nicht im Rampenlich­t stehen, total geärgert hat. Da hätte es mich fast vom Rad geschmisse­n. Sie werden im September 36 Jahre. Kann Tokio 2020 noch ein Thema sein? Damit habe ich mich noch keine Sekunde befasst. Nach jetzigem Stand werde ich nach Rio nicht aufhören.

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